VwGH 95/19/0131

VwGH95/19/013122.2.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Holeschofsky, Dr. Bachler, Dr. Dolp und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde der K in D, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 24. April 1995, Zl. 107.628/2-III/11/94, betreffend Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz, zu Recht erkannt:

Normen

AufG 1992 §3 Abs3 idF 1992/466;
AufG 1992 §9 Abs3;
AufG 1992 §3 Abs3 idF 1992/466;
AufG 1992 §9 Abs3;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen (angefochtenen) Bescheid des Bundesministers für Inneres (der belangten Behörde) vom 24. April 1995 wurde der (bei der Bezirkshauptmannschaft Melk eingebrachte) Antrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz (AufG) gemäß § 9 Abs. 3 dieses Gesetzes (in der Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 351/1995) abgewiesen.

Begründet wurde die Entscheidung damit, daß die mit der Verordnung der Bundesregierung über die Anzahl der Bewilligungen nach dem AufG für 1995, BGBl. Nr. 1023/1994, für das Bundesland Niederösterreich festgesetzte Höchstzahl von 1700 Bewilligungen "nunmehr" erreicht sei, sodaß gemäß § 9 Abs. 3 a.F. AufG keine weiteren Bewilligungen mehr erteilt werden dürften. Auch bei eingehender Prüfung des Gesamtvorbringens der Beschwerdeführerin könne ein Rechtsanspruch für die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung nicht abgeleitet werden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit welcher die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften beantragt wird.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Hinblick auf die Zustellung des angefochtenen Bescheides am 28. April 1995 hatte die belangte Behörde die vor Inkrafttreten der Novelle BGBl. Nr. 351/1995 geltende Rechtslage anzuwenden.

Gemäß § 2 Abs. 1 a.F. AufG hat die Bundesregierung für jeweils ein Jahr mit Verordnung die Anzahl der Bewilligungen festzulegen, die höchstens erteilt werden dürfen; gemäß § 2 Abs. 2 a.F. AufG sind hiebei die Bewilligungen auf die Länder aufzuteilen. Mit der Verordnung der Bundesregierung über die Anzahl der Bewilligungen nach dem Aufenthaltsgesetz für 1995, BGBl. Nr. 1023/1994, wurde für das Land Niederösterreich eine Höchstzahl von 1700 Bewilligungen festgelegt. Gemäß § 9 Abs. 3 a. F. AufG dürfen keine weiteren Bewilligungen erteilt werden, sobald die gemäß § 2 Abs. 1 a.F. AufG festgelegte Anzahl erreicht ist. Nach dem zweiten Absatz des § 9 Abs. 3 a.F. AufG ist die Entscheidung über anhängige Anträge gemäß § 3 auf das folgende Jahr zu verschieben; andere anhängige Anträge sind abzuweisen. Gemäß § 3 Abs. 3 zweiter Satz a.F. AufG kann "in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen ..., wenn dies zur Vermeidung einer BESONDEREN HÄRTE geboten ist, eine Bewilligung ... volljährigen Kindern ... von Fremden, die aufgrund einer Bewilligung oder sonst gemäß § 1 Abs. 3 Z. 1 bis 5 rechtmäßig ohne Bewilligung seit mehr als zwei Jahren den Hauptwohnsitz in Österreich haben, erteilt werden, wenn sie von diesen wirtschaftlich abhängig sind".

Nach ständiger hg. Judikatur kommt es im Grunde des § 9 Abs. 3 a.F. AufG nicht allein darauf an, ob ein Rechtsanspruch nach § 3 Abs. 1 und 2 a.F. AufG besteht, vielmehr schließt die Wendung "Anträge gemäß § 3" die Bedachtnahme auf die Ausnahmeregelung des § 3 Abs. 3 a.F. leg. cit. mit ein. Die Behörde hat somit - bei entsprechendem Vorbringen des Fremden im Verfahren - auch diese Bestimmungen in ihre Erwägungen einzubeziehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. Dezember 1995, Zl. 95/21/0187).

Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin liegen bei ihr die Voraussetzungen des § 3 Abs. 3 a.F. AufG jedoch nicht vor. Die - neben der für die Anwendung der in Rede stehenden Bestimmung jedenfalls erforderlichen wirtschaftlichen Abhängigkeit von ihrem Vater - vorgetragenen sonstigen Gründe (Vollendung des 19. Lebensjahres kurz vor Antragstellung und "Bindung" zu ihrem Vater als einzige Bezugsperson) sind nicht von solchem Gewicht, daß die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung zur Vermeidung einer besonderen Härte geboten erschiene (vgl. hiezu die von Schindler-Widermann-Wimmer, Fremdenrecht, im Kommentar zu § 3 AufG, S. 2.1.33 angeführten Beispiele).

Damit kommt der Überprüfung der Richtigkeit der Annahme der belangten Behörde, wonach - bezogen auf den Zeitpunkt ihrer Entscheidung - die in der Verordnung BGBl. Nr. 1023/1994 festgesetzte Höchstzahl von 1700 Bewilligungen "nunmehr" erreicht sei, entscheidungswesentliche Bedeutung zu. Der belangten Behörde ist einzuräumen, daß sie sich nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes diesbezüglich auf das von ihr gemäß § 9 Abs. 1 AufG geführte Register stützen kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. November 1995, Zl. 95/21/0173, mwN). Im vorliegenden Fall erscheint jedoch die Annahme der Behörde, die verordnete Höchstzahl von Bewilligungen sei bereits erreicht, aufgrund folgender Aktenvorgänge dennoch ohne nähere Begründung nicht nachvollziehbar.

Mit Fernkopie vom 23. Februar 1995 bat die belangte Behörde die Bezirkshauptmannschaft Melk um die Reservierung eines Quotenplatzes, zumal sie zur Ansicht gelangt sei, daß der Berufungswerberin eine Aufenthaltsbewilligung zu erteilen ist. Mit Telefax vom 1. März 1995 leitete die Bezirkshauptmannschaft Melk dieses Ersuchen an das Amt der Niederösterreichischen Landesregierung weiter. Mit Telefax vom 20. März 1995 urgierte die belangte Behörde die Reservierung des Quotenplatzes gegenüber der Bezirkshauptmannschaft Melk, worauf diese mit Telefax vom 30. März 1995 antwortete, sie habe bereits das Ersuchen der belangten Behörde vom 23. Februar 1995 an das Amt der Niederösterreichischen Landesregierung weitergeleitet. Mit Telefax vom 27. März 1995 richtete auch die belangte Behörde an das Amt der Niederösterreichischen Landesregierung das Ersuchen um Reservierung eines Quotenplatzes. Dem Verwaltungsakt ist nun nicht zu entnehmen, ob das Amt der Niederösterreichischen Landesregierung dem Ersuchen der belangten Behörde entsprochen hat oder nicht. Nach Erlassung des angefochtenen Bescheides teilte die Bezirkshauptmannschaft Melk dem Amt der Niederösterreichischen Landesregierung mit, daß eine Reservierung eines Quotenplatzes im Hinblick auf die Entscheidung der belangten Behörde nicht mehr notwendig sei.

Im Hinblick auf ihr Ersuchen um Reservierung eines Quotenplatzes wäre die belangte Behörde verpflichtet gewesen, zu ermitteln, ob das Amt der Niederösterreichischen Landesregierung diesem Reservierungsersuchen nachgekommen ist oder nicht. Bejahendenfalls wäre - bezogen auf den Entscheidungszeitpunkt der belangten Behörde - die verordnete Höchstzahl der Bewilligungen für das Jahr 1995 für Niederösterreich eben noch nicht erreicht gewesen.

Indem sie es - zumindestens nach der Aktenlage - unterließ, die Ermittlungen in die aufgezeigte Richtung durchzuführen und ihre Ergebnisse in der Begründung des Bescheides zusammenzufassen, hat die belangte Behörde Verfahrensvorschriften außer acht gelassen, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Indem sie rügt, die belangte Behörde habe keine Begründung "dafür angegeben, seit wann die Höchstzahl von

1700 Bewilligungen erreicht" sei, zeigt die Beschwerdeführerin den relevanten Verfahrensmangel mit hinreichender Deutlichkeit auf, zumal ihre Mitwirkungspflicht und damit auch die Pflicht zum Aufzeigen der Wesentlichkeit von Verfahrensmängeln dort, wo es der Behörde möglich ist, von sich aus und ohne Mitwirkung der Partei tätig zu werden, nicht überspannt werden darf (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. Jänner 1995, Zl. 94/19/0413). Aus diesen Erwägungen war der Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet auf die §§ 47 f VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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