Normen
FrG 1993 §20 Abs1;
FrG 1993 §20 Abs1;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol (der belangten Behörde) wurde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 18 Abs. 1, Abs. 2 Z. 1 und §§ 19, 20, 21 FrG ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen.
Die belangte Behörde nahm als erwiesen an, daß der Beschwerdeführer mit - in Rechtskraft erwachsenem - Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 20. Mai 1994 wegen des Verbrechens des teils versuchten, teils vollendeten schweren banden- und gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch, teils in der Begehungsform der Beitragstäterschaft nach § 127, § 128 Abs. 1 Z. 4, § 129 Z. 1 und 2, § 130 zweiter Fall, § 15, § 12 dritte Alternative StGB, wegen des Vergehens der Körperverletzung nach den §§ 83 Abs. 1 StGB und wegen des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB zu einer - bedingten - Freiheitsstrafe von 15 Monaten verurteilt worden sei. Der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG sei erfüllt. Das der Verurteilung zugrundeliegende Gesamtfehlverhalten rechtfertige die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme.
Der Beschwerdeführer und weitere namentlich genannte Personen seien mit diesem Urteil wie folgt schuldig gesprochen worden:
- 1. In I zum Teil als Alleintäter, zum Teil im bewußten und gewollten Zusammenwirken mit abgesondert verfolgten bzw. strafunmündigen Tätern, teils als Beitragstäter anderen fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, weggenommen bzw. wegzunehmen versucht zu haben, wobei die Diebstähle durch Einbruch in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung der Taten eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, sowie die Diebstähle zum Teil (ab Oktober 1993) als Mitglied einer Bande unter Mitwirkung (§ 12 StGB) anderer Bandenmitglieder begangen worden sind, nämlich
- am 4. Oktober 1993 der Beschwerdeführer mit anderen Mitangeklagten durch Aufbrechen von Automaten dem Verfügungsberechtigten der Firma R Bargeld in unerhobener Höhe und dem Verfügungsberechtigten des Cafe S Bargeld in Höhe von S 2.455,--,
- im August und September 1993 der Beschwerdeführer mit anderen Mittätern Verfügungsberechtigten eines Kaufhauses Bargeld in unbekannter Höhe ebenfalls durch Aufbrechen von Spielautomaten,
- am 6. Oktober 1993 der Beschwerdeführer mit anderen Mittätern Verfügungsberechtigten einer namentlich genannten Firma Bargeld in Höhe von S 1.967,-- und Werkzeug im Wert von ca. S 5.000,-- durch Einschlagen der Türscheibe und Einsteigen in das Geschäftslokal sowie Verfügungsberechtigten weiterer drei namentlich genannten Firmen Wertsachen in unbekannter Höhe durch Einschlagen bzw. Ausschneiden von Schaufensterscheiben,
- Anfang Oktober 1993 der Beschwerdeführer mit Mittätern Verfügungsberechtigten eines namentlich genannten Kaufhauses einen Rasierapparat und eine Armbanduhr im Gesamtwert von S 3.297,-- nach Aufbrechen einer Schauvitrine,
- am 24. März 1994 der Beschwerdeführer mit Mittätern einem Verfügungsberechtigten einer namentlich genannten Firma ein Paar Stahlkappenhalbschuhe im Wert von S 595,--
- am 5. März 1994 der Beschwerdeführer mit Mittätern einem namentlich genannten Verfügungsberechtigten Waren im Wert von ca. S 10.000,-- durch Einbruch in eine Trafik,
- zwischen 28. Februar und 1. März 1994 der Beschwerdeführer mit Mittätern dem Verfügungsberechtigten eines Jugendzentrums Bargeld in Höhe von S 3.000,-- nach Einsteigen in das Gebäude,
- am 18./19. März 1994 der Beschwerdeführer mit Mittätern Waren und Bargeld im Gesamtwert von S 6.000,-- durch Einbruch in eine Trafik; weiters sei der Beschwerdeführer verurteilt worden, weil er am 17. September 1993 einer namentlich genannten Person durch das Versetzen eines Fußtrittes in den Bauch am Körper verletzt hat und wegen Sachbeschädigung, weil er am 2. Oktober 1993 eine Türverglasung durch Fußtritt zerstörte.
Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes sei ein schwerer Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers. Dieser Eingriff sei aber im Hinblick auf die Neigung des Beschwerdeführers zu Straftaten zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele der Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen und zum Schutz der Rechte anderer dringend geboten.
Der Beschwerdeführer sei in I geboren worden und sei anschließend bis September 1986 in I aufgewachsen. Ab Jänner 1987 bis dato sei er wiederum in I mit seiner Familie wohnhaft gewesen. Die Kriterien des § 20 Abs. 1 FrG seien in einem hohen Ausmaß erfüllt. Im Hinblick auf den seit 1993 zutage getretenen Hang des Beschwerdeführers zu schweren Straftaten sei der Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers nicht schwerer zu bewerten als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes.
Der Hinderungsgrund des § 20 Abs. 2 FrG für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes sei schon deshalb nicht gegeben, weil der Beschwerdeführer vor Verwirklichung des für das Aufenthaltsverbot maßgeblichen Sachverhaltes nicht seit mindestens 10 Jahren ununterbrochen seinen ordentlichen Wohnsitz in Österreich gehabt habe.
Die Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes entspreche den für seine Erlassung maßgeblichen Umständen. Für die belangte Behörde sei es aufgrund des in Rede stehenden schweren strafbaren Gesamtverhaltens des Beschwerdeführers sowie aufgrund des daraus hervorleuchtenden negativen Charakterbildes nicht vorhersehbar, wann der Grund für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes weggefallen sein werde.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte deren Behandlung ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab (Beschluß vom 13. Juni 1995, B 1479/95).
Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des Bescheides.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet. Auf die Erstellung einer Gegenschrift wurde verzichtet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
In der Beschwerde bleibt die Tatsache der besagten rechtskräftigen gerichtlichen Verurteilungen unbestritten und die daraus gezogene rechtliche Schlußfolgerung, daß der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG verwirklicht und die in § 18 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, unbekämpft. Auch der Verwaltungsgerichtshof hegt dagegen keine Bedenken.
Der Beschwerdeführer hält die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes wider ihn im Grunde der §§ 19, 20 Abs. 1 FrG als unzulässig. Die bekannten "Fälle von Straßburg, Beljoudi und Mustaquim" erachteten ein Aufenthaltsverbot bei derartiger intensiver Integration nicht als dringend geboten. Der Beschwerdeführer sei in Österreich sozialisiert, er sei Jugendlicher und noch lenkbar. Es gebe daher andere Mittel, ihn auf den rechten Weg zu bringen, weshalb das Aufenthaltsverbot nicht dringend geboten sei. Die belangte Behörde habe die privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers unrichtig gewichtet.
Wie die belangte Behörde ist auch der Verwaltungsgerichtshof der Auffassung, daß die Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Grunde des § 19 FrG dringend geboten ist; dies angesichts der Schwere, der Vielzahl und insbesondere der raschen Aufeinanderfolge der der genannten gerichtlichen Verurteilung zugrundeliegenden, in mehrfacher Weise qualifizierten Straftaten, die von einer krassen Mißachtung fremden Eigentums und der körperlichen Integrität anderer zeugen. Nach dem Akteninhalt wurde der Beschwerdeführer mit dem genannten Strafurteil wegen Straftaten im Zeitraum August 1993 bis einschließlich März 1994 verurteilt. Er wurde von den Strafbehörden am 4. Oktober 1993, am 6. März 1994 und 8. April bis 18. April 1994 in Haft genommen. Bereits kurze Zeit nach jeder Haftentlassung wurde der Beschwerdeführer in teils noch schwererem Ausmaß straffällig als vor der Haft. Dazu kommt, daß der Beschwerdeführer mit zwei weiteren rechtskräftigen Urteilen des Landesgerichtes Innsbruck und zwar vom 2. März 1995 und vom 19. Mai 1995 jeweils zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt wurde und zwar wegen Straftaten, die allesamt vor der Erlassung des angefochtenen Bescheides liegen.
Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid in bezug auf § 20 Abs. 1 FrG auf sämtliche, den privaten (persönlichen, familiären) Interessenbereich angehörenden Umstände Bedacht genommen. Wenn die belangte Behörde trotz der massiven persönlichen Interessen des Beschwerdeführers zu dem Ergebnis gelangt ist, daß diese Interessen nicht schwerer wögen als das Absehen von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes, so kann dieses Abwägungsergebnis im Hinblick auf das die öffentliche Sicherheit in sehr hohem Grad gefährdende Verhalten des Beschwerdeführers, welches eine hartnäckige Mißachtung rechtlich geschützter Werte zum Ausdruck bringt, nicht als rechtswidrig erkannt werden. In dem von der belangten Behörde ihrem Bescheid zugrundegelegten Urteil des Landesgerichtes Innsbruck wurde betont, daß der Beschwerdeführer bereits wiederholt wegen Delikten gegen fremdes Vermögen zur Anzeige gebracht worden sei, wobei diese Anzeigen entweder wegen Strafunmündigkeit zurückgelegt oder die Verfahren nach den Bestimmungen des Jugendgerichtsgesetzes eingestellt worden seien. Der Beschwerdeführer sei seit etwa zwei Jahren durch wiederholte Anzeigen wegen gerichtlich strafbarer Handlungen, häufiges Schulschwänzen sowie Raufereien im Klassenverband aufgefallen. Auch die Eltern hätten seit diesem Zeitpunkt keinen bzw. wenig erzieherischen Einfluß auf ihn. Die Anzahl und die Schwere der Straftaten relativiert die von der Beschwerde herausgestrichene familiäre Eingliederung des Beschwerdeführers, sodaß davon augehend auch in Zukunft kein bestimmender positiver Einfluß von familiärer Seite zu erwarten ist. Dazu kommt, daß der Beschwerdeführer trotz viermaliger Inhaftnahme immer wieder strafbare Handlungen beging. Die für die Integration wesentliche soziale Komponente wird aufgrund der Schwere und der Vielzahl der Straftaten des Beschwerdeführers erheblich beeinträchtigt.
Der Hinweis des Beschwerdeführers auf die Entscheidungen des EGMR vom 18. Februar 1991, 31/1989/191/291, im Fall Moustaquim gegen Belgien (ÖJZ 1991, S. 452 ff) und vom 26. März 1992, Nr. 55/1990/246/317, im Fall Beljoudi gegen Frankreich (ÖJZ 1992, S. 773 ff) kann die Beschwerde nicht zum Erfolg führen. Die diesen Entscheidungen zugrundeliegenden Sachverhalte waren in wesentlichen Punkten anders gelagert.
Im Fall Beljoudi wertete der EGMR als entscheidend, daß der (1950) in Frankreich geborene Fremde und seine Eltern bis 1. Jänner 1993 die französische Staatsbürgerschaft hatten. Er war seit über 20 Jahren mit einer Französin verheiratet, der eheliche Wohnsitz war stets in Frankreich. Dazu kommt, daß in diesem Beschwerdefall der EGMR primär auf die persönlichen Verhältnisse der Ehefrau des Fremden (die auch Mitbeschwerdeführerin war) Bedacht nahm. Würde sie (die französische Staatsbürgerin) ihrem Gatten nach seiner Ausweisung folgen, müßte sie sich im Ausland (vermutlich Algerien) niederlassen. Sie würde entwurzelt werden und hätte große Schwierigkeiten, sich anzupassen. Der EGMR erblickte darin eine Gefährdung der Ehe. Demgegenüber handelt es sich im vorliegenden Fall um einen Fremden, der noch im jugendlichen Alter ist und - da nicht verheiratet - sich in seinem Heimatstaat leicht eine neue Existenz aufbauen kann. Darüber hinaus kann der Beschwerdeführer aufgrund seiner bisherigen Straftaten nicht damit rechnen, jemals die österreichische Staatsbürgerschaft zu erlangen.
Im Fall Moustaquim war von Bedeutung, daß die Moustaquim zur Last gelegten Straftaten innerhalb von elf Monaten begangen wurden und zwischen der von Moustaquim zuletzt begangenen Straftat, derentwegen er verurteilt wurde, und der Ausweisungsverfügung ein relativ langer Zeitraum (drei Jahre) lag. Davon war er in einem Zeitraum von nahezu 23 Monaten auf freiem Fuß und hat sich (offensichtlich) wohlverhalten. Demgegenüber wurde der Beschwerdeführer bereits im strafunmündigen Alter strafrechtlich auffällig und wurden die zur Verurteilung führenden Taten im Zeitraum von August 1993 bis einschließlich Februar 1995 begangen.
Da somit die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
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