VwGH 96/07/0065

VwGH96/07/006523.5.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Bumberger, Dr. Pallitsch und Dr. Beck als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Bachler, über die Beschwerde

1. der Maria S in E und 2. des Ing. Alexander S in W, beide vertreten durch Dr. SF, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landesagrarsenates beim Amt der Niederösterreichischen Landesregierung vom 21. November 1995, Zl. VI/3-F-121/1, betreffend Feststellung einer Flurbereinigungsmaßnahme, zu Recht erkannt:

Normen

FlVfGG §49;
FlVfGG §50;
FlVfLG NÖ 1975 §1;
FlVfLG NÖ 1975 §42;
FlVfLG NÖ 1975 §43 Abs1 Z2;
FlVfLG NÖ 1975 §43;
FlVfLG Vlbg 1979 §28;
FlVfLG Vlbg 1979 §30;
FlVfGG §49;
FlVfGG §50;
FlVfLG NÖ 1975 §1;
FlVfLG NÖ 1975 §42;
FlVfLG NÖ 1975 §43 Abs1 Z2;
FlVfLG NÖ 1975 §43;
FlVfLG Vlbg 1979 §28;
FlVfLG Vlbg 1979 §30;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeschrift und der ihr angeschlossenen Ablichtung des angefochtenen Bescheides ist folgender Sachverhalt zu entnehmen:

Mit Kaufvertrag vom 13. März 1995 erwarben die Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführer je zur Hälfte von Herrn Karl und Frau Margarethe M. die Grundstücke Nr. 935 und 936 im Ausmaß von 995 und 888 m2 aus der EZ 5,

KG G.

Mit Schreiben vom 29. August 1995 beantragten die Beschwerdeführer bei der Niederösterreichischen Agrarbezirksbehörde (ABB) die Einleitung eines Flurbereinigungsverfahrens. Der Antrag wurde damit begründet, daß die Erstbeschwerdeführerin an den angrenzenden Grundstücken im Ausmaß von ca. 5 ha Hälfteeigentümerin sei. Der restliche Hälfteanteil an den benachbarten Grundstücken stehe im bücherlichen Eigentum des Gatten der Erstbeschwerdeführerin und Vaters des Zweitbeschwerdeführers, Dr. Robert S. Durch den Erwerb der Grundstücke Nr. 935 und 936 durch die Erstbeschwerdeführerin und den Zweitbeschwerdeführer, den Sohn der Erstbeschwerdeführerin, sei im Sinne der Flurbereinigung im Rahmen der elterlichen Grundstücke die Bearbeitung beider Flächen ermöglicht und entstünden noch weitere Vorteile für deren Bewirtschaftung.

Die ABB stellte mit Bescheid vom 7. September 1995 gemäß § 42 des Niederösterreichischen Flurverfassungs-Landesgesetzes 1975, LGBl. 6650-2, fest, daß beim Kaufvertrag vom 13. März 1995 den die Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführer (als Käufer) abgeschlossen hätten, die Voraussetzungen des § 43 Niederösterreichisches Flurverfassungs-Landesgesetz 1975, LGBl. 6650-4 (FLG), nicht vorlägen.

Begründend führte die ABB aus, daß mit dem gegenständlichen Kaufvertrag die Grundstücke Nr. 935 und 936, beide KG G., von der Erstbeschwerdeführerin und vom Zweitbeschwerdeführer je zur Hälfte erworben worden seien; Eigentümer der angrenzenden Grundflächen seien Dr. Robert S. und die Erstbeschwerdeführerin. Da die Eigentumsverhältnisse am angrenzenden Eigengrundstück und am zu erwerbenden Grundstück nicht ident seien, lägen die Voraussetzungen des § 43 FLG beim gegenständlichen Vertrag nicht vor.

Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer Berufung und begründeten diese damit, daß entgegen der Rechtsansicht der ABB sehr wohl Eigentümeridentität im Sinne des § 43 FLG vorliege, weil unter "Erwerber" im Sinne des § 43 FLG der landwirtschaftliche Betrieb zu verstehen sei. Die Identität mit dem bücherlichen Eigentümer sei hingegen nicht Voraussetzung. Die Erstbeschwerdeführerin sei hinsichtlich des gesamten landwirtschaftlichen Betriebes der Familie S. Betriebsführerin. Der Betrieb solle jedoch innerhalb der nächsten Jahre an den Zweitbeschwerdeführer, den Sohn der bücherlichen Eigentümer der Nachbargrundstücke, übertragen werden. Die Einheitlichkeit des Betriebes der Familie S. bleibe durch den Vertrag jedoch unberührt, weshalb entgegen der Ansicht der ABB sehr wohl die Voraussetzungen des § 43 FLG erfüllt seien. Zur Unterstützung ihrer Rechtsansicht zitierten die Beschwerdeführer in ihrer Berufung weiters das hg. Erkenntnis vom 20. September 1988, 88/07/0021.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführer gemäß den §§ 42 und 43 Abs. 1 FLG sowie § 66 Abs. 4 AVG als unbegründet ab. Begründend führte die belangte Behörde aus, das FLG sehe in seinem § 42 vor, daß für die Erlassung eines positiven Feststellungsbescheides die Tatbestandsvoraussetzungen des § 1 und des § 43 KUMULATIV vorliegen müßten. Als eine - und für den vorliegenden Fall einzig relevante - Voraussetzung normiere § 43 FLG, daß die erworbene Grundfläche an eine Grundfläche des Erwerbers angrenze. Fest stehe, daß als Erwerber der beiden Grundstücke Nr. 935 und 936, beide KG G., die Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführer im Kaufvertrag vom 13. März 1995 genannt seien. Als Eigentümer des an diese beiden Grundstücke angrenzenden Grundstückes Nr. 934 seien im Grundbuch allerdings Dr. Robert S. und die Erstbeschwerdeführerin eingetragen. Wenngleich hinsichtlich der Person der Erstbeschwerdeführerin eine Eigentümeridentität vorliege, so sei doch die Person Dr. Robert S. von jener des Zweitbeschwerdeführers verschieden. Um die zuvor genannte gesetzlich vorgegebene Voraussetzung erfüllen zu können, hätten die Grundstücke Nr. 935 und 936 von der Erstbeschwerdeführerin und Dr. Robert S. erworben werden müssen. Da der Zweitbeschwerdeführer lediglich auf der Erwerberseite aufscheine, ohne (Mit-)Eigentümer einer an die zu erwerbende Grundfläche angrenzenden Grundfläche zu sein, könne nicht davon gesprochen werden, daß die erworbene Grundfläche an eine Grundfläche DES ERWERBERS angrenze. Die Behauptung der Beschwerdeführer, aus dem Zusammenspiel von § 1 und § 43 FLG ergebe sich, daß unter "Erwerber" in § 43 FLG der landwirtschaftliche Betrieb, den die Erstbeschwerdeführerin führe, zu verstehen sei, stehe im deutlichen Widerspruch zum klaren Gesetzeswortlaut. Die in Rede stehende Gesetzesvorschrift lasse eine solche Interpretation, nach der unter Erwerber nicht (die im Kaufvertrag genannten) Personen, sondern bloß Objekte zu verstehen seien, nicht zu.

Auch der Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. September 1988, 88/07/0021, könne der Berufung der Beschwerdeführer nicht zum Erfolg verhelfen. Dieses Erkenntnis sei in einem Flurbereinigungsverfahren zum Vorarlberger Flurverfassungslandesgesetz ergangen. Dieses Gesetz kenne aber im Gegensatz zum Niederösterreichischen FLG nicht die in § 43 FLG genannten Tatbestandsvoraussetzungen für die Durchführung einer Flurbereinigung. Infolge der unterschiedlichen Rechtslage könne die Argumentation des Verwaltungsgerichtshofes im oben bezeichneten Erkenntnis nicht auf den gegenständlichen Fall übertragen werden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird. Die Beschwerdeführer erachten sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht auf Einleitung eines Flurbereinigungsverfahrens, welches die Befreiung von der Grunderwerbsteuer zur Folge gehabt hätte, verletzt.

Die Beschwerdeführer führen aus, die belangte Behörde habe zu Unrecht festgestellt, daß im gegenständlichen Fall die Voraussetzungen des § 43 FLG nicht erfüllt seien. § 1 FLG definiere klar und deutlich die Ziele und Aufgaben einer Flurbereinigung. Dabei seien der erste und zweite Absatz des § 1 der jeweiligen Flurverfassungs-Landesgesetze der Bundesländer Niederösterreich und Vorarlberg ident, in Abs. 3 sei die erste Hälfte wörtlich ident, die zweite Hälfte lediglich anders formuliert. Auch § 42 Niederösterreichisches Flurverfassungs-Landesgesetz decke sich im wesentlichen mit § 30 Vorarlberger Flurverfassungs-Landesgesetz, wobei der Verweis auf die Voraussetzungen der §§ 1 und 43 sich im Vorarlberger Flurverfassungsgesetz-Landesgesetz nicht finde. Jedoch sei bei der Beurteilung des Vorliegens der Voraussetzung des § 43 Niederösterreichisches Flurverfassungs-Landesgesetz nach dem Sinn des Gesetzes nicht davon auszugehen, daß das Wort "Erwerber" im Sinn des bücherlichen Eigentümers der Nachbargrundstücke, sondern im Sinne eines einheitlichen landwirtschaftlichen Betriebes auszulegen sei. Eine Verbalinterpretation ließe grundsätzlich beide Varianten denkmöglich erscheinen, jedoch gebiete § 1 FLG die von den Beschwerdeführern vertretene Auslegung, da die Identität des landwirtschaftlichen Betriebes das einzige Kriterium sein könne, die Intentionen des Gesetzes zu erfüllen. Daß neben der Voraussetzung, die erworbene Grundfläche habe an eine Grundfläche des Erwerbers anzugrenzen, als weitere Bedingung alternativ die Ermöglichung der gemeinsamen Bearbeitung beider Flächen oder sonstige Vorteile für deren Bewirtschaftung angegeben seien, diene offensichtlich dazu, den bloßen Kauf durch völlig unbeteiligte Dritte und gleichzeitig die Verpachtung der erworbenen Liegenschaften an den Betreiber der Nachbargrundflächen von den Begünstigungen des FLG auszunehmen. Im Gegenzug lasse sich jedoch dem gesamten FLG kein vernünftiges Argument entnehmen, daß die Durchführung einer Flurbereinigung unmöglich sei, wenn aneinandergrenzende Grundstücksflächen im Eigentum der Mitglieder einer Familie stünden, welche unter einheitlicher Leitung einen einheitlichen landwirtschaftlichen Betrieb führe.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 42 FLG sind dem Flurbereinigungsverfahren Verträge, die von den Parteien in verbücherungsfähiger Form abgeschlossen wurden (Flurbereinigungsverträge), oder Parteienübereinkommen, die von der Behörde in einer Niederschrift beurkundet wurden (Flurbereinigungsübereinkommen), zugrunde zu legen, wenn die Voraussetzungen der §§ 1 und 43 vorliegen und die Behörde mit Bescheid feststellt, daß die Verträge oder Übereinkommen zur Durchführung der Flurbereinigung erforderlich sind. In einem solchen Fall kann von der Erlassung des Einleitungsbescheides und des Flurbereinigungsplanes Abstand genommen werden.

§ 43 Abs. 1 Z. 2 FLG normiert als Voraussetzungen im Sinne des § 42, daß im Falle des Grunderwerbes auf eine andere Art, insbesondere durch Kauf, Schenkung oder gegen Leibrente, das Eigentum an den Grundstücken nicht an einen Verwandten in gerader Linie, den Ehegatten, ein Stiefkind, Wahlkind, Schwiegerkind oder ein in Erziehung genommenes Kind übertragen wird, die erworbene Grundfläche an eine Grundfläche des Erwerbers angrenzt und hiedurch

  1. a) die gemeinsame Bearbeitung beider Flächen ermöglicht wird oder
  2. b) sonstige Vorteile für deren Bewirtschaftung entstehen.

Das Gesetz knüpft nun die Rechtsfolgen der in § 42 FLG vorgesehenen Feststellung an das kumulative Vorliegen bestimmter Tatbestandsvoraussetzungen. So müssen die Voraussetzungen des § 1 FLG ebenso vorliegen wie jene des § 43 leg. cit, sodaß es den Beschwerdeführern für ihren Rechtsstandpunkt nichts nützt, wenn sie die Voraussetzungen des § 1 FLG erbringen, es aber an denen des § 43 FLG fehlt. Auch die in § 43 Abs. 1 Z. 2 FLG aufgezählten Tatbestandsvoraussetzungen müssen kumulativ derart vorliegen, daß erstens das Rechtsgeschäft das Eigentum an den Grundstücken nicht an bestimmte Angehörige überträgt, zweitens die erworbene Grundfläche an eine Grundfläche des Erwerbers angrenzt und drittens hiedurch die gemeinsame Bearbeitung beider Flächen ermöglicht wird oder sonstige Vorteile für deren Bewirtschaftung entstehen. Schon beim Fehlen einer dieser kumulativ geforderten Voraussetzungen kommt die in § 42 FLG vorgesehene Feststellung des von den Beschwerdeführern begehrten Inhaltes nicht mehr in Betracht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. Februar 1994, 93/07/0080).

In seinem Erkenntnis vom 20. September 1988, 88/07/0021, hat der Verwaltungsgerichtshof zum Vorarlberger Flurverfassungs-Landesgesetz ausgesprochen, daß ein zur Durchführung der Flurbereinigung erforderlicher Vertrag auch dann vorliegen kann, wenn der Käufer eines Grundstückes nicht allein Eigentümer des benachbarten Grundstückes ist, weil nicht nur die Verbesserung der Besitzverhältnisse, sondern auch die Verbesserung der Benutzungs- und Bewirtschaftungsverhältnisse Gegenstand und Ziel einer Flurbereinigung sein können. Für dieses Verfahren nach dem Vorarlberger Flurverfassungs-Landesgesetz ist jedoch von Bedeutung, daß der Beschwerdeführer in diesem Verfahren ALLEINEIGENTUM an den Kaufliegenschaften erwarb und die daran angrenzenden Liegenschaften nicht in seinem Alleineigentum standen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. September 1988, VwSlg. 12.765/A). Eine dem § 43 Abs. 1 Z. 2 NÖ FLG entsprechende Regelung fehlt im Vlbg FLG.

Im vorliegenden Fall steht die angrenzende Liegenschaft im MITEIGENTUM der Erstbeschwerdeführerin und ihres Gatten Dr. Robert S. An den Kaufliegenschaften Grundstücke Nr. 935 und 936, KG G., hat die Erstbeschwerdeführerin neben dem Zweitbeschwerdeführer lediglich je einen IDEELLEN MITEIGENTUMSANTEIL erworben. Erwerber der gegenständlichen Grundflächen im Sinne des § 43 Abs. 1 Z. 2 FLG sind somit die Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführer und nicht der angrenzende "landwirtschaftliche Betrieb".

Im vorliegenden Fall kann es dahingestellt bleiben, ob die im Erkenntnis vom 20. September 1988 vom Verwaltungsgerichtshof zum Vorarlberger Flurverfassungs-Landesgesetz geäußerte Rechtsansicht auf das Niederösterreichische Flurverfassungs-Landesgesetz übertragbar ist, da selbst bei Bejahung dieser Frage die in § 43 Abs. 1 Z. 2 FLG u.a. für Kaufverträge aufgestellte Voraussetzung, daß die erworbene Grundfläche an eine Grundfläche des Erwerbers angrenzt, im vorliegenden Fall nur in bezug auf die Erstbeschwerdeführerin erfüllt ist. Hinsichtlich der Erstbeschwerdeführerin liegt jedoch lediglich ein Kaufvertrag über ideelle Miteigentumsanteile vor. Mit der in § 43 Abs. 1 Z. 2 FLG genannten Voraussetzung hat der Gesetzgeber aber unmißverständlich zum Ausdruck gebracht, daß nur Verträge über Grundflächen, also nicht auch Verträge über ideelle Miteigentumsanteile an Grundstücken sich dazu eignen, einem Flurbereinigungsverfahren zugrundegelegt zu werden.

Die von den Beschwerdeführern beantragte Feststellung nach § 42 FLG konnte von der belangten Behörde infolge Fehlens einer der kumulativ geforderten Voraussetzungen nicht getroffen werden.

Da somit der Inhalt der Beschwerde schon erkennen ließ, daß die von den Beschwerdeführern behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

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