VwGH 95/19/0026

VwGH95/19/002626.3.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Sauberer, Dr. Holeschofsky, Dr. Bachler und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Simetzberger, über die Beschwerde des I in T, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 11. Jänner 1995, Zl. 4.345.580/1-III/13/95, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1991 §1;
FlKonv Art1 AbschnA;
AsylG 1991 §1;
FlKonv Art1 AbschnA;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 11. Jänner 1995 wurde die Berufung des Beschwerdeführers, eines Staatsangehörigen von Liberia, der am 27. November 1994 in das Bundesgebiet eingereist ist und am 29. November 1994 den Asylantrag gestellt hat, gegen den den Asylantrag abweisenden Bescheid des Bundesasylamtes vom 15. Dezember 1994 abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hatte anläßlich seiner niederschriftlichen Einvernahme vom 29. November 1994 im wesentlichen angegeben, daß er bis zum Beginn des Bürgerkrieges in Liberia in seinem Heimatstaat keine Probleme gehabt habe. Er habe Liberia im Jahr 1990 wegen des Bürgerkrieges verlassen. In der Folge habe er sich "nicht allzuweit von der Grenze zu Liberia" in Guinea aufgehalten. Er habe Guinea "im Jahr 1993" (an die Jahreszeit könne er sich nicht erinnern) verlassen, weil Liberianer in Guinea gesucht würden. Man hätte ihn dort umgebracht, wenn man ihn gefunden hätte, da er "nicht am Krieg teilgenommen" habe. Er sei von der Gruppe des Samuel Doe gesucht worden, weil er "einer anderen Partei angehöre" (NPFL). Zu den Bürgerkriegsparteien und der geographischen Situation seiner Heimat näher befragt, machte der Beschwerdeführer sehr lückenhafte Angaben. Er habe, abgesehen vom Bürgerkrieg und dessen Folgen, keine Probleme gehabt, sondern habe sich in Guinea nicht sicher gefühlt, weshalb er mit einem Weißen namens "F" auf dessen Schiff Guinea verlassen habe. Er habe auf der Farm des Weißen gearbeitet, wobei er nicht wisse, wo sich dessen Farm befunden habe. "F" habe ihn schließlich wieder auf ein Schiff gebracht, nach ein- bis zweiwöchiger Reise im Laderaum versteckt seien sie in Slowenien im November 1994 angekommen. Der Beschwerdeführer sei unter Mithilfe des Weißen von Bord gegangen. In der Folge habe ihn "F" zur österreichischen Grenze gebracht, der Beschwerdeführer sei zu Fuß über die Hauptstraße nach Österreich gegangen und erst am Bahnhof nach seinem Paß gefragt worden. Dies stellte der Beschwerdeführer in der Folge dahingehend richtig, daß er von "F" auf der Hauptstraße in dessen Fahrzeug nach Österreich gebracht worden sei, der Weiße habe mit dem Grenzkontrollbeamten gesprochen und ihn schließlich nach Graz gebracht.

Das Bundesasylamt wies den Asylantrag ab, weil der Beschwerdeführer nicht Flüchtling im Sinne des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 sei und er gemäß § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 in Slowenien vor Verfolgung sicher gewesen sei.

In der dagegen erhobenen Berufung gab der Beschwerdeführer an:

"Ich erkläre zur Begründung meiner Berufung, daß ich meine bisher gemachten Angaben aufrecht erhalte."

Die belangte Behörde begründete den nunmehr angefochtenen Bescheid, daß die Angaben des Beschwerdeführers mit Ausnahme dessen, daß er seine Heimat wegen des dortigen Bürgerkriegs verlassen habe und sonst keine Probleme gehabt habe, unglaubwürdig seien und begründete dies mit den mangelnden geographischen Kenntnissen des Beschwerdeführers, der korrigierten Aussage betreffend des Grenzübertrittes nach Österreich, den vagen und von Unkenntnis geprägten Angaben bezüglich der politischen, militärischen und geographischen Lage, welche auf politisches Desinteresse wiesen. Die Mitgliedschaft zur NPFL und eine daraus resultierende Verfolgung des Beschwerdeführers in Guinea könne nicht festgestellt werden.

Die belangte Behörde führte weiters aus, daß selbst im Falle der Glaubwürdigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers dieses nicht geeignet wäre, seine Flüchtlingseigenschaft zu begründen. Eine "Verfolgung" seiner Person durch die "Gruppe Samuel Doe" könne nicht den staatlichen Behörden seines Heimatlandes zugerechnet werden. Aus der Bürgerkriegssituation seiner Heimat entstehe keine Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991.

Überdies habe sich der Beschwerdeführer vor seiner Einreise in das Bundesgebiet in Slowenien, einem Mitgliedstaat der Genfer Flüchtlingskonvention aufgehalten, weshalb es ihm möglich gewesen wäre, bei den dortigen Behörden um Asyl anzusuchen. Der Beschwerdeführer sei in Slowenien vor Verfolgung sicher gewesen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zentraler Aspekt des von § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 aus Art. 1 Abschnitt A Z. 2 Genfer Flüchtlingskonvention übernommenen Flüchtlingsbegriffes ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engsten Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht. Zurechnungssubjekt der Verfolgungsgefahr ist der Heimatstaat bzw. bei Staatenlosen der Staat des vorherigen gewöhnlichen Aufenthaltes (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 1995, Zl. 94/20/0858 uva).

Es erübrigt sich, darauf einzugehen, ob die belangte Behörde dem Beschwerdeführer in schlüssiger Weise die Glaubwürdigkeit versagt hat, ist doch ihre Begründung, selbst im Falle voller Glaubwürdigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers liege eine Verfolgung im Sinne des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 nicht vor, berechtigt. Denn der Beschwerdeführer übersieht zunächst, daß die von ihm behauptete Furcht in seinem Heimatland nur auf die Bürgerkriegssituation gestützt ist.

In dem Umstand, daß im Heimatland des Beschwerdeführers "Bürgerkrieg" herrscht, liegt für sich allein keine Verfolgungsgefahr im Sinne des § 1 Z. 1 AsylG 1991 (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 27. Mai 1993, Zl. 92/01/0982).

Die übrige behauptete Furcht bezieht sich grundsätzlich nicht auf Geschehnisse im Heimatland des Beschwerdeführers. Doch selbst wenn man die vom Beschwerdeführer behauptete, ihm in Guinea drohende Gefahr auf sein Heimatland erstreckt, ist eine Verfolgung in einer asylrechtlich relevanten Weise aus folgenden Gründen nicht wahrscheinlich:

a) Der Beschwerdeführer hat sich - wie er in der Beschwerde erkennbar bestätigt - politisch nicht engagiert; er hat auch keinen Hinweis darauf gegeben, aus welchen Gründen die Leute des Samuel Doe hätten wissen können, daß der Beschwerdeführer einer anderen Partei angehöre.

b) Der Beschwerdeführer hat nicht behauptet, sich während seines ungefähr drei Jahre dauernden Aufenthaltes in Guinea versteckt gehalten zu haben.

c) Der Beschwerdeführer hat auch nicht behauptet, in Guinea während seines Aufenthaltes konkreten Verfolgungen ausgesetzt gewesen zu sein.

Im Fall des Beschwerdeführers besteht somit lediglich die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung, jedoch droht ihm keine Verfolgungsgefahr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit. Die belangte Behörde durfte daher im Ergebnis zu Recht davon ausgehen, daß dem Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 nicht zukomme.

Insofern der Beschwerdeführer der belangten Behörde vorwirft, sie wäre verpflichtet gewesen, gemäß § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 die Ergänzung des Ermittlungsverfahrens auf Grund der unvollständigen Angaben des Beschwerdeführers anzuordnen, so ist diese Rüge unverständlich. Denn der Beschwerdeführer konnte auf konkrete Fragen anläßlich seiner niederschriftlichen Einvernahme vom 29. November 1994 keine vollständigen Antworten geben, hat in der Berufung keinen Verfahrensmangel gerügt, sondern auf diese Aussagen verwiesen, und gibt auch in der Beschwerde zu erkennen, daß er keine näheren Angaben zu machen in der Lage ist. Der vom Beschwerdeführer gerügte Begründungsmangel liegt ebenfalls nicht vor, hat die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid doch in nachvollziehbarer Weise ihre Überlegungen dargestellt, weshalb sie der Ansicht ist, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling im Sinne des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 sei.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Bei diesem Ergebnis erübrigt es sich, auf den weiteren von der Behörde herangezogenen Abweisungsgrund des § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 und die dagegen erstatteten Beschwerdeausführungen - welche im übrigen mit der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in Widerspruch stehen - einzugehen.

Von der vom Beschwerdeführer beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Der Ausspruch über den aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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