VwGH 95/06/0208

VwGH95/06/020830.5.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten und Dr. Köhler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. König, über die Beschwerde des A in P, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 7. August 1995, Zl. 870.095/91-VI/12a-94, betreffend Rückübereignung nach dem Bundesstraßengesetz (mitbeteiligte Partei: Bundesstraßenverwaltung, vertreten durch den Landeshauptmann von Kärnten), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §38;
BStG 1971 §20a Abs1;
BStG 1971 §20a;
BStG 1971 §32;
B-VG Art94;
AVG §38;
BStG 1971 §20a Abs1;
BStG 1971 §20a;
BStG 1971 §32;
B-VG Art94;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.860,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit einem am 4. Mai 1992 bei der Kärntner Landesregierung eingelangten Schreiben führte der Bürgermeister der Gemeinde Reichenau aus, im Zuge des Neubaues der Turracher Bundesstraße B 95 seien im Bereich der Ortsumfahrung Patergassen aus einem Grundstück des nunmehrigen Beschwerdeführers Grundflächen in Anspruch genommen und auch abgelöst worden. Eine Teilfläche des abgelösten Grundes, und zwar die nunmehrige Parzelle Nr. n1/2, sei zum Zweck der Zufahrt in die Ortschaft Patergassen und darüber hinaus für einen äußerst großzügig angelegten Autobuswendeplatz der EZ 50000, Öffentliches Gut, Straßen und Wege, zugeschrieben worden. Das Grundstück Parzelle Nr. n1/2 weise derzeit ein Flächenausmaß von 7.316 m2 auf. Da einerseits derartig großzügige Verkehrsflächen nicht benötigt würden, andererseits die Ortschaft Patergassen als Straßendorf zu bezeichnen sei und dringend ein Ortskern geschaffen werden solle, habe die Gemeinde aus ortsplanerischen Erwägungen die Absicht, den für Verkehrsbedürfnisse nicht benötigten Teil des Grundstückes n1/2 in Bauland umzuwidmen und teilweise mit öffentlichen Gebäuden sowie mit Wohnungen und Geschäftsräumlichkeiten zu bebauen. Der Vorbesitzer sei nunmehr der Ansicht, daß er im Falle einer Umwidmung und Bebauung der seinerzeit für Verkehrsbedürfnisse abgelösten Grundflächen Anspruch auf eine wesentlich höhere Grundablöse (Baulandpreis) habe, welche er auch nachfordern wolle. Die Gemeinde sei jedoch der Meinung, daß der Beschwerdeführer aufgrund der eindeutigen Eigentumsverhältnisse keinerlei Anspruch auf weitere Ablösebeträge habe und auf die Entscheidungen der Gemeinde, ob eine Umwidmung und Bebauung stattfinden solle, keinerlei Einfluß mehr nehmen könne. Um diesbezüglich Klarheit zu verschaffen, werde um rasche Erteilung einer Rechtsauskunft gebeten.

In seinem am 10. Februar 1993 beim Amt der Kärntner Landesregierung eingelangten, an den Landeshauptmann von Kärnten gerichteten Antrag führte der Beschwerdeführer aus, aus seinem Eigentum seien Grundflächen im Gesamtausmaß von

13.815 m2 zum Zwecke des Ausbaues der Turracher Bundesstraße zugunsten des öffentlichen Gutes der Republik Österreich (Bundesstraßenverwaltung) mit Bescheid des Landeshauptmannes von Kärnten, Zl. BauR2-248/2/1969, enteignet worden. Für diese Fläche sei dem Beschwerdeführer ein Grundablösebetrag von je

S 14,-- pro Quadratmeter bezahlt worden. Gegenwärtig entspreche ein nicht unwesentlicher Teil der ursprünglich enteigneten Parzelle nicht mehr dem seinerzeitigen Enteignungszweck bzw. der Widmung "Straße", sondern sei in der Natur als Grünfläche bzw. Parkanlage ersichtlich. Darüber hinaus sei beabsichtigt, einen großen Teil dieser auf der neu vermessenen Parzelle Nr. n1/2 genutzten Parkfläche von insgesamt ca. 7.316 m2 rückzubauen und zur Errichtung eines Ortszentrums an die Gemeinde zu übertragen. Jener Teil der gegenständlichen Parzelle, der zweckwidrig verwendet werde, sei in der Natur ersichtlich und sei etwa im Ausmaß von 5.000 m2 der ursprünglich im Eigentum des Beschwerdeführers stehenden Fläche zuzuordnen. Der Beschwerdeführer stelle daher gemäß § 20a des Bundesstraßengesetzes den Antrag, 1. jene Teile des Enteignungsgegenstandes, Parz. n1/2, die in zweckwidriger Weise verwendet wurden bzw. werden, neu vermessen zu lassen und

2. die bescheidmäßige Rückübereignung des ursprünglich im Eigentum des Beschwerdeführers befindlichen Flächenanteiles an den Beschwerdeführer auszusprechen, für welchen Fall sich der Beschwerdeführer verpflichte, den als Entschädigung in Empfang genommen Betrag von S 14,-- pro Quadratmeter zurückzubezahlen.

Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Kärnten vom 25. Mai 1993 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Rückübereignung von Teilflächen des Grundstückes Nr. n1/2 abgewiesen. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, mit Bescheid vom 19. Februar 1970 seien aus der Liegenschaft des Beschwerdeführers zum Zwecke des Ausbaues der Turracher Straße 95 insgesamt 13.860 m2 abgelöst worden. Im Jahr 1975 sei die katastrale Endvermessung erfolgt, in deren Zuge die für den Postbus vorgesehenen Flächen von 6.593 m2 mit Beschluß des Bezirksgerichtes Feldkirchen in Kärnten vom 2. Mai 1975 dem öffentlichen Gut der Gemeinde Reichenau grundbücherlich zugeschrieben worden seien. Mit der Bundesstraßengesetznovelle 1983 seien in das Bundesstraßengesetz Rückübereignungsvorschriften (§ 20a) aufgenommen worden, wobei Art. II Z. 3 bestimmt habe, daß Rückübereignungen auch auf Enteignungen anzuwenden seien, die vor Inkrafttreten der Novelle durchgeführt wurden. Art. II Z. 3 der Bundesstraßengesetznovelle 1983 sei sodann durch Art. II der Bundesstraßengesetznovelle 1986 abgeändert worden; die Bestimmungen des § 20a des Bundesstraßengesetzes seien demnach auch auf Enteignungen anzuwenden, die vor Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes durchgeführt wurden, wenn dem Bund zum Zeitpunkt der Antragstellung nach § 20a Abs. 1 noch die rechtliche Verfügungsgewalt hinsichtlich des Enteignungsgegenstandes zukomme. Die in dieser Bestimmung angeführten Fristen begännen am 1. April 1983. Die gegenständlichen Flächen seien im Jahr 1975 in das bücherliche Eigentum der Gemeinde Reichenau übergegangen, die Republik Österreich (Bundesstraßenverwaltung) habe über diese seinerzeit abgelösten Teilflächen weder eine tatsächliche noch eine rechtliche Verfügungsgewalt.

Mit einer Eingabe vom 6. April 1993 habe der Beschwerdeführer vorgebracht, daß eine grundbücherliche Zuschreibung des öffentlichen Gutes an die Gemeinde Reichenau nicht erfolgt sei. Die Rechtsfrage des Eigentumes und der Verfügungsberechtigung hinsichtlich des öffentlichen Gutes könne nur in Zusammenschau mit den Bestimmungen des Straßenrechtes, des allgemeinen Grundbuchsanlegungsgesetzes und des Liegenschaftsteilungsgesetzes gelöst werden. Der Landeshauptmann von Kärnten sei zu dem Schluß gekommen, daß bei Grundstücken wie dem verfahrensgegenständlichen die unter EZ n2, Öffentliches Gut, einverleibt seien, die Verwaltungs- bzw. Verfügungsgewalt von den einzelnen Gemeinden ausgeübt werde, im gegenständlichen Fall von der Gemeinde Reichenau. Die Straßenverwaltung sei nicht berechtigt, vom Gutsbestand dieser Einlage eine Abschreibung von Grundflächen zu veranlassen oder durchzuführen. Bei dieser Sach- und Rechtslage seien die Voraussetzungen für eine Rückübereignung im Sinne des § 20a des Bundesstraßengesetzes 1971 in der derzeit geltenden Fassung nicht gegeben.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung führte der Beschwerdeführer aus, es sei zwar richtig, daß die EZ 50000 österreichweit für öffentliches Gut, welches von den Gemeinden verwaltet werde, herangezogen werde, doch könne daraus keinesfalls der Rückschluß gezogen werden, daß diese Grundstücke eigentumsrechtlich ausschließlich diesen Gebietskörperschaften zugeordnet würden. Hiezu wäre nämlich eine eigene Antragstellung gemäß § 12 Abs. 1 des Allgemeinen Grundbuchsanlegungsgesetzes erforderlich. Überdies fehle jeglicher rechtsgeschäftliche Nachweis für eine Eigentumsübertragung der zum Zwecke des Ausbaues der Turracher Bundesstraße enteigneten Flächen an die Gemeinde Reichenau, weshalb auch aus diesen Erwägungen vom Mangel des Eigentumsrechtes der Gemeinde Reichenau in bezug auf das strittige Grundstück auszugehen sei. Dies nicht zuletzt deshalb, weil eine titellose Weitergabe der ausschließlich zum Zwecke des Ausbaues der Turracher Bundesstraße enteigneten Grundstücksflächen ein unzulässiges abstraktes Rechtsgeschäft darstelle und darüber hinaus dem verfassungsrechtlich gewährleisteten Grundrecht auf Eigentum massiv widerstreben würde. Es sei daher davon auszugehen, daß nach wie vor die tatsächliche und auch rechtliche Verfügungsgewalt der Republik Österreich in bezug auf den betreffenden Teil des Enteignungsgegenstandes (nunmehr Grundstück Nr. n1/2) bestehe, dessen Größe von einem Sachverständigen aus dem Vermessungswesen exakt vermessen werden könne, zumal die zweckwidrige Verwendung in der Natur klar ersichtlich sei. Demzufolge habe der Landeshauptmann von Kärnten als Bundesstraßenbehörde erster Instanz verkannt, daß die Voraussetzungen für eine Rückübereignung im Sinne des § 20a des Bundesstraßengesetzes 1971, insbesondere unter Bedachtnahme auf Art. II der Bundesstraßengesetznovelle 1986/165, vorlägen, weshalb der erstinstanzliche Bescheid mit materieller Rechtswidrigkeit behaftet sei.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 7. August 1995 wurde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Kärnten vom 25. Mai 1993 gemäß Art. 94 B-VG sowie § 66 Abs. 4 AVG im Zusammenhalt mit § 20a des Bundesstraßengesetzes 1971 zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, eine Entscheidung der Bundesstraßenbehörde zweiter Instanz, ob nunmehr ein Rückübereignungsanspruch gemäß § 20a des Bundesstraßengesetzes gegeben sei oder nicht, setze zwingend die Klärung der Eigentumsverhältnisse an der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft voraus. Eine Prüfung, in wessen Eigentum eine verfahrensgegenständliche Liegenschaft stehe, könne unter Hinweis auf Art. 94 B-VG nicht Aufgabe einer Verwaltungsbehörde sein, sondern sei von den ordentlichen Gerichten durchzuführen. Es sei daher spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

Die Behandlung der gegen diesen Bescheid eingebrachten Beschwerde hat der Verfassungsgerichtshof mit Beschluß vom 11. Oktober 1995, B 2900/95-3, abgelehnt und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

In der über Aufforderung des Verwaltungsgerichtshofes ergänzten Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und auf die Erstattung einer Gegenschrift verzichtet. Die Bundesstraßenverwaltung, vertreten durch den Landeshauptmann von Kärnten als mitbeteiligte Partei, hat eine Gegenschrift eingebracht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gegenstand der Überprüfungsbefugnis durch den Verwaltungsgerichtshof ist im vorliegenden Fall ausschließlich die Frage, ob die belangte Behörde zu Recht die Berufung des Beschwerdeführers als unzulässig zurückgewiesen hat.

Gemäß § 66 Abs. 4 AVG hat die Berufungsbehörde außer bei Vorliegen des im Abs. 2 erwähnten Falles, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung (§ 60) ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

Die Zurückweisung einer Berufung ist ein im Instanzenzug anfechtbarer, verfahrensrechtlicher Bescheid.

Gemäß § 20a Abs. 1 des Bundesstraßengesetzes 1971, BGBl. Nr. 286, in der Fassung der Novellen 1983, BGBl. Nr. 63, und 1986, BGBl. Nr. 165, kann der Enteignete die bescheidmäßige Rückübereignung des Enteignungsgegenstandes bzw. dessen Teiles bei der Behörde beantragen, die unter sinngemäßer Anwendung der im Enteignungsverfahren zu beachtenden Bestimmungen (§ 20) zu entscheiden hat. Dieser Anspruch ist vererblich und veräußerlich. Die Bestimmungen des § 20a des Bundesstraßengesetzes 1971 sind auch auf Enteignungen anzuwenden, die vor Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes durchgeführt wurden, wenn dem Bund zum Zeitpunkt der Antragstellung nach § 20a Abs. 1 noch die rechtliche Verfügungsgewalt hinsichtlich des Enteignungsgegenstandes zukommt. Die in dieser Bestimmung angeführten Fristen beginnen mit 1. April 1983.

Aus dieser Bestimmung in Verbindung mit § 32 des Bundesstraßengesetzes 1971 ergibt sich zunächst eindeutig, daß über Rückübereignungen Verwaltungsbehörden zu entscheiden haben.

Ist, wie im vorliegenden Fall, zu klären, ob dem Bund zum Zeitpunkt der Antragstellung gemäß § 20a Abs. 1 des Bundesstraßengesetzes durch den Beschwerdeführer (am 10. Februar 1993) noch die rechtliche Verfügungsgewalt hinsichtlich des ursprünglichen Enteignungsgegenstandes zugekommen ist, so hat die Verwaltungsbehörde diese zivilrechtliche Frage - sofern die Voraussetzungen für eine Aussetzung des Verfahrens nach § 38 AVG letzter Satz nicht vorliegen - selbst zu lösen.

Da im vorliegenden Fall die belangte Behörde zur Entscheidung über die Berufung des Beschwerdeführers zuständig war (§ 32 lit. b BStG 1971) und keine Gründe für die Zurückweisung der Berufung vorlagen, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes.

Die Beschwerde erwies sich somit als begründet, weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

Das Mehrbegehren war abzuweisen, da der Beschwerdeführer im verwaltungsgerichtlichen Verfahren keinen Anspruch auf Ersatz der ihm durch die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erwachsenen Aufwendungen für Stempelgebühren hat.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte