VwGH 95/06/0171

VwGH95/06/017127.6.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten und Dr. Köhler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. König, über die Beschwerde des A in W, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in H, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 3. Juli 1995, Zl. 03-12.10 R 12-95/6, betreffend Zurückweisung einer Vorstellung in einer Bauangelegenheit (mitbeteiligte Partei: Gemeinde R, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §61 Abs4;
B-VG Art119a Abs3;
B-VG Art119a Abs5;
EGVG 2008 Art2 Abs2;
GdO Stmk 1967 §93 Abs2;
GdO Stmk 1967 §94 Abs2;
VwRallg;
AVG §61 Abs4;
B-VG Art119a Abs3;
B-VG Art119a Abs5;
EGVG 2008 Art2 Abs2;
GdO Stmk 1967 §93 Abs2;
GdO Stmk 1967 §94 Abs2;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Steiermark hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Partei vom 15. November 1994 wurde der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Partei vom 12. Oktober 1990 betreffend die Erteilung einer Baubewilligung keine Folge gegeben. Dieser Berufungsbescheid wurde dem Vertreter des Beschwerdeführers laut Übernahmsbestätigung auf dem Rückschein am 23. November 1994 zustellt.

Dieser Bescheid enthielt folgende Rechtsmittelbelehrung:

"Gegen diesen Bescheid ist eine Berufung unzulässig. Gemäß § 94 der Gemeindeordnung 1967, in der derzeit geltenden Fassung, kann jedoch gegen diesen Bescheid binnen zwei Wochen, gerechnet vom Tage der Zustellung schriftlich oder telegrafisch beim Gemeindeamt R die Vorstellung beim Amt der Stmk. Landesregierung erhoben werden."

Mit Schriftsatz vom 6. Dezember 1994, der an das Amt der Steiermärkischen Landesregierung adressiert war und am 7. Dezember 1994 zur Post gegeben wurde, erhob der Beschwerdeführer dagegen Vorstellung.

Im Vorstellungsverfahren wurde der Beschwerdeführer zur Frage der Rechtzeitigkeit der Erhebung der Vorstellung befragt und führte dazu aus, daß aus der Rechtsmittelbelehrung des Berufungsbescheides hervorgehe, diese könne beim Amt der Steiermärkischen Landesregierung erhoben werden. Gemäß § 94 Stmk. Gemeindeordnung 1967 sei die Vorstellung zwar bei der zuständigen Gemeinde einzubringen. Unter Heranziehung des § 61 Abs. 4 AVG sei davon auszugehen, daß aufgrund der angeführten Rechtsmittelbelehrung die Einbringung der Vorstellung auch beim Amt der Steiermärkischen Landesregierung richtig und fristgerecht erfolgt sei. Auch die belangte Behörde gehe in ihrem Schreiben vom 31. Jänner 1995 davon aus, daß die Rechtsmittelbelehrung unklar formuliert sei.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Vorstellung als verspätet zurückgewiesen. Obwohl die Rechtsmittelbelehrung im Berufungsbescheid etwas unklar formuliert gewesen sei, habe ihr dennoch entnommen werden können, daß die Vorstellung beim Gemeindeamt der mitbeteiligten Partei einzubringen gewesen wäre. Weiters sei davon auszugehen, daß ein Rechtsanwalt gerade im Umgang mit Rechtsmittelbelehrungen derart erfahren sei, daß für ihn die Einbringungsstelle klar ersichtlich sei. Sofern sich der Vertreter des Beschwerdeführers auf § 61 Abs. 4 AVG berufe, sei ihm entgegenzuhalten, daß der Bescheid sehr wohl eine Angabe, die auch richtig sei, enthalte, bei welcher Behörde das Rechtsmittel einzubringen sei. Sehe die Gemeindeordnung die Einbringung der Vorstellung bei der Gemeinde vor, so sei nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes eine bei der Aufsichtsbehörde selbst eingebrachte Vorstellung bei der unrichtigen Einbringungsstelle erhoben. Die Rechtsmittelfrist sei daher nicht gewahrt. Die Tage des Postenlaufes würden nur dann nicht eingerechnet, wenn das Schriftstück mit der Post an die zuständige Stelle gesendet worden sei.

In der dagegen erhobenen Beschwerde wird die Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht.

Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, die Verwaltungsakten vorgelegt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 94 Abs. 1 Stmk. Gemeindeordnung 1967, LGBl. Nr. 115 in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 14/1976, kann, wer durch den Bescheid eines Gemeindeorganes in einer Angelegenheit des eigenen Wirkungsbereiches im Bereiche der Landesvollziehung in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet, nach Erschöpfung des Instanzenzuges innerhalb von zwei Wochen nach Erlassung des Bescheides dagegen Vorstellung erheben. § 94 Abs. 2 Gemeindeordnung 1967 in der Fassung der Novelle

LGBl. Nr. 9/1973 lautet wie folgt:

"(2) Die Vorstellung ist schriftlich oder telegrafisch bei der Gemeinde einzubringen; sie hat den Bescheid zu bezeichnen, gegen den sie sich richtet und einen begründeten Antrag zu enthalten. Die Gemeinde hat die Vorstellung unverzüglich, spätestens jedoch einen Monat nach ihrem Einlangen unter Anschluß der Verwaltungsakten der Aufsichtsbehörde vorzulegen. Es steht der Gemeinde frei, eine Äußerung zur Begründung des Vorstellungsantrages anzuschließen."

Gemäß § 61 Abs. 4 AVG ist, wenn der Bescheid keine oder eine unrichtige Angabe über die Behörde enthält, bei der das Rechtsmittel einzubringen ist, das Rechtsmittel auch dann richtig eingebracht, wenn es bei der Behörde, die den Bescheid ausgefertigt hat oder bei der angegebenen Behörde eingebracht wurde.

Der Beschwerdeführer macht geltend, aus der Rechtsmittelbelehrung des Berufungsbescheides des Gemeinderates der mitbeteiligten Partei ergebe sich, daß die Vorstellung auch beim Amt der Steiermärkischen Landesregierung erhoben werden könne. Unter Heranziehung des § 61 Abs. 4 AVG sei daher davon auszugehen, daß die Vorstellung richtig und fristgerecht bei der im Berufungsbescheid angegebenen Behörde eingebracht worden sei. Die belangte Behörde sei im angefochtenen Bescheid selbst der Auffassung, daß die Rechtsmittelbelehrung unklar formuliert worden sei. Die Rechtsmittelbelehrung des erstinstanzlichen Bescheides sei geradezu geeignet gewesen, einen Irrtum über die Einbringungsstelle für die Vorstellung herbeizuführen.

Gemäß § 93 Abs. 2 Stmk. Gemeindeordnung 1967 hat jeder letztinstanzliche Bescheid eines Gemeindeorganes in Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches einen Hinweis auf die Vorstellung und eine Belehrung über deren Einbringung im Sinne des § 94 Abs. 1 und 2 zu enthalten. Gemäß § 94 Abs. 2 leg. cit. ist die Vorstellung schriftlich oder telegraphisch bei der Gemeinde einzubringen. Insbesondere im Hinblick darauf, daß die vorliegende Gemeindeordnung eine Regelung betreffend die Rechtsmittelbelehrung über die Einbringung der Vorstellung enthält, die Gemeindeordnung selbst zur Problematik der unrichtigen Rechtsmittelbelehrung keine Regelung trifft, und die Aufsichtsbehörden im Sinne des Art. 119a Abs. 3 zweiter Satz B-VG als Behörden der allgemeinen staatlichen Verwaltung gemäß Art. II Abs. 2 EGVG grundsätzlich das AVG anzuwenden haben, ist im vorliegenden Fall § 61 Abs. 4 AVG analog anzuwenden (vgl. insbesondere das hg. Erkenntnis vom 6. Mai 1968, Slg. Nr. 7345/A, aber auch das hg. Erkenntnis vom 22. September 1992, Zl. 92/05/0091, i.Z.m. der Anwendung des § 61 Abs. 5 AVG im aufsichtsbehördlichen Verfahren).

Gemäß der hg. Judikatur zu § 61 Abs. 4 AVG (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. März 1965, Zl. 506/64, unter Berufung auf das hg. Erkenntnis vom 19. März 1934, Slg. Nr. 17.920/A) muß die Rechtsmittelbelehrung klar erkennen lassen, bei welcher Behörde das Rechtsmittel einzubringen ist. Nach den hg. Erkenntnissen vom 7. Februar 1952, Slg. Nr. 2446/A, und vom 6. Mai 1968, Slg. Nr. 7345/A, muß die Rechtsmittelbelehrung, um der gesetzlichen Vorschrift zu genügen und als "richtig" angesehen werden zu können, so klar und eindeutig sein, daß sie auch von Parteien, die mit den Verfahrensvorschriften nicht vertraut sind, ohne weiters verstanden werden kann. Die Rechsmittelbelehrung darf dem zuletzt angeführten Erkenntnis zufolge auch nicht so gefaßt werden, daß die objektive Möglichkeit einer Irreführung gegeben ist. In diesem Sinne wurde die Rechtsmittelbelehrung, daß gegen den Bescheid "das schriftlich oder telegraphisch einzubringende Rechtsmittel an das BM f. soz.V. im Wege des M.B.A. 6/7 gemäß § 63 AVG zulässig" sei, als nicht klar und eindeutig und somit als unrichtig im Sinne des § 61 Abs. 4 AVG beurteilt (siehe das zitierte hg. Erkenntnis Slg. Nr. 2446/A). Auch die Rechtsmittelbelehrung, gegen den Bescheid sei "gemäß § 73 Abs. 1 und 2 Gemeindeordnung 1959 ... Vorstellung an die Landesregierung, die bei diesem Amte binnen zwei Wochen, ..., einzubringen ist ..., zulässig", wurde als nicht klar und eindeutig in dem dargelegten Sinne angesehen (vgl. das zitierte hg. Erkenntnis Slg. Nr. 7345/A). Eine diffizile Unterscheidung zwischen dem Wort "diesem" und jenem", mit der die belangte Behörde ihre Auffassung zu verteidigen suche, liege nach hg. Auffassung in diesem Erkenntnis außerhalb des Bereiches jener Überlegungen, "die bei der Lektüre einer Rechtsmittelbelehrung anzustellen, von der Partei eines Verwaltungsverfahrens erwartet werden dürfen". Nach diesem Erkenntnis könne die Klarheit und Eindeutigkeit der Formulierung einer Rechtsmittelbelehrung auch nicht mit zweierlei Maß gemessen werden, je nachdem, ob die durch diese Belehrung angesprochene Partei rechtsfreundlich vertreten sei oder nicht.

Im hg. Erkenntnis vom 22. März 1965, Zl. 506/64, sah der Verwaltungsgerichtshof die Rechtsmittelbelehrung, gegen den Bescheid könne "die schriftliche oder telegraphische, ha. einzubringende Berufung an die Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung erhoben werden", als unrichtige, weil nicht eindeutige Rechtsmittelbelehrung über die Einbringungsstelle an.

Die vorliegende Rechtsmittelbelehrung, die davon spricht, "daß beim Gemeindeamt R Vorstellung beim Amt der Stmk. Landesregierung erhoben werden kann", muß im Sinne dieser Judikatur als unrichtig gemäß § 61 Abs. 4 AVG qualifiziert werden, da aus dieser Rechtsmittelbelehrung nicht eindeutig und klar hervorgeht, daß die Vorstellung ausschließlich bei der Gemeinde einzubringen ist. Auch der Wortlaut der angeführten Rechtsmittelbelehrung war so gefaßt, daß die objektive Möglichkeit einer Irreführung gegeben war. Für den Maßstab einer allfälligen Irreführung durch eine Rechtsmittelbelehrung ist entscheidend, ob sie sich für einen juristischen Laien bzw. eine mit den Verfahrensvorschriften nicht so vertraute Person als irreführend darstellt. Auch die diffizile Überlegung, die zweite Verwendung des Wortes "beim" vor den Worten "Amt der Stmk. Landesregierung" sei dahin zu verstehen, daß dies im Sinne von "an" gemeint sein mußte, lag im Sinne des angeführten hg. Erkenntnisses Slg. Nr. 7345/A "außerhalb des Bereiches jener Überlegungen, die bei der Lektüre einer Rechtsmittelbelehrung anzustellen, von der Partei eines Verwaltungsverfahrens erwartet werden dürfen", zumal auch die Verwendung des Ausdruckes "Amt der Stmk. Landesregierung" gegen eine solche Deutung spricht, da die für die Entscheidung über die Vorstellung zuständige Behörde die Stmk. Landesregierung und nicht das Amt der Stmk. Landesregierung ist. Die Einbringung der Vorstellung durch den Beschwerdeführer bei der Steiermärkischen Landesregierung war daher als richtige Einbringung im Sinne des § 61 Abs. 4 AVG zu beurteilen. Da diese Einbringung (konkret die Aufgabe der Vorstellung bei der Post) innerhalb der Frist zur Erhebung der Vorstellung erfolgte, wurde diese auch rechtzeitig erhoben. Die belangte Behörde hat daher zu Unrecht die Verspätung der verfahrensgegenständlichen Vorstellung angenommen.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren war abzuweisen, da einerseits Schriftsatzaufwand nur in der Höhe des in der angeführten Verordnung angeführten Pauschalbetrages zusteht und weiters Stempelgebührenersatz für Schriftsätze nur gewährt wird, soweit die Stempelgebühren zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung erforderlich sind. Die Vorlage des erstinstanzlichen Bescheides und der Stellungnahme des Beschwerdeführers im Vorstellungsverfahren zur Frage der Rechtzeitigkeit der Vorstellung waren im Hinblick auf die Vorlage des gesamten Verwaltungsaktes nicht erforderlich.

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