Normen
AsylG 1991 §5 Abs1 Z3;
FlKonv Art33 Abs2;
SGG §12 Abs1;
SGG §16 Abs1;
AsylG 1991 §5 Abs1 Z3;
FlKonv Art33 Abs2;
SGG §12 Abs1;
SGG §16 Abs1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 13.190,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger des Iran, der nach eigenen Angaben 1979 zu Studienzwecken in das Bundesgebiet eingereist war, beantragte am 8. Mai 1984 Asyl. Mit Bescheid vom 16. August 1984 stellte die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien fest, der Beschwerdeführer sei Flüchtling und gemäß § 7 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 7. März 1968, BGBl. Nr. 126, zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt.
Am 12. Oktober 1992 übermittelte die Bundespolizeidirektion Wien dem Bundesasylamt den fremdenpolizeilichen Akt des Beschwerdeführers mit der Anregung, gemäß § 5 Abs. 1 Z. 3 Asylgesetz 1991 gegen den Beschwerdeführer vorzugehen. Aufgrund einer am 20. Oktober 1992 eingeholten Strafregisterauskunft stellte das Bundesasylamt mit Bescheid vom selben Tag fest, der Beschwerdeführer habe "keinen Anspruch mehr auf Asylgewährung", weil er "aus gewichtigen Gründen eine Gefahr für die Gemeinschaft" bedeute. Begründend wurde ausgeführt, der Beschwerdeführer sei vom Landesgericht für Strafsachen Wien mit rechtskräftigem Urteil vom 22. April 1992 wegen der Delikte nach § 12 Abs. 1 Suchtgiftgesetz, § 15 StGB, § 16 Abs. 1 Suchtgiftgesetz sowie §§ 146, 147 Abs. 2 und 148 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 20 Monaten verurteilt worden.
In seiner Berufung führte der Beschwerdeführer aus, es sei richtig, daß er wegen der genannten Delikte rechtskräftig verurteilt worden sei, und er verbüße "deswegen" (gemeint: in Verbindung mit einer schon vorausgegangenen Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von 20 Monaten) "auch derzeit noch eine 40monatige Freiheitsstrafe". Er sei aber nicht "wegen eines besonders schweren Verbrechens" verurteilt worden und bedeute keine Gefahr für die Gemeinschaft. Dies insbesondere, weil seine Verurteilungen im ausschließlichen Zusammenhang mit seiner Heroinsucht gestanden wären, er sich jedoch in der Haftzeit einer entsprechenden Kur unterzogen habe und noch unterziehe und bereits völlig "clean" sei. Der Beschwerdeführer, der sich schon seit längerem einer Entziehungskur habe unterziehen wollen, denke nicht im entferntesten daran, jemals wieder rückfällig zu werden. Darüber hinaus werde er am 27. November 1992 seine langjährige Lebensgefährtin, eine Österreicherin, heiraten. Diese sei nie drogenabhängig gewesen, habe sich seit längerem bemüht, den Beschwerdeführer von seiner Sucht zu befreien und biete zusätzliche Gewähr dafür, daß der Beschwerdeführer auch in Hinkunft keinerlei Gefahr für die Gemeinschaft darstellen werde. Dieses Vorbringen verband der Beschwerdeführer mit mehreren Beweisanträgen.
Mit Schreiben vom 6. Februar 1995 brachte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer zuhanden seines anwaltlichen Vertreters die der erstinstanzlichen Entscheidung zugrunde gelegte Verurteilung, ihr in den Jahren 1988, 1989, 1990 und 1991 schon vorausgegangene Verurteilungen wegen §§ 15, 127 StGB, §§ 83 Abs. 1, 127 StGB, § 127 StGB und §§ 12 Abs. 1, 16 Abs. 1 Suchtgiftgesetz sowie eine Verurteilung durch das Landesgericht für Strafsachen Wien vom 10. März 1994, 6 B VR 9248/93, HV 123/94 (ohne näheren Angaben) "zur Kenntnis" und räumte ihm die Möglichkeit ein, dazu binnen zwei Wochen Stellung zu nehmen.
Mit Schriftsatz vom 17. Februar 1995 brachte der Beschwerdeführer vor, es sei richtig, daß die aufgezählten Verurteilungen vorlägen. Der Beschwerdeführer befinde sich noch in Strafhaft, die voraussichtlich im Mai 1995 enden werde. Er sei von seiner Drogenabhängigkeit weggekommen und nunmehr vollkommen "clean". Der Beschwerdeführer habe "zwei Verurteilungen nach dem Suchtgiftgesetz", die nur daraus resultiert hätten, daß er selbst süchtig gewesen sei. Er werde mit Suchtgift nun nichts mehr zu tun haben. Am 26. Februar 1993 habe er seine Lebensgefährtin geheiratet. Er halte sich schon seit mehr als 10 Jahren in Österreich auf. Seine beiden Brüder seien seit mehr als 15 Jahren in Österreich und bereits österreichische Staatsbürger. Der Beschwerdeführer habe eine sehr starke Bindung an Österreich. Seine Ehegattin sei Österreicherin, er sei mit den österreichischen Sitten und Gebräuchen "aufs äußerste verhaftet" und habe den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen in Österreich. Nach seiner Enthaftung wolle er mit seiner Gattin ein Lokal eröffnen und eine gemeinsame Zukunft aufbauen. Aufgrund seiner Inhaftierung sei er nun vollkommen "clean" und werde keine einzige strafbare Handlung mehr begehen. Seine Gattin sei nie mit Drogen in Berührung gekommen, weshalb er keinerlei Kontakte mit der Suchtgiftszene haben werde. Er laufe nicht Gefahr, in Hinkunft jemals wieder mit Suchtgift in Berührung zu kommen.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung ab. Begründend führte sie in rechtlicher Hinsicht aus, unter einem "besonders schweren" Verbrechen im Sinne des § 5 Abs. 1 Z. 3 Asylgesetz 1991 in Verbindung mit Art. 33 Abs. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention sei im Zusammenhang mit § 37 Abs. 4 Fremdengesetz ein solches zu verstehen, das nach österreichischem Recht mit mehr als fünf Jahren Freiheitsstrafe bedroht sei. Die Verurteilung des Beschwerdeführers wegen gewerbsmäßigen schweren Betruges (Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 22. April 1992) erfülle diese Voraussetzung, weil der Strafrahmen hiefür ein bis zehn Jahre betrage. Der Beschwerdeführer sei aber auch mehrfach nach dem Suchtgiftgesetz verurteilt worden. In seiner Berufung vom 23. November 1992 habe er u.a. vorgebracht, seine Verurteilungen nach dem Suchtgiftgesetz seien im Zusammenhang mit seiner inzwischen überwundenen Sucht gestanden und er würde nicht mehr rückfällig werden. Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 10. März 1994 sei er jedoch "abermals gemäß §§ 12 Abs. 1, 16 Abs. 1 Suchtgiftgesetz verurteilt" worden:
"Schon aus diesem Grund ist davon auszugehen, daß gewichtige Gründe vorliegen, daß Sie eine Gefahr für die Sicherheit Ihres Aufenthaltslandes darstellen.
Es erübrigt sich daher, eine darüber hinausgehende Zukunftsprognose, wie vom Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 18. Jänner 1995, Zl. 94/01/0746, gefordert, anzustellen."
Wenn der Beschwerdeführer weiters vorgebracht habe, seine (nunmehrige) Gattin biete zusätzliche Gewähr dafür, daß er in Zukunft keine Gefahr für die Sicherheit der Gemeinschaft darstellen würde, so ergebe sich schon aufgrund der Verurteilung vom 10. März 1994, daß auch die Lebensgemeinschaft bzw. Ehe mit einer Österreicherin, die nie mit Drogen in Berührung gekommen sei, ihn nicht davon habe abhalten können, abermals nach dem Suchtgiftgesetz straffällig zu werden. Dem Beschwerdeführer könne auch nicht beigepflichtet werden, wenn er in seiner Stellungnahme vom 17. Februar 1995 behaupte, er sei zweimal nach dem Suchtgiftgesetz verurteilt worden. 1994 sei vielmehr eine dritte Verurteilung nach diesem Gesetz erfolgt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Der Beschwerdeführer stand gemäß § 25 Abs. 3 Asylgesetz 1991 einem Fremden gleich, dem gemäß § 3 dieses Gesetzes Asyl gewährt wurde. War hinsichtlich seiner Person einer der in Art. 33 Abs. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Tatbestände eingetreten, so war dies gemäß § 5 Abs. 2 Asylgesetz 1991 von Amts wegen festzustellen.
Mit Recht ging die belangte Behörde auch davon aus, daß die rechtskräftige Verurteilung des Beschwerdeführers wegen eines mit Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren bedrohten Deliktes im Zusammenhang mit der Beurteilung nach § 5 Abs. 1 Z. 3 Asylgesetz 1991 die Voraussetzung der rechtskräftigen Verurteilung wegen eines "besonders schweren Verbrechens" im Sinne des Art. 33 Abs. 2, zweiter Fall, der Genfer Flüchtlingskonvention erfüllte (vgl. dazu im einzelnen das Erkenntnis vom 18. Jänner 1995, Zl. 94/01/0746, mwN).
Die Verurteilung wegen eines besonders schweren Verbrechens ist jedoch nicht die einzige Voraussetzung des Art. 33 Abs. 2, zweiter Fall, der Genfer Flüchtlingskonvention. Es muß hinzukommen, daß der Flüchtling "eine Gefahr für die Gemeinschaft" des Aufenthaltslandes bedeutet. In bezug auf diese Voraussetzung bedarf es nach dem zitierten Erkenntnis vom 18. Jänner 1995, Zl. 94/01/0746, einer entsprechenden Zukunftsprognose durch die Behörde, wobei - insbesondere neben der Beachtung der näheren Umstände der Tat - das gesamte Verhalten seit der Begehung der strafbaren Handlung (des "besonders schweren Verbrechens") unter Einschluß des Verhaltens während der Haft von Belang ist, auch wenn der Flüchtling während der zuletzt genannten Zeit mangels Freizügigkeit eine Änderung seiner Einstellung zu den rechtlich geschützten Werten noch nicht voll unter Beweis stellen konnte. Nach dem genannten Erkenntnis ist auch darauf Bedacht zu nehmen, daß in den Fällen des Art. 33 Abs. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention deren Schutzzweck aufgrund einer Interessenabwägung, die wegen der Gefahr für die Sicherheit oder die Gemeinschaft des Aufenthaltslandes trotz bestehender Bedrohung des Lebens oder der Freiheit eines Flüchtlings aus Konventionsgründen zu seinen Ungunsten ausfällt, ausnahmsweise aufgegeben werden soll und es sich dabei um einen gravierenden Eingriff in die persönliche Rechtssphäre des Flüchtlings handelt, von dem nur dann Gebrauch gemacht werden soll, wenn er aus einem der genannten Gründe tatsächlich erforderlich ist (vgl. zur Prognose und zum Gesichtspunkt der Güterabwägung auch Kälin, Das Prinzip des Non-Refoulement, Seite 135 f, und Grundriß des Asylverfahrens, Seite 230 f, jeweils mit weiteren Nachweisen).
Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde aus einer nicht einmal hinsichtlich des Tatzeitraumes näher präzisierten Verurteilung nach §§ 12 Abs. 1, 16 Abs. 1 Suchtgiftgesetz - somit nach Bestimmungen, deren Strafrahmen fünf Jahre NICHT übersteigt - den Schluß gezogen, es lägen "gewichtige Gründe" dafür vor, daß der Beschwerdeführer "eine Gefahr für die Sicherheit (seines) Aufenthaltslandes" darstelle, daraus in rechtlicher Hinsicht weiters gefolgert, es bedürfe keiner "darüber hinausgehenden" Zukunftsprognose im Sinne des zitierten Erkenntnisses vom 18. Jänner 1995, und sich im übrigen mit der Feststellung begnügt, aus der Verurteilung vom 10. März 1994 ergebe sich, daß die Lebensgemeinschaft und Ehe mit einer Österreicherin den Beschwerdeführer nicht davon abgehalten habe, "abermals nach dem Suchtgiftgesetz straffällig zu werden", und er weise nicht zwei, sondern drei Verurteilungen nach dem Suchtgiftgesetz auf.
Damit belastete die belangte Behörde ihren Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit und sekundären Verfahrensmängeln. Der von der belangten Behörde angenommene Tatbestand der "gewichtigen Gründe" dafür, daß der Flüchtling eine "Gefahr für die Sicherheit (seines) Aufenthaltslandes" darstelle, bildet den ersten der beiden Fälle des Art. 33 Abs. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention und ist von dessen zweitem - im vorliegenden Fall allein in Betracht kommenden - Fall streng zu unterscheiden (vgl. dazu das Erkenntnis vom 15. Dezember 1993, Zl. 93/01/0900). Er bezieht sich auf Umstände, die den Bestand des Staates gefährden, und kann durch eine Verurteilung nach den §§ 12 Abs. 1, 16 Abs. 1 Suchtgiftgesetz nicht erfüllt werden. Die bloße Tatsache einer derartigen Verurteilung wegen eines NICHT besonders schweren Verbrechens ist im Gegensatz zur Ansicht der belangten Behörde auch nicht geeignet, die nach dem Gesetzeswortlaut und dem von der belangten Behörde selbst zitierten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes bei der Anwendung des Art. 33 Abs. 2, zweiter Fall, Genfer Konvention erforderliche Zukunftsprognose entbehrlich zu machen. Die belangte Behörde hat es daher auf der Grundlage falscher Rechtsansichten unterlassen, die für die zu treffende Prognose und Güterabwägung erforderlichen Feststellungen zu treffen, wozu sie sich nach dem schon mehrfach zitierten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes u.a. mit den näheren Umständen des besonders schweren Verbrechens und dem gesamten Verhalten seit dieser Tat auseinanderzusetzen und die Voraussetzungen für die Beurteilung der Gefahr der Wiederholung eines besonders schweren Verbrechens (vgl. dazu Kälin, Grundriß des Asylverfahrens, Seite 231 bei Fußnote 202) herzustellen gehabt hätte.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Stempelgebühren für die nicht erforderliche dritte Ausfertigung der Beschwerde sind danach nicht zu ersetzen.
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