VwGH 96/13/0082

VwGH96/13/008211.12.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Hargassner und Mag. Heinzl als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Anträge der D-GmbH in W, vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt in W, auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Behebung von Mängeln der Beschwerde in dem mit Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. März 1996, 95/13/0224-5, abgeschlossenen Verfahren, den Beschluß gefaßt:

Normen

AVG §71 Abs1 lita;
AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;
AVG §71 Abs1 lita;
AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;

 

Spruch:

Dem Antrag wird stattgegeben.

Begründung

Mit Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. März 1996, 95/13/0224-5, wurde das Verfahren betreffend die von der Antragstellerin erhobene Beschwerde gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 20. Dezember 1994, Zlen 6/2-2230/1/91-16 und 6/2-2223/92-16, betreffend Körperschaft- und Gewerbesteuer 1984 bis 1986 sowie Umsatzsteuer 1985 und 1986, eingestellt, weil die Antragstellerin dem an sie ergangenen Auftrag zur Verbesserung der Beschwerde insoweit nicht entsprochen hat, als sie innerhalb offener Frist eine dritte Beschwerdeausfertigung nicht vorlegte. Der Beschluß wurde der Antragstellerin am 24. Mai 1996 zugestellt.

Innerhalb offener Frist stellte die Antragstellerin unter gleichzeitiger Vorlage einer dritten Beschwerdeausfertigung den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Behebung von Mängeln. Dies mit folgender Begründung: Nach Erhalt des Mängelbehebungsauftrages wurde von der Vertreterin der Antragstellerin ein weiteres Exemplar der Beschwerde durch Fotokopieren des in ihrem Handakt erliegenden Exemplares hergestellt, auf dem Original der Beschwerde vermerkt "Nach Verbesserung ... wieder vorgelegt" und dieser Beisatz mit ihrer Unterschrift versehen. Den folgenden Ausführungen der Antragstellerin, wonach ihre Vertreterin den Handakt mit der beigefügten, unterfertigten Beschwerdeausfertigung ihrer Konzipientin, die von der Vertreterin der Beschwerdeführerin selbst lange Jahre ausgebildet worden sei und stets fehlerfrei gearbeitet habe, mit dem Ersuchen übergeben habe, die Überreichung beim Verwaltungsgerichtshof fristgerecht vorzunehmen, muß entnommen werden, daß das neu hergestellte Textexemplar auch unterfertigt wurde. Von der Konzipientin sei jedoch die Beschwerdeausfertigung mit einem im Handakt liegenden, nicht unterfertigten Textexemplar der Beschwerde verwechselt worden und dem Verwaltungsgerichtshof seien daher nur die ursprünglichen Beschwerdeausfertigungen mit dem nicht unterfertigten Textexemplar der Beschwerde vorgelegt worden.

Ausgehend von diesem, vom Verwaltungsgerichtshof als bescheinigt angesehenen Sachverhalt erweist sich der Wiedereinsetzungsantrag als berechtigt:

Gemäß § 46 Abs 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Der Verwaltungsgerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, daß ein Verschulden des Parteienvertreters einem Verschulden der Partei selbst gleichzusetzen ist (vgl Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, 3. Aufl, S 656 f). Die Bewilligung der Wiedereinsetzung kommt somit im Hinblick auf die Bestimmungen des § 46 Abs 1 zweiter Satz VwGG nur in Betracht, wenn dem Antragsteller und seinem Vertreter kein Versehen oder nur ein minderer Grad eines Versehens angelastet werden kann. Ein Versehen einer Kanzleikraft eines Rechtsanwaltes ist diesem nur dann als Verschulden anzulasten, wenn der Rechtsanwalt die gebotene und ihm zumutbare Kontrolle gegenüber der Kanzleikraft unterlassen hat. Unterläuft einer Kanzleikraft, deren Zuverlässigkeit glaubhaft dargetan wird, erst nach der Unterfertigung eines fristgebundenen Schriftsatzes und nach Kontrolle desselben samt den dazugehörigen Beilagen durch den Rechtsanwalt im Zuge der Kuvertierung ein Fehler, so stellt dies nach der

hg Rechtsprechung ein unvorhergesehenes Ereignis dar (vgl etwa den hg Beschluß vom 20. Juni 1990, 90/13/0136). Eine regelmäßige Kontrolle der Kuvertierung durch eine verläßliche Kanzleikraft ist einem Rechtsanwalt nicht zumutbar, will man nicht dessen Sorgfaltspflicht überspannen.

Diese in der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes enthaltenen Erwägungen kommen auch im vorliegenden Fall zum Tragen. Auch hier hat die Rechtsvertreterin der Antragstellerin das für die fristgerechte Erfüllung des ihr erteilten Auftrages zur Verbesserung der Beschwerde Erforderliche vorgekehrt. Zur Versäumung der aufgetragenen Frist kam es nur auf Grund der beschriebenen Fehlleistung einer Kanzleikraft, welche im Zuge der Abfertigung unterlaufen ist. Da der Antragstellerin und ihrer Rechtsvertreterin ein Verschulden an der Versäumung nicht vorgeworfen werden kann, war dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stattzugeben.

Infolgedessen erübrigt sich eine Entscheidung über den Eventualantrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens.

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