VwGH 95/09/0033

VwGH95/09/003319.11.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Höß, Dr. Fuchs, Dr. Blaschek und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Loibl, über die Beschwerde des R in S, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Disziplinaroberkommission für Landeslehrer an öffentlichen Volks-, Haupt-, Sonderschulen und polytechnischen Lehrgängen beim Amt der Steiermärkischen Landesregierung in Graz vom 4. November 1994, Zl. 13 - 368 D 19/3-1994, betreffend die Verhängung der Disziplinarstrafe des Verweises, zu Recht erkannt:

Normen

BDG 1979 §123 Abs2;
LDG 1984 §72 Abs1;
LDG 1984 §92 Abs1;
LDG 1984 §92 Abs2;
LDG 1984 §93 Abs1;
BDG 1979 §123 Abs2;
LDG 1984 §72 Abs1;
LDG 1984 §92 Abs1;
LDG 1984 §92 Abs2;
LDG 1984 §93 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer steht als Hauptschullehrer in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Land Steiermark. Seine Dienststelle ist die Hauptschule S.

Mit - dem Beschwerdeführer am 9. Mai 1994 zugestellten - Bescheid der Disziplinarkommission für Landeslehrer an öffentlichen Volks-, Haupt-, Sonderschulen und polytechnischen Lehrgängen beim Landesschulrat für Steiermark vom 2. Mai 1994 wurde in einer gegen den Beschwerdeführer gerichteten Disziplinarangelegenheit gemäß § 93 Abs. 1 des Landeslehrerdienstrechtsgesetzes (LDG 1984) die mündliche Verhandlung mit 20. Mai 1994 anberaumt. Dieser Bescheid hatte folgenden Wortlaut:

"B e s c h e i d :

Die Disziplinarkommission für Landeslehrer an öffentlichen Volks-, Haupt-, Sonderschulen und Polytechnischen Lehrgängen beim Landesschulrat für Steiermark hat in ihrer Sitzung am 29. April 1994 beschlossen, gemäß § 93 Abs. 1 LDG 1984, BGBl. Nr. 302, in der gegenständlichen Disziplinarangelegenheit die mündiche Verhandlung für

Freitag, den 20. Mai 1994, 8.30 Uhr

anzuberaumen.

Begründung

HL R wurde gem. § 58 LDG ein Karenzurlaub bis zum 12. September 1993 bewilligt. Vor Ablauf der Karenzurlaubszeit hat der Betroffene um Gewährung eines Sonderurlaubes bis September 1999 angesucht. Dieses Ansuchen wurde mit Bescheid des Landesschulrates für Steiermark vom 13. Oktober 1993 (GZ.: VII Go 285/126 - 1993) abgewiesen. Dagegen hat HL R berufen.

Dieser Berufung wurde jedoch gem. § 64 Abs. 2 AVG keine aufschiebende Wirkung zuerkannt und somit hält sich HL R ungerechtfertigt vom Dienst entfernt (da er laut eigenen Angaben seit 8.11.1993 wieder dienstfähig ist).

Da HL R, trotz eindringlicher letztmaliger Aufforderung seitens des Landesschulrates für Steiermark vom 26.11.1993

(GZ.: VII Go 285/131 - 1993), noch immer nicht zum Dienst angetreten ist, entspricht dies einem ungerechtfertigten Fernbleiben von ca. 6 Monaten.

HL R steht somit im Verdacht, durch dieses ungerechtfertigte Fernbleiben vom Dienst eine Dienstpflichtverletzung im Sinn des § 29 Abs. 1 in Verbindung mit § 35 LDG 1984 schuldhaft begangen zu haben.

Gemäß § 69 LDG 1984 sind Landeslehrer, die schuldhaft ihre Dienstpflichten verletzen, nach den Bestimmungen des 7. Abschnittes des LDG 1984 zur Verantwortung zu ziehen. Dieser Bescheid gründet sich auf die Disziplinaranzeige des Landesschulrates für Steiermark vom 15.3.1994

(GZ.: VII Go 285/132 - 1994) und auf die im Spruch angeführte Gesetzesstelle."

Die Disziplinarkommission für Landeslehrer an öffentlichen Volks-, Haupt-, Sonderschulen und polytechnischen Lehrgängen beim Landesschulrat für Steiermark führte am 20. Mai 1994 - in Anwesenheit des Beschwerdeführers - eine mündliche Verhandlung durch, an deren Ende ein "Schuldspruch mit Verweis" verkündet wurde.

In der - mit 8. Juli 1994 datierten - schriftlichen Ausfertigung dieses Disziplinarerkenntnisses wurde der Spruch dieser Entscheidung wie folgt wiedergegeben:

"HL R ist

s c h u l d i g.

Er hat dadurch, daß er nach Ablauf des ihm bis zum 12. September 1993 bewilligten Karenzurlaubes, trotz dezitierter Weisung seiner vorgesetzten Dienstbehörde den Dienst bis zum heutigen Tage nicht angetreten hat, seine in den §§ 29 Abs. 1, 30 Abs. 1, 31 und 35 LDG 1984 niedergelegten Pflichten verletzt und hierdurch eine Dienstpflichtverletzung im Sinne des § 69 LDG 1984, in der geltenden Fassung, begangen.

Es wird deshalb über ihn gemäß § 70 Abs. 1 LDG 1984 die

Disziplinarstrafe des Verweises

verhängt.

Kosten des Verfahrens gemäß § 86 Abs. 2 LDG 1984 sind nicht zu ersetzen."

Die Entscheidung wurde damit begründet, daß dem Beschwerdeführer gemäß § 58 LDG 1984 ein Karenzurlaub bis zum 12. September 1993 bewilligt worden sei. Vor Ablauf der Karenzurlaubszeit habe er um Gewährung eines Sonderurlaubes bis September 1999 angesucht, Dieses Ansuchen sei mit Bescheid des Landesschulrates für Steiermark vom 13. Oktober 1993 abgewiesen worden. Dagegen habe der Beschwerdeführer Berufung erhoben, über welche noch nicht entschieden worden sei. Der Beschwerdeführer halte sich ungerechtfertigt vom Dienst entfernt. Auch einer einträglichen letztmaligen Aufforderung seitens des Landesschulrates für Steiermark vom 26. November 1993, zum Dienst anzutreten, habe er nicht Folge geleistet. Der Beschwerdeführer habe als Grund für den Nichtantritt seines Dienstes - der von ihm im übrigen vollinhaltlich zugestanden worden sei - angegeben, daß er ein Ansuchen um Karenzierung und ein weiteres Ansuchen um Reduzierung seiner Lehrverpflichtung auf zwei Stunden eingebracht habe. Er habe die Entscheidung über diese beiden Ansuchen abwarten wollen und sei - aufgrund positiver Aussagen seitens der Rechtsabteilung 13 des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung - der Auffassung gewesen, daß für ihn eine positive Lösung gefunden werden würde. Der Beschwerdeführer habe sich weiters damit verantwortet, daß er in einem Kulturzentrum tätig gewesen sei; sein Dienstantritt hätte bewirkt, daß er sich dem Kulturzentrum nicht hätte widmen können, wodurch ein weitaus größerer Schaden entstanden wäre als durch das Nichtantreten seines Dienstes. Hiezu hielt die belangte Behörde fest, daß die Verpflichtung, den Dienst anzutreten, völlig unabhängig von dem vom Beschuldigten erbetenen Karenzurlaub bzw. von der von ihm beantragten Herabsetzung der Lehrverpflichtung auf zwei Stunden bestünde. Solange die Gewährung des Urlaubs nicht erfolgt, bzw. die Lehrpflichtermäßigung noch nicht erteilt sei, bestehe die Pflicht, den Dienst ordnungsgemäß zu versehen. Diese Verpflichtung bestehe unmittelbar aufgrund des Gesetzes, ohne daß es hiefür einer gesonderten Weisung bedürfte. Der Beschwerdeführer habe seinen Dienst aber trotz wiederholter Aufforderungen nicht angetreten und aus diesem Grunde eine Dienstpflichtverletzung begangen. Eine ordnungsgemäße Verwaltung wäre nicht denkbar, wenn ein Lehrer schon aus einem abgegebenen Urlaubsansuchen den Rechtsanspruch auf Abwesenheit vom Dienst ableitete. Dies gelte naturgemäß umso mehr, wenn dieses Ansuchen bereits bescheidmäßig abgelehnt worden sei. Gerade heute werde der Stand der Lehrer in der Öffentlichkeit besonders kritisch beurteilt. Die verhängte Disziplinarstrafe des Verweises sei daher im Sinne der Spezial- und Generalprävention angemessen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung, die er im wesentlichen damit begründete, daß ihm entgegen der Bestimmung des § 78 Abs. 3 LDG 1984 eine Abschrift der Disziplinaranzeige nicht zugestellt worden sei. Es sei weiters kein Einleitungsbeschluß im Sinne des § 92 Abs. 2 LDG 1984 gefaßt worden, weshalb das Disziplinarverfahren nicht rechtmäßig eingeleitet worden sei. Die Disziplinarbehörde habe spätestens am 10. November 1993 Kenntnis von einer allfälligen Dienstpflichtverletzung gehabt. Mangels einer rechtmäßigen Einleitung des Disziplinarverfahrens sei ein allenfalls disziplinäres Verhalten daher per 10. Mai 1994 verjährt. Der Beschwerdeführer sei von Anfang des Schuljahres 1993/1994 bis einschließlich zum 7. November 1993 im Krankenstand gewesen. Danach wäre er selbstverständlich bereit gewesen, bei einer bereits erfolgten Reduzierung seiner Lehrverpflichtung seinen Dienst unverzüglich anzutreten. Er habe auf eine positive Erledigung der von ihm gestellten Ansuchen auf Karenzierung sowie parallel dazu auf Reduzierung seiner Lehrverpflichtung auf zwei Wochenstunden vertrauen können, welches Vertrauen durch die Gewährung der Lehrpflichtermäßigung, welche ihm mit Schreiben des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung vom 9. Juni 1994 rückwirkend vom 25. Oktober 1993 bis zum Ende des Schuljahres 1998/1999 erteilt worden sei, auch gerechtfertigt gewesen sei. Es stehe nicht in seinem Verantwortungsbereich, daß sein Ansuchen erst mit 9. Juni 1994 erledigt worden sei. Ein allenfalls disziplinäres Verhalten könne daher lediglich bis einschließlich zum 24. Oktober 1993 vorgelegen sein. Der Beschwerdeführer habe aufgrund eines Gespräches vom 17. Dezember 1993 mit Beamten des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung darauf vertrauen können, daß ein "stillschweigendes Abkommen" über die Nichteinleitung eines Disziplinarverfahrens gegen seine Person bestehe. Das Kulturzentrum Wolkenstein sei vom Beschwerdeführer als Proponenten durch großen persönlichen Einsatz erworben, umgestaltet sowie betrieben worden. Im Zeitraum des Herbstes 1993 sei der Beschwerdeführer aufgrund der geplanten und durchzuführenden Projekte dort geradezu unentbehrlich gewesen, sodaß im Falle des Antrittes seines Dienstes im Umfang der ursprünglichen Lehrverpflichtung insoferne großer Schaden entstanden wäre, insbesondere das Programm des Steirischen Herbstes nicht durchgeführt hätte werden können und auch ein enormer finanzieller Schaden entstanden wäre. Der Beschwerdeführer habe sich daher in einer Notstandssituation befunden, die auch seine Bestrafung ausgeschlossen habe.

Die Berufung des Beschwerdeführers wurde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der Disziplinaroberkommission für Landeslehrer an Volks-, Haupt-, Sonderschulen und polytechnischen Lehrgängen beim Amt der Steiermärkischen Landesregierung in Graz vom 4. November 1994 abgewiesen und das Disziplinarerkenntnis der Behörde erster Instanz bestätigt. Diese Entscheidung wurde damit begründet, daß der Beschwerdeführer von der Behörde erster Instanz für schuldig gesprochen worden sei, eine Dienstpflichtverletzung im Sinne des § 69 LDG 1984 dadurch begangen zu haben, daß er nach Ablauf des ihm bis zum 12. September 1993 belegten Karenzurlaubes "trotz dezidierter Weisung seiner Dienstvorgesetzten den Dienst bis zum "heutigen Tage" (20. Mai 1994) nicht angetreten" habe. Die vom Beschwerdeführer in seiner Berufung gerügten Verfahrensmängel, daß ihm eine Abschrift der Disziplinaranzeige nicht zugestellt und ein Einleitungsbeschluß nicht gefaßt und ihm nicht zugestellt worden sei, wodurch er sich nicht entsprechend rechtfertigen habe können, seien durch den Verhandlungsbeschluß vom 2. Mai 1994, in dem die Verhandlung erst für den 20. Mai 1994 angesetzt worden sei, an dem sie auch tatsächlich stattgefunden habe, hinreichend saniert, da ausreichend Zeit zur Vorbereitung bestanden habe. Die Einwendung des Beschwerdeführers, daß bereits Verjährung eingetreten sei, sei deswegen nicht stichhältig, weil es sich um ein Dauerdelikt handle, das nach den vorliegenden Unterlagen erst durch den Antritt seines auf zwei Wochenstunden lehrpflichtermäßigten Dienstes am 20. Juni 1994 beendet worden sei. Daran vermöge auch der Umstand nichts zu ändern, daß diese Lehrpflichtermäßigung rückwirkend auf den 25. Oktober 1993 bewilligt worden sei. Denn spätestens nach Wiedererreichen seiner Dienstfähigkeit nach seinem Krankenstand bis 7. November 1993 hätte der Beschwerdeführer ab 8. November 1993 seinen Dienst jedenfalls - wenn auch rückwirkend betrachtet nur im Ausmaß von zwei Wochenstunden - antreten müssen. Es gehe nicht an, daß ein Lehrer, dem nicht nur im Bewußtsein der Öffentlichkeit, sondern vor allem auch gegenüber den ihm anvertrauten Schülern eine besondere Vorbildfunktion zukomme, nach eigenem Gutdünken seine dienstliche An- oder Abwesenheit gestalte. Das angefochtene Disziplinarerkenntnis sei daher aus Gründen der Spezial-, insbesondere aber der Generalprävention zu bestätigen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit welcher die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften beantragt wird.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte - unter Abstandnahme von der Erstattung einer Gegenschrift - die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 29 Abs. 1 LDG 1984, BGBl. Nr. 302/1984 i.d.F. BGBl. Nr. 665/1994, ist der Landeslehrer verpflichtet, die ihm obliegenden Unterrichts-, Erziehungs- und Verwaltungsaufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung treu, gewissenhaft und unparteiisch mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln aus eigenem zu besorgen. Gemäß § 30 Abs. 1 LDG 1984 hat der Landeslehrer die Weisungen seiner Vorgesetzten, soweit verfassungsgesetzlich nicht anderes bestimmt ist, zu befolgen. Gemäß § 31 leg. cit. ist der Landeslehrer zur Erteilung regelmäßigen Unterrichts (Lehrverpflichtung) sowie zur Erfüllung der sonstigen aus seiner lehramtlichen Stellung sich ergebenden Obliegenheiten verpflichtet und hat die vorgeschriebene Unterrichtszeit einzuhalten. Ein Landeslehrer, der vom Dienst abwesend ist, ohne vom Dienst befreit oder enthoben zu sein, hat gemäß § 35 Abs. 1 LDG 1984 den Grund seiner Abwesenheit unverzüglich zu melden und seine Abwesenheit zu rechtfertigen.

Landeslehrer, die schuldhaft ihre Dienstpflichten verletzen, sind gemäß § 69 LDG 1984 nach den Bestimmungen des Abschnittes VII des LDG 1984 zur Verantwortung zu ziehen. § 70 Abs. 1 LDG 1984 sieht als Disziplinarstrafen vor:

  1. 1. den Verweis,
  2. 2. die Geldbuße bis zur Höhe eines halben Monatsbezuges unter Ausschluß der Haushaltszulage,

    3. die Geldstrafe bis zur Höhe von fünf Monatsbezügen unter Ausschluß der Haushaltszulage und

    4. die Entlassung.

    Gemäß § 83 LDG 1984 kann im Falle eines Schuldspruches von der Verhängung einer Strafe abgesehen werden, wenn dies ohne Verletzung dienstlicher Interessen möglich ist und nach den Umständen des Falles nach der Persönlichkeit des Landeslehrers angenommen werden kann, daß ein Schuldspruch allein genügen wird, den Landeslehrer von weiteren Verfehlungen abzuhalten.

    Gemäß § 72 Abs. 1 Z. 1 LDG 1984 darf ein Landeslehrer wegen einer Dienstpflichtverletzung nicht mehr bestraft werden, wenn gegen ihn nicht innerhalb von sechs Monaten, gerechnet von dem Zeitpunkt, zu dem die Dienstpflichtverletzung der zur Durchführung des Disziplinarverfahrens berufenen Behörde zur Kenntnis gelangt ist, eine Disziplinarverfügung erlassen oder ein Disziplinarverfahren eingeleitet wurde.

    Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, daß er seinen Dienst im verfahrensgegenständlichen Zeitraum nicht angetreten habe. Er hält den angefochtenen Bescheid jedoch deswegen für rechtswidrig, weil es in seinem Fall die Disziplinarkommission entgegen § 92 Abs. 3 LDG 1984 unterlassen habe, einen Beschluß über die Einleitung des gegen ihn gerichteten Disziplinarverfahrens zu fassen und nach Einlangen der Disziplinaranzeige sogleich einen Verhandlungsbeschluß gefaßt habe. Die Durchführung eines Disziplinarverfahrens ohne einen Einleitungsbeschluß gemäß § 92 LDG 1984 sei aber unzulässig. Es sei zu berücksichtigen, daß nach der Rechtsprechung beider Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes der Einleitungsbeschluß als Bescheid durch Beschwerde angefochten werden könne, und es sei undenkbar, daß es der Behörde freistehe, dieses Recht durch Überspringen des Einleitungsbeschlusses zu annullieren. Der Einleitungsbeschluß bewirke gemäß § 92 Abs. 3 LDG 1984 eine Änderung der Rechtsstellung des Beschuldigten, der Verhandlungsbeschluß habe eine solche Wirkung aber nicht. Es erscheine daher als absolut unerläßlich, daß über die Verfahrenseinleitung ein eigener Beschluß gefaßt werde.

    Mit diesem Vorbringen zeigt der Beschwerdeführer die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Gemäß § 92 Abs. 1 und 2 LDG 1984 hat nämlich die Disziplinarkommission - wenn sie nicht gemäß § 92 Abs. 4 LDG 1984 von der Einleitung eines Disziplinarverfahrens absieht - nach Einlangen der Disziplinaranzeige sowie nach Durchführung von allenfalls notwendigen Ermittlungen durch die landesgesetzlich hiezu berufene Behörde die Einleitung des Disziplinarverfahrens in Form eines Bescheides zu verfügen. Gemäß § 93 Abs. 1 LDG 1984 hat die Disziplinarkommission, wenn "nach Durchführung der notwendigen Ermittlungen der Sachverhalt ausreichend geklärt" ist, die mündliche Verhandlung in Form eines Verhandlungsbeschlusses anzuberaumen, wobei zwischen der mündlichen Verhandlung und der Zustellung dieses Bescheides ein Zeitraum von mindestens zwei Wochen liegen muß. Gemäß § 93 Abs. 2 LDG 1984 sind im Verhandlungsbeschluß die Anschuldigungspunkte bestimmt anzuführen. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den - mit den §§ 72, 91 und 92 LDG 1984 im wesentlichen inhaltsgleichen - §§ 94, 123 und 124 BDG bestehen zwar keine Bedenken, daß bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen Einleitungsbeschluß und Verhandlungsbeschluß gleichzeitig gefaßt werden (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 5. April 1990, Zl. 89/09/0131, und vom 15. September 1994, Zl. 92/09/0382). Dies kann etwa dann der Fall sein, wenn der der Dienstpflichtverletzung zugrundeliegende Sachverhalt schon im dienstbehördlichen Verfahren oder im Zuge der für den Einleitungsbeschluß getroffenen Ermittlungen ausreichend geklärt wurde (vgl. Kucsko-Stadlmayer, Das Disziplinarrecht der Beamten, 2. Auflage 1996, 425; vgl. auch Schwabl - Chilf, Das Disziplinarrecht der Bundesbeamten, Landeslehrer und Soldaten, 1989, 199). Der Verwaltungsgerichtshof hat auch ausgesprochen, daß die Erlassung eines kombinierten Bescheides, mit welchem durch denselben Wortlaut sowohl über die Einleitung des Disziplinarverfahrens, als auch über die Anberaumung der mündlichen Verhandlung abgesprochen wird, keinen Bedenken begegnet, vorausgesetzt, daß beide Absprüche den gesetzlichen Voraussetzungen entsprechen und zwar auch dann, wenn der Bescheid nur die Überschrift "Verhandlungsbeschluß" trägt (Erkenntnis vom 18. Oktober 1990, Zl. 90/09/0107).

    Im vorliegenden Fall enthielt der Bescheid der Behörde erster Instanz vom 2. Mai 1994 den ausdrücklichen Ausspruch, daß gemäß § 93 Abs. 1 LDG 1984 die mündliche Verhandlung "in der gegenständlichen Disziplinarangelegenheit" für den 20. Mai 1994 anberaumt werde. In der Begründung wurde u.a. ausgeführt, daß der Beschwerdeführer im Verdacht stehe, durch sein im Bescheid näher umschriebenes Verhalten eine Dienstpflichtverletzung im Sinne des § 29 Abs. 1 i.V.m. § 35 LDG 1984 begangen zu haben. Damit hat die Behörde erster Instanz aber nicht zum Ausdruck gebracht, daß sie zugleich gemäß § 92 LDG 1984 ein Disziplinarverfahren gegen den Beschwerdeführer einleiten wolle, sondern sie hat diesen - in § 72 Abs. 1 und § 92 Abs. 1 LDG 1984 als zwingende Voraussetzung für die Erlassung eines Disziplinarerkenntnisses normierten - Verfahrensschritt unterlassen. Es darf aber keine Disziplinarstrafe wegen eines Verhaltens verhängt werden, das nicht Gegenstand des durch den Einleitungsbeschluß in seinem Umfang bestimmten Disziplinarverfahrens war (vgl. das oben genannte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Oktober 1990 sowie das Erkenntnis vom 22. April 1993, Zl. 93/09/0030).

    Der Beschwerdeführer wurde somit durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht darauf verletzt, nicht ohne die vorherige Erlassung eines Einleitungsbeschlusses gemäß § 92 LDG 1984 mit einem Disziplinarerkenntnis bestraft zu werden; der angefochtene Bescheid leidet insoferne an inhaltlicher Rechtswidrigkeit und war daher gemäß § 43 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben. Daher erübrigt es sich, auf das sonst geltend gemachte Beschwerdevorbringen einzugehen.

    Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

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