Normen
AsylG 1991 §1 Z1;
AsylG 1991 §1 Z1;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Türkei, ist am 2. Dezember 1994 in das Bundesgebiet eingereist und hat am 12. Dezember 1994 einen Asylantrag gestellt. Bei seiner niederschriftlichen Befragung durch das Bundesasylamt gab er zu seinen Fluchtgründen - im wesentlichen - an: Er komme aus dem Dorf Sarikaya, das er Mitte Oktober 1994 verlassen habe und von wo er mit seiner Familie nach Istanbul zu seinen Schwiegereltern gezogen sei. Seit Beginn des Jahres 1993 seien er und die Dorfbewohner entweder von den Armeeangehörigen oder den Terroristen der PKK bei der Viehzucht behindert worden. Die Spezialtruppen der Armee hätten den Dorfbewohnern verboten, die Tiere außerhalb des Dorfes grasen zu lassen, weil sie den PKK-Leuten nicht als Nahrungsgrundlage dienen sollten. Überhaupt zwinge die Armee in diesem Gebiet die Dorfbewohner, ihre Dörfer zu räumen, damit die PKK dort keine Unterstützung finden könne. Deshalb seien auch die Waldgebiete um die Dörfer niedergebrannt worden. Im Gegensatz zu den von Sunniten bewohnten Dörfern hätten die von Aleviten bewohnten Dörfern, wozu er gehöre, keine Waffen erhalten, um sich gegen die Angehörigen der PKK verteidigen zu können. Da eine seiner Cousinen aktive PKK-Kämpferin sei, sei er verdächtigt worden, die PKK zu unterstützen. Er sei deshalb ca. 20 Tage vor dem Verlassen seines Heimatdorfes verhaftet und nach deren Aufenthalt befragt worden. Während seiner 5-tägigen Haft sei er immer wieder auf die Fußsohlen geschlagen worden; Verletzungen seien keine mehr sichtbar. Die Armeebehörden hätten von ihm wissen wollen, wer im Dorf die PKK unterstütze. Er selbst sei politisch nicht aktiv gewesen. Nach fünf Tagen sei er wieder freigelassen und aufgefordert worden, das Dorf mit seiner Familie zu verlassen, andernfalls ihnen früher oder später etwas passieren könnte. Er habe daraufhin seine Landwirtschaft verkauft und sei nach Istanbul gezogen, wo man "angesichts der Situation im Heimatdorf von einer Verfolgung nicht reden könne". Er habe ca. zwei bis drei Wochen nach Verlassen seines Heimatdorfes erfahren, daß viele seiner Dorfbewohner, die seinerzeit mit ihm inhaftiert gewesen seien, mittlerweile neuerlich festgenommen worden seien. Er habe dann befürchtet, daß ihm auch so etwas zustoßen könnte.
Auf die Frage, warum er derartiges in Istanbul befürchtet habe, wo er bis zu seiner Ausreise keine Probleme gehabt habe, gab der Beschwerdeführer an, ihm sei bewußt geworden, daß er nicht in sein Dorf zurück könne und er habe deshalb "Angst gehabt, auch wenn diese Angst unbegründet erscheine". Er habe bereits vor seiner Festnahme in seinem Heimatdorf eine Einladung von seinem in Österreich ansässigen Bruder erhalten und sich dann gedacht, "daß ihm ein Österreichaufenthalt gut täte". Auf die Frage, warum er erst am 21. Dezember 1994 einen Asylantrag gestellt habe, gab der Beschwerdeführer an, er habe ursprünglich nicht für längere Zeit in Österreich bleiben wollen. Er habe aber von seiner Frau erfahren, daß sein Heimatdorf niedergebrannt worden sei. Diese habe von seinen Eltern, die nach wie vor in einem Dorf in Erzincan lebten, telefonisch erfahren, daß sich die Gendarmerie nach seinem Aufenthalt erkundigt hätte. Daraufhin habe er sich entschlossen, einen Asylantrag in Österreich zu stellen.
Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG erlassenen angefochtenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 6. März 1995 wurde die gegen den abweislichen Bescheid des Bundesasylamtes vom 25. Jänner 1995 erhobene Berufung des Beschwerdeführers abgewiesen und damit die Asylgewährung versagt.
Die belangte Behörde begründete ihre Entscheidung zunächst damit, daß die vom Beschwerdeführer geschilderten Mißhandlungen keine asylrechtlich relevante Eingriffsintensität gehabt hätten und andererseits seine Festnahme nicht auf eine Verfolgung aus Konventionsgründen zurückgeführt werden könne. Den Militärbehörden sei es lediglich darum gegangen, ein bei ihm vermutetes "Sonderwissen" zu erfragen, nämlich über die Aktivitäten der PKK, insbesondere seiner Verwandten, nicht jedoch um eine direkte Verfolgung seiner Person. Abgesehen davon müsse seinen Schilderungen im Zusammenhang mit der behaupteten Festnahme und den Mißhandlungen deshalb die Glaubwürdigkeit versagt werden, weil der Beschwerdeführer in seinem schriftlichen Asylantrag ausgeführt gehabt habe, daß er 25 Tage vor seiner Einreise inhaftiert worden sei, während er bei seiner Einvernahme davon gesprochen habe, daß sich die Festnahme ca. zwei bis drei Wochen vor Verlassen seines Heimatdorfes ereignet habe. Die belangte Behörde stützte ihre den Asylantrag abweisende Entscheidung wesentlich auch darauf, daß der Beschwerdeführer in Istanbul eine inländische Fluchtalternative gefunden habe. Der Beschwerdeführer habe selbst angegeben, daß er Österreich nur für kurze Zeit habe besuchen wollen und sich die vom Beschwerdeführer geschilderten Vorgänge in der "kurdischen Unruheprovinz" Erzincan nicht auf Istanbul bezögen. Der Beschwerdeführer habe auf einen diesbezüglichen Vorhalt erklärt, daß ihm einfach bewußt geworden sei, daß er nicht in sein Dorf zurück könne und deshalb Angst gehabt habe, auch wenn diese Angst unbegründet erscheine. Wenn der Beschwerdeführer aber in Istanbul keiner staatlichen Verfolgung ausgesetzt gewesen sei, erweise sich auch aus diesem Grund der Asylantrag als nicht berechtigt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
Der Beschwerde ist zunächst zuzugestehen, daß die Begründung des angefochtenen Bescheides widersprüchlich ist, insoweit darin den Schilderungen des Beschwerdeführers betreffend seine Festnahme und die behaupteten Mißhandlungen die Glaubwürdigkeit deshalb versagt wird, weil der Beschwerdeführer in seinem schriftlichen Asylantrag für diese einen anderen Zeitpunkt als bei seiner Vernehmung angeführt habe. Im angefochtenen Bescheid wurde nämlich im Gegensatz dazu ausdrücklich festgehalten, daß die belangte Behörde ihrer Entscheidung den vom Bundesasylamt festgestellten Sachverhalt zugrundelege. Im Bescheid des Bundesasylamtes wurde nun ausdrücklich festgestellt, daß der Beschwerdeführer im Sinne seiner niederschriftlichen Angaben ca. zwei bis drei Wochen vor Verlassen seines Heimatdorfes inhaftiert worden sei.
Davon abgesehen kann aber der belangten Behörde nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie unter ausdrücklicher Bezugnahme auf den Inhalt der niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers in erster Instanz zu dem Ergebnis gelangte, daß dieser lediglich den (zweifellos schwerwiegenden) allgemeinen Beeinträchtigungen der Bewohner in den Gebieten unterlag, wo sich unmittelbar die Kämpfe zwischen der türkischen Armee und den Angehörigen der PKK zutragen, nicht jedoch in Istanbul eine asylrechtlich relevante Verfolgung aus Gründen der Genfer Flüchtlingskonvention zu befürchten habe. Den Aussagen des Beschwerdeführers ist zu entnehmen, daß es die türkische Armee darauf angelegt habe, die Bewohner seines Heimatdorfes zum Verlassen des Gebietes zu zwingen, damit dort die Angehörigen der PKK keine Unterstützung und keine Existenzgrundlage fänden. Der Beschwerdeführer, der selbst politisch nie aktiv und lediglich wegen seiner weiten Verwandtschaft zu einer PKK-Aktivistin auffällig geworden war, sei nach seiner eigenen Darstellung unter Schlägen angehalten worden, Aussagen über allfällige PKK-Sympathisanten zu machen sowie mitzuteilen, wo sich seine Verwandte befinde. Der Beschwerdeführer sei aber nach fünf Tagen wieder freigelassen worden und habe sich dann unbehelligt ca. zwei bis drei Wochen in seinem Heimatdorf aufhalten können, um seine Habseligkeiten verkaufen und von dort entsprechend dem vom türkischen Militär verfolgten Ziel wegziehen zu können. Daß sich der Beschwerdeführer danach in Istanbul vor Verfolgung sicher gefühlt hatte, und dort keinen Verfolgungshandlungen der türkischen Behörden ausgesetzt war, läßt sich ohne weiteres aus der Aussage des Beschwerdeführers ableiten, wonach er legal zu einem Besuch nach Österreich in der Absicht ausgereist sei, danach wiederum in die Türkei zurückzukehren. Auf die ausdrückliche Frage nach seiner Lebenssituation in Istanbul hatte der Beschwerdeführer erklärt, dort könne von einer Verfolgung nicht geredet werden. In seinem schriftlichen Asylantrag findet sich die Formulierung, daß "durch mein Wegziehen vom Bergdorf meine Situation sich doch gebessert hätte und ich relativ vor Verfolgung sicher sei". Er habe sich gedacht, "ein wenig Distanz von den Vorfällen (gemeint die Festnahme in seinem Heimatdorf) täte ganz gut". Er habe sich zur Stellung eines Asylantrages erst in Österreich deshalb entschlossen, weil ihm seine Frau mitgeteilt habe, daß mittlerweile sein Heimatdorf niedergebrannt worden sei und sich die Gendarmerie bei seinen Eltern nach ihm erkundigt hätte. Wenn aber die belangte Behörde dazu ausgeführt hat, daraus könne nicht abgeleitet werden, daß der Beschwerdeführer deshalb in Istanbul eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung haben müsse, so kann diese Auffassung angesichts des zuvor Gesagten nicht als rechtswidrig erkannt werden. Auf die erst in der Berufung aufgestellte Behauptung, der Beschwerdeführer habe sich in Istanbul bei seinen Schwiegereltern versteckt gehalten und deshalb keine Probleme mit den Behörden gehabt, mußte die belangte Behörde gemäß § 20 Abs. 1 Asylgesetz nicht Bedacht nehmen, weil der Beschwerdeführer in erster Instanz ausdrücklich zu seiner Situation in Istanbul befragt worden war und davon keine Erwähnung gemacht hatte.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
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