VwGH 96/05/0047

VwGH96/05/004721.5.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gritsch, über die Beschwerde der E in W, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 19. Dezember 1995, Zl. R/1-V-93059/02, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in einer Bausache (mitbeteiligte Partei: Stadtgemeinde K, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Normen

ABGB §1332;
AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;
ABGB §1332;
AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Eingabe vom 15. April 1994 hat die Beschwerdeführerin, vertreten durch ihre Rechtsfreunde, einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Erhebung der Vorstellung gegen einen Bescheid des Gemeinderates der Stadtgemeinde, ferner die Vorstellung und den Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung eingebracht. Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrages wurde ausgeführt, daß die EDV-mäßige Erfassung der Frist zur Erhebung der Vorstellung vom Rechtsvertreter angeordnet und die Eintragung am Bildschirm von diesem selbst kontrolliert worden sei. Der Kalender in der gegenständlichen Kanzlei bestehe nämlich in der Form, daß jeder Kalendertag auf einem eigenen Kalenderblatt aufscheine; der aus den einzelnen Tagesblättern bestehende Kalender werde wöchentlich abgedruckt. Am Montag, dem 28. März 1994, also in der Karwoche, habe Dr. A nochmals persönlich kontrolliert, ob die gegenständliche Frist eingetragen gewesen sei. Durch eine Fehlbedienung, die bedauerlicherweise nicht mehr nachvollzogen werden könne, sei aber die gegenständliche Fristeintragung am wöchentlichen Ausdruck am Dienstag nach Ostern, also am 5. April 1994, nicht mehr aufgeschienen. Der 5. April 1994 wäre der letzte Tag der Frist gewesen. Am Mittwoch, dem 6. April 1994, habe Dr. A den Akt gebraucht, da dieser auch Aktenstücke beinhalte, die für ein Mietrechtsverfahren vor dem Bezirksgericht über dasselbe Objekt relevant seien. Dabei habe er feststellen müssen, daß die gegenständliche Frist bereits um einen Tag abgelaufen sei. Eine Kontrolle der betreffenden Kalenderausdrucke habe ergeben, daß die gegenständliche Rechtsmittelfrist noch am Montag, dem 28. März 1994, beim wöchentlichen Kalenderausdruck mit Dienstag, dem 5. April 1994, als letztem Tag dieser Frist aufgeschienen, jedoch am Ausdruck des 5. April nicht mehr vorhanden gewesen sei.

Mit Bescheid der vom Amt der Niederösterreichischen Landesregierung betrauten Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung vom 10. Jänner 1995 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abgewiesen und die Vorstellung gegen den Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 15. März 1994 als verspätet zurückgewiesen. Aufgrund der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde der Beschwerdeführerin hat der Verwaltungsgerichtshof mit seinem Erkenntnis vom 30. Mai 1995, Zl. 95/05/0060, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften behoben. Zur Begründung hat der Verwaltungsgerichtshof im wesentlichen ausgeführt, daß eine Fehlausweisung der Fristvormerkungen in einem EDV-mäßig geführten Fristenbuch bei Anwendung eines gut eingeführten Programmes ein "Ereignis" im Sinne des § 71 Abs. 1 AVG sein könne, wenn die Partei nach den Umständen des Einzelfalles dessen Eintritt unter Bedachtnahme auf die zumutbare Aufmerksamkeit und Voraussicht nicht erwarten konnte. Bei Klärung der Frage, ob ein minderer Grad des Versehens vorliege, werde man von einem Rechtsanwalt, der eine EDV-unterstützte Fristenverwaltung unterhalte, verlangen müssen, daß er, nachdem er kontrolliert habe, ob Fristbeginn, Art der Frist und Fristdauer richtig eingetragen seien, besondere Vorkehrungen für die Art der Friststreichung ergriffen habe. Ohne genaue Kenntnis der Art des Systems, das gewählt wurde, um zu verhindern, daß Fristvormerkungen auch dann gestrichen werden können, wenn die Sache noch nicht endgültig erledigt ist, könne nicht beurteilt werden, ob im Einzelfall tatsächlich ein minderer Grad des Versehens vorgelegen sei. Die belangte Behörde sei der Begründung ihres Bescheides zufolge davon ausgegangen, daß "glaubhaft keine Aussage darüber getroffen werden könne, ob dieses Ereignis unabwendbar war bzw. ob ein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens" vorgelegen sei. Da die über einen Wiedereinsetzungsantrag entscheidende Behörde gehalten sei, eine abschließende Beurteilung darüber zu treffen, ob sie das angegebene Ereignis als unabwendbar bewertet und bejahendenfalls, ob den Antragsteller ein Verschulden bzw. nur ein minderer Grad des Versehens treffe, wobei grundsätzlich der Antragsteller verpflichtet sei, initiativ alles vorzutragen, was seiner Entlastung diene, habe die entscheidende Behörde dann, wenn sie sich außerstande sehe, dies zu beurteilen, den Einschreiter aufzufordern, detaillierte Angaben zu machen und allenfalls entsprechende Beweise anzubieten. Insbesondere müßte aufgeklärt werden, wie es zu einer Löschung der vorgemerkten Frist habe kommen können.

In der Folge forderte die belangte Behörde den Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin auf, nähere Angaben über das Computersystem in der gegenständlichen Kanzlei sowie darüber zu machen, wie es zur Löschung der gegenständlich vorgemerkten Frist kommen konnte und welche Maßnahmen zur Überwachung der Kanzleiangestellten getroffen worden seien.

Mit Schreiben vom 13. Oktober 1995 teilte der Rechtsvertreter mit, daß vom Jahr 1985 bis zum Frühjahr 1995 eine IBM S36-Anlage in Verwendung gestanden sei, wobei für die Kanzleiprogramme, Terminerfassung, Kalendierung, Buchhaltung, Currentienverwaltung sowie für die datenunterstützten gerichtlichen Mahn-, Klags- und Exekutionsverfahren die Software RENODAT eingesetzt worden sei. Dieses Anwendungsprogramm sei seit 1985 nur unwesentlich geändert worden.

Die Fristeneintragung erfolge in einem eigenen Menüpunkt "Bearbeiten Terminkalender", wobei sämtliche eingetragenen Termine tageweise durch den Menüpunkt "Terminkalender anzeigen" auf dem Bildschirm aufgerufen werden könnten. Nach erfolgter Termineintragung werde diese von einem der anwesenden Rechtsanwälte oder im Falle deren Verhinderung durch die Kanzleileiterin bzw. durch eine erfahrene Mitarbeiterin kontrolliert und auf dem Aktenstück händisch "Termin vermerkt" geschrieben, sodaß bei Vorfinden dieses Vermerkes sichergestellt sei, daß der eingetragene Termin kontrolliert worden sei. Nach erfolgter Termineintragung würden sämtliche eingetragenen Termine einmal wöchentlich ausgedruckt, bei kürzeren Fristen erfolge ein Ausdruck unmittelbar nach der Termineintragung; sei der Termin einmal eingetragen und kontrolliert, so müßte er auch als Termin am Kalenderblatt des jeweiligen Tages aufscheinen.

Weiters wurde ausgeführt, daß es für den Rechtsvertreter aufgrund des bewährten Systems nicht erklärbar sei, warum der gegenständliche Termin trotz ordnungsgemäßer und kontrollierter Eintragung nicht auf dem Kalenderausdruck aufgeschienen sei. Es bestünde jedoch die Möglichkeit, daß aufgrund einer Terminkollision - zwei Termine am gleichen Tag und zur gleichen Zeit -, welche eine Änderung eines eingetragenen Termines durch Hinzufügung eines zweiten Kontrollzeichens erforderlich mache, ein Fehler unterlaufen sei, der zu einer Umkalendierung bzw. einem Verlust geführt habe. Anhand des jeweils vorliegenden Kalenderausdruckes, welcher der Terminkontrolle beiliege, würden auftretende Terminkollisionen üblicherweise bemerkt, wobei eine Eintragung ohne weiteren Kontrollvermerk nicht möglich sei.

Alle eingetragenen Termine, welche nicht ausdrücklich gelöscht worden seien, seien jederzeit abrufbar, wobei der Rechtsvertreter darauf hinwies, daß es zu einer Löschung von Terminen selbst nach endgültiger Erledigung eines Falles niemals komme. Für Terminlöschungen müßten im System darüberhinaus mindestens zwei Bestätigungen in verschiedenen Menü-Masken erfolgen. Da es aufgrund des Systems zur Löschung mehrerer Programmschritte bedürfe, sei eine Löschung durch eine einfache bzw. irrtümliche Fehlbedienung auszuschließen bzw. unmöglich.

Weiters wurde vorgebracht, daß nach Auftreten dieses Vorfalles vom Rechtsvertreter veranlaßt worden sei, über einen Zeitraum von einigen Monaten neben dem täglichen Kalenderblatt eine "Hardcopy" der Bildschirmdaten des Kalendertages anzufertigen, wobei festgestellt werden konnte, daß die Fristerfassung und der Ausdruck problemlos funktioniert hätten und keine Fehleintragungen oder Löschungen aufgetreten seien.

Eine weitere, technisch mögliche Ursache für den Verlust des gegenständlichen Termines könne aber auch darin liegen, daß es bei umfangreichen Termineintragungen und gleichzeitigem Erreichen der jeweiligen, vom System selbst aufgebauten Datei - in diesem Fall erweitere das System selbst deren Größe - zu einem Verlust der letzten Eintragung gekommen sei, wobei der Rechtsvertreter darauf hinwies, daß dies bei Terminen noch nie vorgekommen sei.

Zuletzt führte der Rechtsvertreter aus, daß es eine schlüssige Erklärung für das Nichtaufscheinen des eingetragenen Termines am Kalenderblatt des letzten Tages, obwohl die Eintragung auf dem Bildschirm für diesen Tag vorhanden gewesen und kontrolliert worden sei, nicht geben würde. Es sei daher ein einmal aufgetretener Systemfehler oder aber eine nicht mehr rekonstruierbare Fehlbedienung, die es aber wegen des sehr benutzersicheren Systems gar nicht geben dürfte, vorgelegen.

Dazu führte die Abteilung LAD-EDV des Amtes der Niederösterreichischen Landesregierung mit Schreiben vom 23. Oktober 1995 aus, daß im konkreten Fall die Wahrscheinlichkeit einer menschlichen Fehlfunktion als weitaus höher einzuschätzen sei als die einer technischen Fehlfunktion, zumal bewährte EDV-Systeme keine Daten verlieren würden, ohne daß das System darauf mit entsprechenden Fehlermeldungen bzw. sogar der Unmöglichkeit des Weiterarbeitens reagieren würde und der Benützer dadurch auf die Fehlfunktion aufmerksam gemacht werde. Aufgrund dieser Ausführungen sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit als Ursache der gegenständlichen Fehlfunktion menschliches Fehlverhalten und kein technischer Fehler anzunehmen. Zu dieser Stellungnahme äußerte sich der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 13. November 1995 dahingehend, daß eine Fehlbedienung nicht mit Sicherheit festgestellt werden könne. Da die Ursache des gegenständlichen Terminverlustes auch vom beigezogenen EDV-Spezialisten nicht restlos habe geklärt werden können und die Kanzlei des Rechtsvertreters sämtliche erforderlichen und zumutbaren Maßnahmen gesetzt habe, um die Eintragung der Fristen und der Kontrolle zu gewährleisten, handle es sich im gegenständlichen Fall um ein Versehen, welches als mindergradig einzustufen sei.

Mit dem bekämpften Bescheid vom 19. Dezember 1995 wurde unter I. der Antrag auf Wiedereinsetzung abgewiesen, unter II. wurde die Vorstellung als verspätet zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ad I. nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens im wesentlichen ausgeführt, es habe die Beschwerdeführerin nach Ansicht der Aufsichtsbehörde die von ihr behaupteten Ereignisse nicht glaubhaft machen können, zum anderen treffe den Rechtsanwalt der Beschwerdeführerin ein Verschulden an der Fristversäumnis, weil ein erforderliches Kontrollsystem in der gegenständlichen Kanzlei im Falle des Nichtaufscheinens des Termines auf dem Kalenderblatt mit keinem Wort erwähnt worden sei. Ein derartiges Kontrollsystem gebe es in der gegenständlichen Kanzlei offensichtlich auch gar nicht; diese Tatsache werde durch zwei Ausführungen des Rechtsvertreters belegt, nämlich dadurch, daß er behauptet habe, daß er die Fristversäumnis am 6. April 1994 nur deshalb bemerkt habe, weil er den gegenständlichen Akt zufällig an diesem Tage für ein anderes Verfahren benötigt habe, zum anderen führe er aus, daß ihm aus dem Grund, daß er eine EDV-Anlage verwende, die über die EDV-mäßigen Kontrollmechanismen wie Datensicherung etc. verfüge, wohl kein Verschulden vorgeworfen werden könne.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten mit einer Gegenschrift vorgelegt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG ist gegen die Versäumung einer Frist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft.

Wie bereits im Vorerkenntnis ausgeführt wurde, kann eine Fehlausweisung der Fristvormerkungen in einem EDV-mäßig geführten Fristenbuch bei Anwendung eines gut eingeführten Programmes ein "Ereignis" im Sinne des § 71 Abs. 1 AVG sein, wenn die Partei nach den Umständen des Einzelfalles dessen Eintritt unter Bedachtnahme auf zumutbare Aufmerksamkeit und Voraussicht nicht erwarten konnte. Bei Klärung der Frage, ob ein minderer Grad des Versehens vorliegt, werde man von einem Rechtsanwalt, der eine EDV-unterstützte Fristenverwaltung unterhält, verlangen müssen, daß er, nachdem er kontrolliert hat, ob Fristbeginn, Art der Frist und Fristdauer richtig eingetragen sind, besondere Vorkehrungen für die Art der Friststreichung ergriffen hat.

Der Verwaltungsgerichtshof teilt die Beurteilung der belangten Behörde, wonach der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin die behaupteten Ereignisse im Bereich der verwendeten Software nicht glaubhaft machen konnte, schon deshalb, weil der Beschwerdevertreter in seinem Wiedereinsetzungsantrag darauf hingewiesen hat, daß durch eine Fehlbedienung, die bedauerlicherweise nicht mehr nachvollzogen werden könne, der Termin nicht mehr aufgeschienen sei.

Doch selbst dann, wenn die Löschung der vorgemerkten Frist aufgrund einer "Fehlbedienung" einer Kanzleikraft erfolgt sein sollte, wäre die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, daß diese Fehlbedienung selbst ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis darstellt und sie an der Fristversäumnis kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft.

Das Versehen einer Kanzleiangestellten stellt für einen Rechtsanwalt und damit für die von ihm vertretene Partei nur dann ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis dar, wenn der Rechtsanwalt der ihm zumutbaren und nach der Sachlage gebotenen Überwachungspflicht gegenüber der Kanzleiangestellten nachgekommen ist (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 19. Jänner 1977, Slg. Nr. 9226/A, sowie vom 31. Jänner 1984, Zl. 84/05/0008, u.v.a.) und ihm selbst im gegebenen Zusammenhang kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens unterlaufen ist, da der Rechtsanwalt als Vertreter einer Partei gegenüber der ihm als Hilfsapparat zur Verfügung stehenden Kanzlei alle Vorsorgen getroffen haben muß, die die ordnungsgemäße Erfüllung dieser Aufgaben gewährleisten, die den Anwalt aus dem Bevollmächtigungsvertrag treffen. Dabei ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes durch entsprechende Kontrollen unter anderem dafür zu sorgen, daß Unzulänglichkeiten durch menschliches Versagen aller Voraussicht nach auszuschließen sind. Ein Anwalt verstößt danach auch dann gegen seine anwaltlichen Sorgfalts- bzw. Überwachungspflichten, wenn er im Vertrauen auf die Verläßlichkeit seiner Büroangestellten weder im allgemeinen noch im besonderen wirksame Kontrollsysteme vorgesehen hat, die im Falle des Versagens einer Kanzleiangestellten Fristversäumnisse auszuschließen geeignet sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Jänner 1987, Zl. 86/16/0194).

In der Beschwerde wurde hinsichtlich des Kontrollsystems auf den Seiten 3 (4. Absatz), 4 (2. und 3. Absatz), 9 (letzter Absatz) sowie 10 (1. Absatz) ausgeführt, daß für einen Zeitraum von sechs Wochen im voraus die Kalenderblätter jeweils einmal wöchentlich aktualisiert ausgedruckt werden und diese nicht nur in einem Ordner fix eingeheftet am Pult der Kanzleileiterin aufliegen, sondern es würde ein solches Ausdruckskompendium jedem Mitarbeiter überreicht. Der Sachbearbeiter habe jedoch am Dienstag nach Ostern die Frist in seinem Kalender und in seinem persönlichen Ausdruck nicht mehr vorgefunden. Der Rechtsvertreter habe vielmehr bei Aktendurchsicht am 6. April 1994 zufällig feststellen müssen, daß die Frist zur Erhebung des Rechtsmittels bereits abgelaufen sei. Das Fehlen der Frist ist also nur deshalb entdeckt worden, weil der Rechtsanwalt den gegenständlichen Akt auch für ein anderes Verfahren benötigt hat. Daraufhin sei sodann eine Kontrolle der Kalenderausdrucke erfolgt, man habe das Fehlen der Frist feststellen müssen. Eine regelmäßige Kontrolle dahingehend, daß der aktuelle Fristenausdruck mit dem aus der Vorwoche stammenden Ausdruck hinsichtlich der offenen Fristen bezüglich der nach Erledigung ausgestrichenen Fälle übereinstimmt, wird offensichtlich nicht durchgeführt.

Die entsprechenden Kontrollen, die durchzuführen sind, um Unzulänglichkeiten durch menschliches Versagen aller Voraussicht nach auszuschließen, haben aber nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes auch dort stattzufinden, wo sich Kanzleikräfte eines EDV-Systems bedienen, weil auch in diesem Bereich Fehlbedienungen der Kanzleiangestellten nicht ausgeschlossen sind. Während nämlich bei einem händisch geführten Terminkalender eine Streichung eines Termines einen entsprechenden Auffälligkeitswert hat, sodaß der Anwalt bei seiner Kontrolle die Richtigkeit der Streichung nachvollziehen kann, läßt sich die Löschung einer Texteintragung in einer EDV-Datei nicht ohne weiteres nachträglich erkennen. Wenn nun jegliches Kontrollsystem dahingehend fehlt, ob die in der Vorwoche noch ausgeworfenen Terminfälle mit dem aktuellen Fristenausdruck der Folgewoche übereinstimmen (abzüglich der erledigten Fälle), stellt dies einen Organisationsmangel dar, der auch nicht als minderer Grad des Versehens qualifiziert werden kann.

Im Ergebnis hat daher die belangte Behörde mit Recht den Wiedereinsetzungsantrag abgewiesen.

Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Mit der Erledigung der Beschwerde ist der Antrag, dieser die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, gegenstandslos geworden.

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