VwGH 95/20/0331

VwGH95/20/033110.10.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Baur, Dr. Bachler und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hemetsberger, über die Beschwerde der A in F, vertreten durch Dr. C, Rechtsanwalt in W, gegen Spruchpunkt 1. des Bescheides des Bundesministers für Inneres vom 31. März 1995, Zl. 4.342.832/2-III/13/93, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1991 §1 Z1;
AsylG 1991 §1 Z1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Spruchpunkt 1. des im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheides des Bundesministers für Inneres vom 31. März 1995 wurde die Berufung der Beschwerdeführerin, einer Staatsangehörigen des Irak, die am 5. Mai 1993 in das Bundesgebiet eingereist ist und am 6. Mai 1993 den Asylantrag gestellt hat, gegen den den Asylantrag abweisenden Bescheid des Bundesasylamtes vom 7. Mai 1993 abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin, eine Angehörige der armenischen Volksgruppe und Religion, hatte in der niederschriftlichen Einvernahme vom 6. Mai 1993 zu ihren Fluchtgründen angegeben:

"Ich verließ mit meinen Kindern den Irak, weil mein Mann gezwungen war, aufgrund seiner Desertion zu flüchten und ich natürlich mit ihm gehen wollte.

Ich persönlich hatte nie Schwierigkeiten mit den irak. Behörden. Ich wurde jedoch sechs mal von Mitgliedern der in meiner Ortschaft ansässigen Baathpartei aufgesucht und von ihnen über den Aufenthaltsort meines Mannes befragt.

Sie bedrohten mich mit dem Gefängnis, falls sich mein Mann nicht stellen würde.

Mein Mann hielt sich während des Tages in den benachbarten Dörfern versteckt. Nur in der Nacht kam er heim.

Ich verlor auch auf ungeklärte Weise zwei Brüder. Ich nehme an, daß die irak. Behörden dafür verantwortlich sind. - Warum, weiß ich nicht. Vielleicht, weil sie besonders intelligent waren und man sie vergeblich zu einem Beitritt zur Baathpartei bewegen wollte.

Den Irak verließ ich jedoch ausschließlich, weil mein Mann flüchten mußte."

In ihrer auf Grund der abweisenden Entscheidung der ersten Instanz erhobenen Berufung brachte sie eine ausführliche Sachverhaltsdarstellung vor, weil die Behörde erster Instanz in deren Bescheid die Situation der Beschwerdeführerin offensichtlich nicht verstanden habe und sie nicht deutlich genug habe machen können, welche unmittelbare Gefahr ihr wegen der Desertion ihres Mannes in ihrer Heimat gedroht habe und welche Umstände dazu geführt hätten, daß sie mit ihrer Familie die Flucht auf sich habe nehmen müssen. Die Beschwerdeführerin rügte in der Berufung keinen Verfahrensmangel bei Aufnahme der erstinstanzlichen Niederschrift, sondern führte aus, daß sie überzeugt sei, daß ihr "bisheriges Vorbringen sehr wohl geeignet" sei, ihre Flüchtlingseigenschaft nach der Genfer Konvention zu begründen, weshalb sie dieses wiederhole, ordne und näher erläutere.

Daraufhin erließ die belangte Behörde den nunmehr angefochtenen Bescheid. Sie begründete die Abweisung der Berufung damit, daß die Beschwerdeführerin nicht habe glaubhaft machen können, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden. Zu den angeblichen Vorfällen gegen ihren Ehegatten bzw. den Brüdern sei festzuhalten, daß sie die Beschwerdeführerin nicht unmittelbar beträfen. Die Zugehörigkeit eines Asylwerbers zu einer bestimmten, auch religiösen Minderheit und die daraus erfließenden Schwierigkeiten, mit denen christliche Minderheiten in islamischen Staaten konfrontiert seien, reichten nicht für die Anerkennung als Konventionsflüchtling aus. Die Befragungen durch Mitglieder der Baath-Partei stellten keine asylrelevanten Verfolgungshandlungen dar. Auf das Berufungsvorbringen sei gemäß § 20 Abs. 1 Asylgesetz 1991 nicht näher einzugehen.

Gegen diesen Teil des Bescheides vom 31. März 1995 richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Soweit die Beschwerdeführerin der belangten Behörde vorwirft, sie wäre der ihr aufgegebenen Ermittlungspflicht nicht nachgekommen, ist festzuhalten, daß der für den Umfang der Ermittlungspflicht maßgebliche § 16 Abs. 1 Asylgesetz 1991 wohl bestimmt, daß die Asylbehörden in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen durch Fragestellung oder in anderer geeigneter Weise darauf hinzuwirken haben, daß die für die Entscheidung erheblichen Angaben über die zur Begründung des Asylantrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Bescheinigungsmittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Bescheinigungsmittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Asylantrages notwendig erscheinen. Erforderlichenfalls sind Bescheinigungsmittel auch von Amts wegen beizuschaffen. Diese Gesetzesstelle, die eine Konkretisierung der aus § 37 AVG in Verbindung mit § 39 Abs. 2 AVG hervorgehenden Verpflichtung der Verwaltungsbehörden, den für die Erledigung der Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt von Amts wegen vollständig zu ermitteln und festzustellen, darstellt, begründet aber keine über den Rahmen der angeführten Vorschriften hinausgehende Ermittlungspflicht. Nur im Fall hinreichend deutlicher Hinweise im Vorbringen eines Asylwerbers auf einen Sachverhalt, der für die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention in Frage kommt, hat die Behörde gemäß § 16 Abs. 1 Asylgesetz 1991 in geeigneter Weise auf eine Konkretisierung der Angaben des Asylwerbers zu dringen. Aus dieser Gesetzesstelle kann aber keine Verpflichtung der Behörde abgeleitet werden, Asylgründe, die der Asylwerber gar nicht behauptet hat, zu ermitteln (vgl. zB. die hg. Erkenntnisse vom 30. November 1992, Zlen. 92/01/0800-0803, und vom 25. April 1995, Zl. 95/20/0112).

Die Beschwerdeführerin gab in der Niederschrift vom 6. Mai 1993 an, den Irak ausschließlich deshalb verlassen zu haben, weil ihr Mann habe flüchten müssen. Aus den Vorfällen betreffend ihren Gatten und dem Verlust zweier Brüder im gegenständlichen Zusammenhang kann nicht auf eine individuell der Beschwerdeführerin selbst drohende Verfolgung geschlossen werden. Auch die sechsmalige Befragung durch Mitglieder der in ihrem Ort ansässigen Baath-Partei über den Aufenthaltsort ihres Gatten samt Drohung mit Gefängnis indiziert keine mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit drohende Verfolgung und auch keinen ungerechtfertigten Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre der Beschwerdeführerin, zumal dieser Eingriff auch von ihr selbst nicht als ausschlaggebend für das Verlassen ihrer Heimat angesehen wurde. Zudem hat die Beschwerdeführerin in der Berufung nicht behauptet, daß die Aufnahme der erstinstanzlichen Niederschrift unrichtig oder unvollständig gewesen wäre. Daher ist der belangten Behörde zuzustimmen, daß sie gemäß § 20 Abs. 1 Asylgesetz 1991 vom Ergebnis des Ermittlungsverfahrens erster Instanz auszugehen hatte, zumal auch sonst keiner der Gründe des § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991, nach welchem eine Ergänzung oder Wiederholung des Ermittlungsverfahrens erster Instanz anzuordnen ist, vorliegt.

Aus den bereits oben dargestellten rechtlichen Erwägungen kann der belangten Behörde aber auch nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie aus dem Inhalt der erstinstanzlichen Angaben der Beschwerdeführerin keine Verfolgung aus den im § 1 Z. 1 des Asylgesetzes 1991 genannten Gründen ableitete.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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