Normen
ASVG §58 Abs1;
ASVG §58 Abs2;
ASVG §59 Abs1;
ASVG §67 Abs10;
AusgleichsO §48;
AusgleichsO §73 Abs2;
AusgleichsO §74;
BAO §80;
BAO §9;
GmbHG §25;
KO §151;
KO §164 Abs2;
KO §164a;
ASVG §58 Abs1;
ASVG §58 Abs2;
ASVG §59 Abs1;
ASVG §67 Abs10;
AusgleichsO §48;
AusgleichsO §73 Abs2;
AusgleichsO §74;
BAO §80;
BAO §9;
GmbHG §25;
KO §151;
KO §164 Abs2;
KO §164a;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) Aufwendungen von S 4.565,-- und der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse Aufwendungen von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse vom 24. August 1994 wurde die Beschwerdeführerin als Geschäftsführerin der JG GesmbH gemäß § 67 Abs. 10 ASVG verpflichtet, die auf dem Beitragskonto der genannten Beitragsschuldnerin rückständigen Sozialversicherungsbeiträge samt Nebengebühren im Betrag von S 245.433,31 zuzüglich Verzugszinsen binnen 13 Tagen nach Zustellung des Bescheides bei sonstigen Zwangsfolgen zu bezahlen.
Die Beschwerdeführerin erhob gegen diesen Bescheid Einspruch, den sie im wesentlichen damit begründete, daß sie für die aus dem Zeitraum Februar 1993 bis Mai 1993 stammenden Beiträge nicht hafte: Über das Vermögen der Gesellschaft sei mit Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Graz vom 23. März 1993 das Konkursverfahren eröffnet worden. Bis Februar 1993 sei das Unternehmen ordnungsgemäß und kaufmännisch einwandfrei geführt worden und es seien auch sämtliche Verbindlichkeiten bei der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse erfüllt worden. Grund für die Insolvenz sei die Aufkündigung eines Generalvertretungsvertrages in Verbindung mit dem Lieferstopp durch einen näher bezeichneten Hauptlieferanten des Unternehmens gewesen. Bis 5. Februar 1993 seien sämtliche Beiträge pünktlich bezahlt worden. Es sei ein Zwangsausgleich beantragt.
In einer Stellungnahme hiezu vom 10. Februar 1995 räumte die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse ein, daß sich die Gesamthöhe der (von der Haftung betroffenen) nachzuzahlenden Beiträge infolge der Konkurseröffnung auf S 42.281,59 zuzüglich der ab 23. März 1993 laufenden Verzugszinsen reduziere. Über Aufforderung der belangten Behörde erstattete die Beschwerdeführerin im Einspruchsverfahren eine Stellungnahme, in der sie ausführte, daß der von der Gemeinschuldnerin mit ihren Gläubigern abgeschlossene Zwangsausgleich vom Konkursgericht rechtskräftig bestätigt worden und an die allgemeinen Konkursgläubiger eine Barquote von 43 % auszuschütten sei. Dadurch werde auch der noch aushaftende Betrag von S 42.281,59 weitestgehend getilgt. Die Beschwerdeführerin treffe kein Verschulden an der Insolvenz. Die Bank der Gesellschaft habe aufgrund der Vertragskündigung des Hauptlieferanten sämtliche Konten mit 5. März 1993 gesperrt, worüber eine Fotokopie des diesbezüglichen Schreibens vorgelegt werde. Über diese Bank seien alle Zahlungen der Gesellschaft abgewickelt worden. Die Überweisung der per 15. März 1993 fällig gewordenen Beiträge habe infolge der Kontensperre nicht mehr veranlaßt werden können. In einer weiteren Stellungnahme vom 5. Mai 1995 teilte die mitbeteiligte Partei mit, daß unter Berücksichtigung der Ausgleichsquote für Februar 1993 Dienstgeberbeiträge in der Höhe von S 15.829,74 zuzüglich der ab 23. März 1993 laufenden Verzugszinsen ausstünden. Alle anderen Sozialversicherungsbeiträge seien erst nach Konkurseröffnung fällig geworden. Das Verschulden der Beschwerdeführerin liege in der Schlechterbehandlung der Sozialversicherungsbeiträge, zumal sie Löhne ausbezahlt, die Sozialversicherungsbeiträge aber nicht an die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse abgeführt habe. Dazu verwies die Beschwerdeführerin neuerlich auf die Kontensperre durch die Bank ab 5. März 1993 sowie darauf, daß die von der mitbeteiligten Partei geltend gemachten rückständigen Beiträge erst am 15. März (d.h. nach der Kontensperre) fällig geworden seien. Dem hielt die mitbeteiligte Partei in einer weiteren Stellungnahme entgegen, daß die Sozialversicherungsbeiträge für den Beitragsmonat Februar 1993 gemäß § 58 Abs. 1 ASVG am 28. Februar 1993 fällig geworden seien. Es seien daher bis zur Kontensperre noch einige Tage Zeit gewesen, die fälligen Sozialversicherungsbeiträge zu bezahlen.
Mit Bescheid vom 28. August 1995 hat die belangte Behörde dem Einspruch der Beschwerdeführerin teilweise Folge gegeben und den erstinstanzlichen Bescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse mit der Maßgabe abgeändert, daß an rückständigen Sozialversicherungsbeiträgen ein Betrag von S 15.829,74 zuzüglich näher bezeichneter Verzugszinsen zu bezahlen sei. Nach der Begründung dieses Bescheides hafte die Beschwerdeführerin für die Beiträge im Haftungszeitraum Februar 1993, weil sie weder behauptet habe, zumindest anteilige Zahlungen nach Maßgabe der vorhandenen Mittel an den Sozialversicherungsträger geleistet zu haben, noch daß ihr keine Mittel zur Verfügung gestanden seien. Im Hinblick auf den Fälligkeitstermin 28. Februar 1993 hätten die Beiträge noch vor Eröffnung des Konkurses bezahlt werden können. Auch bis zur Kontensperre durch die Bank seien einige Tage Zeit gewesen, die fälligen Sozialversicherungsbeiträge zu entrichten.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, der Sache nach Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und - ebenso wie die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse - eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 67 Abs. 10 ASVG haften unter anderem die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen im Rahmen ihrer Vertretungsmacht neben den durch sie vertretenen Beitragsschuldnern für die von diesen zu entrichtenden Beiträge insoweit, als die Beiträge infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.
Da § 67 Abs. 10 ASVG den §§ 9 und 80 BAO nachgebildet wurde, können nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die zu diesen Bestimmungen von Rechtsprechung und Lehre entwickelten Grundsätze auch auf § 67 Abs. 10 ASVG übertragen werden (vgl. etwa die Erkenntnisse vom 14. April 1988, Zl. 88/08/0025, vom 25. April 1989, Zl. 89/08/0013, vom 24. Oktober 1989, Zl. 89/08/0044, sowie - aus jüngerer Zeit - vom 20. Februar 1996, Zl. 95/08/0180).
Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt dargelegt hat, ist die Haftung der nach § 67 Abs. 10 ASVG Verantwortlichen ihrem Wesen nach eine dem Schadenersatzrecht nachgebildete Verschuldenshaftung, die daran anknüpft, daß die gegenüber dem Sozialversicherungsträger bestehenden gesetzlichen Verpflichtungen zur rechtzeitigen Abfuhr von Sozialversicherungsbeiträgen verletzt wurden. Eine solche Pflichtverletzung - für deren Beurteilung ebenfalls die von der Rechtsprechung zu den §§ 9 und 80 BAO entwickelten Grundsätze herangezogen werden können (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 19. Februar 1991, Zl. 90/08/0100, mit weiteren Judikaturhinweisen) - kann darin liegen, daß der Verantwortliche die Beitragsschulden insoweit schlechter behandelt als sonstige Gesellschaftsschulden, als er diese bedient, jene aber unberichtigt läßt bzw. - im Falle des Fehlens ausreichender Mittel - nicht für eine zumindest anteilige Befriedigung auch der Forderungen des Sozialversicherungsträgers Sorge trägt (vgl. das Erkenntnis vom 28. April 1992, Zl. 92/08/0055, mit zahlreichen Hinweisen auf die Rechtsprechung).
Leichte Fahrlässigkeit des Vertreters reicht für die Haftung aus und ist schon dann anzunehmen, wenn der Vertreter keine Gründe anzugeben vermag, wonach ihm die Erfüllung seiner Verpflichtung, für die Beitragsentrichtung zu sorgen, unmöglich war (vgl. das Erkenntnis vom 13. März 1990, Zl. 89/08/0198, unter Hinweis auf das Erkenntnis vom 19. Juni 1985, Slg. Nr. 6012/F). Es ist somit Sache des als Verantwortlicher herangezogenen Vertreters der juristischen Person, jene Gründe darzulegen, die ihn ohne sein Verschulden daran gehindert haben, die ihm obliegenden Verpflichtungen zu erfüllen, widrigenfalls eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden darf (vgl. das Erkenntnis vom 25. April 1989, Slg. Nr. 12911/A).
Im Beschwerdefall bestreitet die Beschwerdeführerin nicht, daß sie die gegenständlichen Beiträge für Februar 1993 bei Fälligkeit nicht entrichtet hat. Sie behauptet auch nicht, daß keine Mittel zu einer zumindest anteiligen Befriedigung der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse vorhanden gewesen seien. Sie entgegnet der Argumentation der belangten Behörde, zwischen der Fälligkeit der Beiträge am 28. Februar 1993 und der Kontensperre der Raiffeisenbank am 5. März 1993 seien einige Tage Zeit gewesen, die fälligen Beiträge zu überweisen, daß gemäß § 59 Abs. 1 ASVG die fälligen Beiträge erst nach Nichtbezahlung innerhalb von weiteren elf Tagen mit Verzugszinsen belegt würden. Die Beschwerdeführerin habe somit bis zumindest 11. März 1993 die Möglichkeit gehabt, die ausstehenden Beiträge ohne gesetzlich angedrohte Verzugszinsen einzuzahlen. Es könne daher von einer sogenannten "ex lege Zahlungsfrist" für diesen Zeitraum ausgegangen werden. Ein objektiver Zahlungsverzug im Sinne des Gesetzes sei erst ab dem elften Tage nach Fälligkeit der Beiträge gegeben. Es sei geradezu Verpflichtung des Geschäftsführers, in der Krise eines Unternehmens die Liquidität des Unternehmens hochzuhalten und Zinsschäden durch verfrühte Zahlung hintanzuhalten. Zahlung bereits am Fälligkeitstag hätte "die Liquidität der Gesellschaft reduziert und zu einem tatsächlichen Zinsschaden geführt". Für diesen wäre die Beschwerdeführerin als Geschäftsführerin der Gesellschaft schadenersatzpflichtig gewesen.
Soweit die Beschwerdeführerin mit diesem Vorbringen darzutun versucht, daß sie an der Nichtzahlung der Beiträge kein Verschulden trifft und deshalb ihre Haftung zu verneinen sei, ist ihr entgegenzuhalten, daß die Bestimmung des § 59 Abs. 1 ASVG (in der hier noch anzuwendenden Fassung vor Inkrafttreten des Abgabenänderungsgesetzes 1994, BGBl. Nr. 680), wonach Verzugszinsen zu entrichten sind, wenn Beiträge nicht innerhalb von elf Tagen nach der Fälligkeit eingezahlt werden, die Fälligkeit dieser Beiträge nicht hinausschiebt. Der Umstand allein, daß § 59 Abs. 1 ASVG im Ergebnis eine gewisse Toleranzfrist vorsieht, während derer eine Zahlungsverspätung sanktionslos bleibt, ändert nichts an der gesetzlichen Bestimmung der Fälligkeit (mit Ende des jeweiligen Beitragszeitraumes) in § 58 Abs. 1 ASVG. Die Beschwerdeführerin hat es als Geschäftsführerin zu verantworten, daß sie - ungeachtet des von ihr gar nicht bestrittenen Vorhandenseins von Mitteln, die es ihr immerhin ermöglichten, die Löhne und Gehälter zu zahlen, wie sie nicht bestreitet, - die Sozialversicherungsbeiträge nicht einmal anteilig befriedigt hat. Schon dies führt nach der dargelegten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - das Vorliegen der übrigen Tatbestandsvoraussetzungen wird von der Beschwerdeführerin nicht bestritten - zu ihrer Haftung gemäß § 67 Abs. 10 ASVG. Entgegen der in der Beschwerde vertretenen Rechtsauffassung war die Beschwerdeführerin als Geschäftsführerin auch nicht verpflichtet, das Risiko einer persönlichen Haftung auf sich zu nehmen, um durch Hinauszögerung der Entrichtung der Sozialversicherungsbeiträge den dadurch entstandenen Zinsenvorteil der Gesellschaft zuzuwenden.
Es kann auch auf sich beruhen, ob die Behauptung der Beschwerdeführerin zutrifft, es sei ein "österreichweiter abgabenrechtlicher Usus" Zahlungen nach Fälligkeit, jedoch vor Belastung mit Verzugszinsen vorzunehmen, weil selbst das Bestehen einer derartigen Übung nichts daran ändern könnte, daß damit für die zur Vertretung nach außen berufenen Organe das Risiko verbunden ist, im Falle des Beitragsausfalles im Insolvenzverfahren zur Haftung herangezogen zu werden.
Schließlich kommt der Beschwerdeführerin auch nicht die Bereinigungswirkung des Zwangsausgleiches zugute, wie sie in ihrer Beschwerde letztlich ausführt: Nach den die Wirkung eines Ausgleichs bzw. Zwangsausgleichs regelnden Bestimmungen der §§ 48 AO und 151 KO können die Rechte der (Konkurs)Gläubiger gegen Bürgen oder Mitschuldner des (Gemein)Schuldners sowie gegen Rückgriffsverpflichtete ohne ausdrückliche Zustimmung der Berechtigten durch den (Zwangs)-Ausgleich nicht beschränkt werden. Davon enthalten die §§ 73 Abs. 2 und 74 AO bzw. 164 Abs. 2 und 164a KO Ausnahmen hinsichtlich der persönlich haftenden Gesellschafter (bzw. gewesenen Gesellschafter) von Handelsgesellschaften. Ein allgemeiner Rechtssatz, der auch auf Geschäftsführer von Gesellschaften mit beschränkter Haftung als Rückgriffsverpflichtete angewendet werden könnte, kann daraus nicht abgeleitet werden. Überdies käme dies einer betragsmäßigen Beschränkung der Beitragshaftung auf die Ausgleichsquote gleich: Demgegenüber sind die von den Beitragsschuldnern "zu entrichtenden Beiträge" im Sinne des § 67 Abs. 10 ASVG jene im Sinne des § 58 Abs. 2 ASVG und nicht etwa nur eine (restliche) Beitragsschuld, die sich im Zuge der Erfüllung eines gerichtlichen Ausgleiches ergibt (vgl. zu alldem schon das Erkenntnis vom 13. März 1990, Zl. 89/08/0198, und jenes vom 19. März 1991, Zl. 89/08/0321, 0322).
Letztlich versagt aber auch die Verfahrensrüge, wonach die belangte Behörde Vorbringen der Beschwerdeführerin übergangen und sich dadurch mit der Frage ihres Verschuldens nicht auseinandergesetzt habe: Nach der dargelegten verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung ist dieses Verschulden nämlich bis zum Beweis des Gegenteils zu vermuten. Einen solchen Beweis hat die Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren - abgesehen von der Darlegung ihrer vom Verwaltungsgerichtshof nicht geteilten Rechtsauffassung anknüpfend an den Zeitpunkt der Kontensperre - nicht angetreten. Sie hat gar nicht behauptet, die Beiträge für Februar 1993 nach Maßgabe der bis 5. März 1993 zur Verfügung gestandenen Mittel zumindest anteilig befriedigt zu haben. Sie hat auch keine sonstigen Umstände ins Treffen geführt, durch welche sie ohne ihr Verschulden an der rechtzeitigen Beitragsentrichtung gehindert worden wäre.
Die belangte Behörde durfte deshalb von einer schuldhaften Zahlungsverzögerung, welche die Beschwerdeführerin zu verantworten hat, ausgehen.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
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