VwGH 95/10/0042

VwGH95/10/004229.1.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Bumberger und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fichtner, über die Beschwerde des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft St. Veit a.d. Glan vom 13. Dezember 1994, Zl. 3651/4/1994-III, betreffend Rodungsbewilligung (mitbeteiligte Partei: P in G), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §45 Abs1;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
ForstG 1975 §17 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
AVG §45 Abs1;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
ForstG 1975 §17 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Begründung

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft St. Veit a.d. Glan vom 13. Dezember 1994 wurde der mitbeteiligten Partei die befristete Bewilligung zur Rodung von im einzelnen bezeichneten Waldparzellen in einem näher dargelegten Flächenausmaß unter Vorschreibung bestimmter Bedingungen und Auflagen erteilt. Hiezu wurde im wesentlichen ausgeführt, die befristete Rodung von Teilflächen der genannten Gründstücke sei zum Zwecke ihrer Einbeziehung in ein Zuchtgatter beantragt worden. Die Rodeflächen lägen in leicht bis mäßig steil nach Norden und nach Süden geneigter Hanglage, seien von trockener Beschaffenheit und stellten im wesentlichen zwischen 5 und 20 m breite Streifen im Randbereich zu den angrenzenden Waldbeständen dar. Sie seien mit Fichtenbeständen der

2. Altersklasse mit einer Durchschnittsbestockung von 0,8 überschirmt, wobei an vielen Bäumen bereits markante Schälschäden vorhanden seien, nachdem dieses Rotwildzuchtgatter bereits seit ca. 2 Jahren in Verwendung stehe. Einschränkende Bestimmungen hinsichtlich einer Schutz- oder Bannwaldbewirtschaftung lägen nicht vor. Relevante Grundbuchslasten seien nicht ersichtlich. Die Rodeflächen sollten als Einstandsflächen für ein insgesamt ca. 25 ha großes Zuchtgatter, welches aus zwei Teilen bestehe, dienen. Der größere Gatterteil mit einem Ausmaß von 17 ha liege sonnseitig und solle Einstandsflächen von 15.500 m2 erhalten. Im schattenseitig gelegenen Gatter (8 ha) sei eine Einstandsfläche von 9.000 m2 vorgesehen. Die Rodeflächen sollten als Wald auch unter Verwendung von Schutzmaßnahmen erhalten bleiben und seien im Zuge einer günstig an das vorhandene Gelände angepaßten Zaunerrichtung in das Gatter miteinbezogen. Die beanspruchten Waldflächen würden durchwegs auf Erstaufforstungen zurückgehen, welche zwischen den Jahren 1955 und 1970 auf ehemalig landwirtschaftlich genützten Flächen vorgenommen worden seien. In diesen Jahren seien im Nahbereich der Gatterflächen an die 20 ha gleicher Aufforstungen mit Fichte vorgenommen worden. Die Waldausstattung der betroffenen Katastralgemeinden G (39 %), F (79 %) und M-Land (64 %) sei überdurchschnittlich hoch. Die Vorschreibung einer Ersatzaufforstung erübrige sich. Laut Waldentwicklungsplan liege für das sonnseitige Gatter die Kennzahl 211, für den schattseitigen Teil die Kennzahl 111 vor. Die mitbeteiligte Partei betreibe im Bereich ihrer Eigenjagd "Z" ein Jagdgatter mit einem Größenausmaß von rund 160 ha. Dieses Gatter sei rundum mit einem Drahtgeflecht wildsicher abgezäunt und entspreche den hiefür vorgeschriebenen Auflagen und Erfordernissen. Um gegen Wildschäden vorzubeugen, sei der obere, sonnseitig gelegene Teil, welcher vorwiegend aus Wald bestehe, gegen eine darunterliegende Wiesen- bzw. Weidenfläche abgezäunt. Diese Weidefläche umfasse ein Ausmaß von etwa 17 ha und werde als sogenanntes "Zuchtgatter" benützt. Schattseitig gelegen und von diesem Zuchtgatter durch die M-Tal-Landesstraße getrennt, befindet sich eine weitere, eingegatterte Wiesenfläche, welche ein ungefähres Ausmaß von 8 ha umfasse, welches ebenfall als Zuchtgatter Verwendung finde. Diese beiden Zuchtgatterflächen mit einem Gesamtausmaß von etwa 25 ha würden in ihrem oberen Teil der Abzäunung gegen die Waldflächen von einem Waldstreifen unterschiedlicher Breite, von 4 - 10 m eingesäumt. Diese Waldflächen, die auf der Sonnseite ein Ausmaß von rund 2 ha und auf der Schattseite ein Ausmaß von rund 1 ha hätten, dienten dem im Gatter gehaltenen Schalenwild als Einstandsflächen. Nach den allgemein gültigen Richtlinien über die Gatterhaltung von Rotwild - und um eine solche handle es sich im gegenständlichen Fall - sei neben anderen Kriterien für die Gesundheit und das Wohlbefinden des Wildes eine Einstandsfläche notwendig, welche ungefähr 5 % der Gatterfläche betragen solle. Im vorliegenden Fall betrage sie etwa 10 - 12 %. Aufgrund der hohen Bestandesdichte an Rotwild in diesem Gatter sei dieser hohe Anteil an Einstands- bzw. Schattenflächen jedoch unbedingt notwendig und sollte auf alle Fälle beibehalten werden. Aufgrund der vorstehenden Feststellungen erscheine das überwiegende öffentliche Interesse an der Rodung nachgewiesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vom Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft gemäß § 170 Abs. 8 ForstG 1975 unter Anschluß der Verwaltungsakten erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, die mitbeteiligte Partei beteiligte sich am verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft beantragt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Er bringt hiezu im wesentlichen vor, weder aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens noch aus dem angefochtenen Bescheid sei ein öffentliches Interesse an der beantragten Rodung nachvollziehbar. Entsprechende Aufschlüsse ließen sich insbesondere den eingeholten gutachtlichen Äußerungen nicht entnehmen, zumal keine Aussagen über den konkreten Zweck des Zuchtgatterbetriebes getroffen worden seien, ob das Gatter z.B. ausschließlich jagdlichen Zwecken diene oder aber als sogenanntes "Fleischproduktionsgatter" (als Form einer landwirtschaftlichen Nischenproduktion) betrieben werden solle. Je nach dem Verwendungszweck kämen unterschiedliche öffentliche Interessen in Betracht, deren Vorliegen als spezielle Fachfrage in der Regel nur aufgrund von Gutachten einschlägiger Sachverständiger beurteilt werden könnten. Anhand des eingeholten jagdfachlichen Gutachtens könne die Frage, ob an der Rodung aus jagdlichen Gründen ein öffentliches Interesse bestehe, mangels entsprechender Ausführungen nicht beurteilt werden; das Gutachten eines landwirtschafltichen Amtssachverständigen zur Frage des Vorliegens eines öffentlichen Interesses an der Verwendung der Rodungsfläche als Fleischproduktionsgatter sei nicht eingeholt worden.

Gemäß § 17 Abs. 1 ForstG ist die Verwendung von Waldboden zu anderen Zwecken als für solche der Waldkultur (Rodung) verboten. Unbeschadet der Bestimmung des Abs. 1 kann die gemäß § 19 Abs. 1 ForstG 1975 zuständige Behöde eine Bewilligung zur Rodung gemäß § 17 Abs. 2 ForstG 1975 erteilen, wenn ein öffentliches Interesse an einer anderen Verwendung der zur Rodung beantragten Fläche das öffentliche Interesse an der Erhaltung dieser Fläche als Wald überwiegt.

Öffentliche Interessen i.S.d. Abs. 2 sind gemäß § 17 Abs. 3 ForstG 1975 insbesondere in der umfassenden Landesverteidigung, im Eisenbahn-, Luft- und öffentlichen Straßenverkehr, im Post- und öffentlichen Fernmeldewesen, im Bergbau, im Wasserbau, in der Energiewirtschaft, in der Agrarstrukturverbesserung sowie im Siedlungswesen begründet.

Gemäß § 19 Abs. 11 ForstG 1975 sind Bescheide, mit denen eine Rodungsbewilligung erteilt wird, auch dann zu begründen, wenn dem Antrag vollinhaltlich Rechnung getragen wird.

Gemäß § 60 AVG sind in der Begründung des Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen.

Ausgehend von diesen Bestimmungen wäre es Sache der belangten Behörde gewesen, gestützt auf entsprechende Ermittlungsergebnisse in einer der nachprüfenden Kontrolle zugänglichen Weise darzutun, inwieferne am dargelegten Rodungszweck ein öffentliches Interesse besteht und gegebenenfalls, ob und aus welchen Gründen dieses öffentliche Interesse jenes an der Erhaltung der zur Rodung beantragten Flächen als Wald überwiegt. Demgegenüber hat sie es jedoch unterlassen, Feststellungen hinsichtlich eines an der Einbeziehung der beantragten Rodeflächen in ein Zuchtgatter bestehenden öffentlichen Interesses zu treffen, was es überhaupt erst ermöglichen würde, zu beurteilen, ob die Schlußfolgerung, "das überwiegende öffentliche Interesse an der Rodung" erscheine "nachgewiesen", zutreffend ist. Wenn die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift ausführt, es gehe aus den Gutachten der forstlichen und jagdlichen Sachverständigen ausreichend schlüssig hervor, daß durch die Verwirklichung des Rodungszweckes die Betriebsbedingungen der mitbeteiligten Partei verbessert würden, was bei den bekannten Schwierigkeiten in der Land- und Forstwirtschaft wohl auch ohne Beiziehung gesonderter Sachverständiger als im öffentlichen Interesse gelegen gesehen werden könne, so ist ihr zunächst entgegenzuhalten, daß auch den Gutachten der beiden Sachverständigen nach Ausweis des vorgelegten Verwaltungsaktes kein Hinweis auf den Betriebszweck des in Rede stehenden Zuchtgatters zu entnehmen ist. Die belangte Behörde übersieht im übrigen, daß sie auch offenkundige Tatsachen in der Begründung des Bescheides so eingehend darzulegen gehabt hätte, daß der beschwerdeführende Bundesminister und der Verwaltungsgerichtshof in die Lage versetzt werden, zu beurteilen, ob im konkreten Fall ein öffentliches Interesse an der beantragten Rodung besteht (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 19. Oktober 1992, Zl. 92/10/0140), und weiters, daß selbst ein an der in Aussicht genommenen Verwendung der Rodefläche (allenfalls) bestehendes öffentliches Interesse eine Rodungsbewilligung erst dann rechtfertigt, wenn es das öffentliche Interesse an der Erhaltung dieser Fläche als Wald überwiegt. Daß sie aber die solcherart erforderliche Interessenabwägung in nachvollziehbarer Weise vorgenommen hätte, behauptet die belangte Behörde, die in ihrer Gegenschrift die Auffassung vertritt, eine "gesonderte Interessenabwägung" sei im vorliegenden Fall entbehrlich, freilich nicht.

Aus den dargelegten Gründen erweist sich der angefochtene Bescheid als mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte gelangen können, belastet. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

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