VwGH 95/06/0262

VwGH95/06/026230.5.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisen der Schriftführerin Mag. König, über die Beschwerde des K in V, vertreten durch Dr. C, Rechtsanwalt in H, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 7. November 1995, Zl. Ve1-550-2353/1-1, betreffend Einwendungen gegen eine Baubewilligung (mitbeteiligte Parteien: 1. R in V, 2. Gemeinde Volders, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §42 Abs1;
AVG §8;
BauO Tir 1989 §29;
BauRallg;
VwRallg;
AVG §42 Abs1;
AVG §8;
BauO Tir 1989 §29;
BauRallg;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Tirol hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 13.010,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem am 4. Jänner 1993 eingebrachten Antrag ersuchte der Beschwerdeführer beim Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde um Erteilung der Baubewilligung für den "Um- und Ausbau des bestehenden Feuerwehrgebäudes". Hierüber wurde vom Bürgermeister für den 15. April 1993 eine Bauverhandlung anberaumt, zu welcher unter anderem die erstmitbeteiligte Partei als Nachbar (in der Folge kurz: Nachbar) unter Hinweis auf die Rechtsfolgen des § 42 AVG geladen wurde. Im Zuge dieser Bauverhandlung brachte dieser Nachbar vor, er sei "mit dem Bauvorhaben einverstanden, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen, TBO und TBV eingehalten werden, soweit die statischen Voraussetzungen für den Umbau gegeben sind". Weiters verlange er, daß die Zufahrt zu einem näher bezeichneten Grundstück jederzeit gegeben sei. Bezüglich der Energieversorgung mit Strom sei eine Vereinbarung zwischen der Gemeinde und ihm abzuschließen. Bezüglich der Wasserversorgung werde darauf hingewiesen, "daß der derzeitige Bestand nur ein Provisorium" sei.

Mit Bescheid vom 7. Juni 1993 erteilte der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde die angestrebte Baubewilligung mit verschiedenen Vorschreibungen.

Dagegen erhob der Nachbar Berufung, weil "mehrere Punkte noch nicht geklärt" seien: Der Kamin an der Ostseite dürfe vom Bauwerber nicht benützt werden, das Abwasser dürfe auf keinen Fall in den Abfluß auf der Ostseite des Kellers abgeleitet werden, die Stromversorgung mit der Gemeinde sei abzuklären und die Abstände nach TBO und TBV seien seines Erachtens nicht eingehalten.

Mit Berufungsbescheid des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Gemeinde vom 11. Mai 1995 wurde diese Berufung als unbegründet "zurückgewiesen" (richtig: abgewiesen), weil das Vorbringen des Nachbarn inhaltlich nicht berechtigt sei (wurde näher ausgeführt).

Dagegen erhob der Nachbar Vorstellung, in der er ausführte, er befürchte, daß es durch das Bauvorhaben "zu Problemen durch die Bewirtschaftung meiner Landwirtschaft kommen könnte. Ich denke hier besonders an die Lärm- und Gestankentwicklung von Schweinestall und Gerätehalle unmittelbar vor dem Fenster des Bauvorhabens". Es mögen folgende Punkte nochmals überprüft werden: "1) TBO und TBV; 2) Autoabstellplätze?;

3) Trinkwasserversorgung; 4) Abänderung des VERWENDUNGSZWECKES (früher Lagerraum der Seilbahnstation - jetzt Wohnung?)".

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde der Vorstellung gemäß § 112 Abs. 5 der Tiroler Gemeindeordnung 1966 Folge gegeben, den bekämpften Berufungsbescheid behoben und die Sache zur neuerlichen Entscheidung an die Berufungsbehörde verwiesen. Begründend wurde nach zusammengefaßter Darstellung des Verfahrensganges und der Rechtsstellung des Nachbarn im Baubewiligungsverfahren ausgeführt, hinsichtlich der Einwendungen in bezug auf die Wasser- und Energieversorgung sowie das Vorliegen von Autoabstellplätzen komme dem Nachbarn kein Mitspracherecht zu. Bezüglich der Frage der Abstandsverletzungen sei der Berufungsbescheid nicht nachvollziehbar. Darin würden § 7 Abs. 12 und § 7 Abs. 3 der Tiroler Bauordnung (TBO) nebeneinander erwähnt. Auf welche gesetzliche Bestimmung sich die Berufungsbehörde konkret beziehe, sei jedoch nicht erkennbar. § 7 Abs. 12 TBO sei zudem nur dann anwendbar, wenn ein Umbau ohne Verwendungszweckänderung stattfinde. Vorliegendenfalls werde jedoch nach dem Vorbringen in der Vorstellung ein ursprünglich als Lagerraum benützter Raum einer Seilbahnstation als Wohnung umgebaut. Das würde auch bedeuten, daß eine Verwendungszweckänderung stattgefunden hätte und auch der Umbau entgegen den Bestimmungen des Flächenwidmungsplanes genehmigt worden sei, weil gemäß § 42 Abs. 2 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 1994 (TROG) Umbauten im Freiland, sofern es sich nicht um land- und forstwirtschaftliche Gebäude handle, nur dann zulässig seien, wenn der Verwendungszweck nicht geändert werde. Das Gebäude befinde sich laut Befund in der Verhandlungsniederschrift vom 15. April 1993 "offenbar im Freiland". Hinsichtlich der Bestimmung des § 7 Abs. 13 TBO sei darauf zu verweisen, "daß bei Vorliegen eines erhaltenswerten Baubestandes und eine Bewahrung dieses erhaltenswerten Baubestandes durch das Bauvorhaben" zwar eine Verwendungszweckänderung zulässig sei, diesfalls jedoch keinerlei Gutachten vorlägen. Abgesehen davon würde dieser Änderung dieses Verwendungszweckes ebenso die Bestimmung des § 42 Abs. 2 TROG entgegenstehen.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, dem Vorbringen zufolge wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid "insofern in seinen Rechten verletzt, als ein bereits im Jahre 1993 ergangener Bewilligungsbescheid aufgehoben und daher in den Anspruch des Beschwerdeführers auf Bewilligung eines konsensfähigen Bauvorhabens eingegriffen wurde".

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die belangte Behörde hat zutreffend ausgeführt, daß das Mitspracherecht des Nachbarn im Baubewilligungsverfahren nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in zweifacher Weise beschränkt ist: Es besteht einerseits nur insoweit, als den Nachbarn nach den in Betracht kommenden baurechtlichen Vorschriften subjektiv-öffentliche Rechte zukommen, und andererseits nur in jenem Umfang, in dem der Nachbar solche Rechte im Verfahren durch die rechtzeitige Erhebung entsprechender Einwendungen wirksam geltend gemacht hat (vgl. dazu das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Dezember 1980, Slg. Nr. 10.317/A, uva.).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dem Begriff der Einwendung die Behauptung einer konkreten Rechtsverletzung immanent. Eine dem Gesetz entsprechende Einwendung liegt also nur dann vor, wenn dem Vorbringen der Partei die Verletzung eines bestimmten Rechtes entnommen werden kann. Insbesondere ist das Vorbringen, keinen Einwand zu erheben, wenn den Bestimmungen der Bauordnung Rechnung getragen wird, keine Einwendung im Rechtssinne (siehe dazu beispielsweise die in Hauer, Tiroler Baurecht2, in E 26 ff zu § 29 TBO wiedergegebene Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes).

Das in der Sachverhaltsdarstellung wiedergegebene Vorbringen der erstmitbeteiligten Partei in der Bauverhandlung ist nicht als Einwendung gemäß § 42 AVG zu qualifizieren; gemäß dieser Gesetzesstelle sind später vorgebrachte Einwendungen unbeachtlich. Eine nach § 42 AVG eingetretene Präklusion ist nämlich für das ganze weitere Verfahren vor der Baubehörde, der Berufungsbehörde, der Aufsichtsbehörde und vor dem Verwaltungsgerichtshof verbindlich (siehe dazu die in Hauer, aaO, in E 39 f wiedergegebene hg. Judikatur).

Daraus folgt, daß die Berufungsbehörde schon deshalb, also im Hinblick auf die eingetretene Präklusion, verhalten gewesen wäre, die Berufung dieses Nachbarn als unbegründet abzuweisen, sodaß die Berufungsentscheidung jedenfalls im Ergebnis zutreffend war. Dem Umstand, daß die Berufungsbehörde das Rechtsmittel als unbegründet "zurückgewiesen" und nicht abgewiesen hat, kommt deswegen keine entscheidende Bedeutung zu, weil es sich hier lediglich um ein Vergreifen im Ausdruck handelt. Aus dem Gesagten folgt aber weiters, daß die belangte Behörde verpflichtet gewesen wäre, die Vorstellung dieses Nachbarn als unbegründet abzuweisen. Dadurch, daß sie ungeachtet der eingetretenen Präklusion der Vorstellung Folge gegeben und den Berufungsbescheid behoben hat, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Mit dem Vorbringen der belangten Behörde in der Gegenschrift, "hinsichtlich der Frage der Präklusion wird darauf verwiesen, daß trotz der nicht ausreichend konkretisierten Einwendungen im Bauverfahren die Entscheidung der Baubehörde letztendlich zu einem widmungswidrigen Bescheid geführt hätte, welcher mit Nichtigkeit bedroht wäre und somit ein Aufgreifen dieser Widmungswidrigkeit gerechtfertigt war", ist für die belangte Behörde nichts zu gewinnen, weil sie den angefochtenen Bescheid ausdrücklich in Stattgebung der Vorstellung gemäß § 112 Abs. 5 der Tiroler Gemeindeordnung 1966 und nicht wegen Nichtigkeit gemäß § 113 leg. cit. aufgehoben hat, wobei der Unterschied insbesondere auch hinsichtlich der verfahrensrechtlichen Stellung dieses Nachbarn im weiteren Verfahren (Mitspracherecht trotz eingetretener Präklusion) relevant wäre.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil zum pauschalierten Schriftsatzaufwand nicht auch noch Umsatzsteuer zuzusprechen ist (siehe dazu die in Dolp, die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, Seite 697 wiedergegebene hg. Judikatur).

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