VwGH 95/04/0201

VwGH95/04/020121.5.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Gruber, Dr. Stöberl und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Marihart, über die Beschwerde der P-Gesellschaft m.b.H. in S, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Salzburg vom 22. August 1995, Zl. 5/01-1039/1-1995, betreffend Entziehung der Gewerbeberechtigung, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §39 Abs2;
GewO 1994 §91 Abs2;
ZustG §25 Abs1;
AVG §39 Abs2;
GewO 1994 §91 Abs2;
ZustG §25 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.800,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem Bescheid vom 22. August 1995 entzog der Landeshauptmann von Salzburg der Beschwerdeführerin im Instanzenzug gemäß § 91 Abs. 2 GewO 1994 die auf "Herrenkleidermacher" lautende Gewerbeberechtigung am Standort Salzburg, X 114. In der Begründung dieses Bescheides führte der Landeshauptmann aus, nach den Feststellungen der Erstbehörde sei mit Beschluß des Landesgerichtes Salzburg vom 13. September 1994 der Antrag auf Konkurseröffnung über das Vermögen des H, der als Gesellschafter und Geschäftsführer der Beschwerdeführerin fungiere und dem demnach ein maßgebender Einfluß auf den Geschäftsbetrieb zukomme, abgewiesen worden. Mit Schreiben vom 31. Mai 1995 sei die Beschwerdeführerin im Sinne des § 91 Abs. 2 GewO 1994 aufgefordert worden, diesen aus der Firma zu entfernen. Da dies innerhalb der gesetzten Frist von vier Monaten nicht geschehen sei, sei die Erstbehörde verpflichtet gewesen, ein Entziehungsverfahren durchzuführen. In der Berufung gegen den erstbehördlichen Bescheid werde gerügt, die Erstbehörde habe die von ihr laut Begründung des erstbehördlichen Bescheides mit Schreiben vom 31. Mai 1995 gesetzte Frist nicht eingehalten, da der Erledigungsentwurf des angefochtenen Bescheides mit 20. Juli 1995 konzipiert sei. Diesem Berufungsvorbringen komme trotz der mißverständlichen Formulierung der Begründung des erstbehördlichen Bescheides deshalb keine Berechtigung zu, da die Entfernung des Geschäftsführers nicht mit Schreiben vom 31. Mai 1995, sondern bereits mit dem durch öffentliche Bekanntmachung gemäß § 25 des Zustellgesetzes rechtswirksam am 26. Jänner 1995 zugestellten Schreiben vom 30. November 1994 gesetzt worden sei. Der Landeshauptmann erblicke in der von der ersten Instanz gewählten Form der Zustellung des maßgeblichen Schriftstückes vom 30. November 1994 keine Rechtswidrigkeit. H sei weiter als Geschäftsführer der Beschwerdeführerin eingetragen und folglich nicht entfernt worden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin nach ihrem gesamten Vorbringen in dem Recht auf Ausübung der in Rede stehenden Gewerbeberechtigung verletzt. In Ausführung des so zu verstehenden Beschwerdepunktes rügt die Beschwerdeführerin die Meinung der belangten Behörde, die Zustellung des Schreibens vom 30. November 1994 im Wege der öffentlichen Bekanntmachung sei nicht rechtswidrig gewesen. Denn nach § 25 Abs. 1 ZustellG sei diese nur zulässig, wenn eine Abgabestelle unbekannt und nicht gemäß § 8 ZustellG vorzugehen sei. Die Beschwerdeführerin sei jedoch seit Eintragung in das Firmenbuch am 14. August 1993 an der Anschrift Salzburg, X, angesiedelt. Diese "Zustelladresse" sei auch zum Zeitpunkt der öffentlichen Bekanntmachung "zustellfähig" gewesen. Es habe daher tatsächlich die viermonatige Frist zur Entfernung des Geschäftsführers erst mit der Zustellung des Schreibens vom 31. Mai 1995 zu laufen begonnen. Der erstbehördliche Bescheid sei aber bereits vor Ablauf dieser Frist ergangen.

Gemäß § 91 Abs. 2 GewO 1994 hat die Behörde (§ 361), wenn der Gewerbetreibende eine juristische Person oder eine Personengesellschaft des Handelsrechtes ist und sich die im § 87 angeführten Entziehungsgründe sinngemäß auf eine natürliche Person, der ein maßgebender Einfluß auf den Betrieb der Geschäfte zusteht, dem Gewerbetreibenden eine Frist bekanntzugeben, innerhalb der der Gewerbetreibende diese Person zu entfernen hat. Hat der Gewerbetreibende die genannte natürliche Person innerhalb der gesetzten Frist nicht entfernt, so hat die Behörde im Falle, daß der Gewerbetreibende der Gewerbeinhaber ist, die Gewerbeberechtigung zu entziehen und im Falle, daß der Gewerbetreibende der Pächter ist, die Übertragung der Ausübung des Gewerbes an den Pächter zu widerrufen.

Gemäß § 25 Abs. 1 ZustellG können Zustellungen an Personen, deren Abgabestelle unbekannt ist, oder an eine Mehrheit von Personen, die der Behörde nicht bekannt sind, wenn es sich nicht um ein Strafverfahren handelt, kein Zustellbevollmächtigter bestellt ist und nicht gemäß § 8 ZustellG vorzugehen ist, durch Anschlag an der Amtstafel, daß ein zuzustellendes Schriftstück bei der Behörde liegt, vorgenommen werden. Findet sich der Empfänger zur Empfangnahme des Schriftstückes (§ 24 ZustellG) nicht ein, so gilt, wenn gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, die Zustellung als bewirkt, wenn seit dem Anschlag an der Amtstafel der Behörde zwei Wochen verstrichen sind.

Im vorliegenden Fall forderte die Erstbehörde die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 30. November 1994 auf, H innerhalb von vier Monaten ab Zustellung dieses Schreibens als Geschäftsführer bzw. Gesellschafter aus dem Unternehmen zu entfernen, widrigenfalls gemäß § 87 GewO 1994 ein Entziehungsverfahren eingeleitet werde. Dieses Schreiben wurde an die Beschwerdeführerin an ihre Anschrift Salzburg, X 114, gesendet. Die Sendung langte jedoch mit dem Vermerk des Zustellers "Empfänger verzogen" an die Erstbehörde zurück. In diesem Zeitpunkt lag der Erstbehörde ein die Beschwerdeführerin betreffender Auszug aus dem Firmenbuch vor, in dem die "Geschäftsanschrift" mit der genannten Adresse angegeben ist. Aus dem Firmenbuch ergibt sich ferner, daß für die Beschwerdeführerin neben H noch zwei weitere Geschäftsführer und zwei Prokuristen bestellt sind, wobei die beiden letzteren zur selbständigen Vertretung befugt sind. Außerdem ergibt sich aus dem Firmenbuch, daß neben H noch eine weitere Person Gesellschafter der Beschwerdeführerin ist.

Mit Schreiben vom 6. Dezember 1994 ersuchte die Erstbehörde die "Magistratsdirektion-Zentralverwaltung" um Erhebungen darüber, ob der Betrieb der Beschwerdeführerin noch unverändert ausgeübt werde, wenn nicht, welches der neue Standort sei, und wenn der Betrieb eingestellt sei, seit wann er eingestellt sei.

Die Antwort auf diese Fragen lautete: "Der Betrieb ist laut Angaben des Gewerbeinhabers wegen eines Konkurses seit ca. 1 Jahr eingestellt."

Nach Einlangen dieser Antwort verfügte die Erstbehörde die Zustellung des Schreibens vom 30. November 1994 durch öffentliche Bekanntmachung gemäß § 25 ZustellG.

Da mit einer Zustellung für die Partei in der Regel weitreichende Rechtsfolgen, insbesondere der Beginn von Fristen, verbunden ist, ist die Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung als ein Ausnahmefall zu betrachten. Der Verwaltungsgerichtshof hat daher in seiner Rechtsprechung klargestellt, daß eine Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung voraussetzt, daß die Behörde alle ihr zu Gebote stehenden Mittel für die Ermittlung der Abgabestelle und die ihr nach den Umständen zumutbaren amtswegigen Ermittlungen zu deren Erforschung ausgeschöpft hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 8. März 1983, Slg. N. F. Nr. 10.993/A). Das ist im vorliegenden Fall schon deshalb nicht geschehen, weil die Auskunft der Magistratsdirektion-Zentralverwaltung über die Einstellung des Betriebes des Unternehmens der Beschwerdeführerin wegen eines Konkurses über den Sitz der Beschwerdeführerin nichts aussagt. Selbst wenn die Behörde vermeinte, keinen Grund zu haben, an der Richtigkeit der Auskunft des Zustellers zu zweifeln, hätte sie weitere Erhebungen zur Feststellung der nunmehrigen Anschrift und damit der aktuellen Abgabestelle der Beschwerdeführerin durchführen müssen. Dazu bot sich insbesondere die Ausforschung und entsprechende Befragung der im Firmenbuch als Gesellschafter, Geschäftsführer oder Prokuristen der Beschwerdeführerin eingetragenen Personen an. Solange nicht feststand, daß auch auf diesem Weg eine Abgabestelle der Beschwerdeführerin nicht ermittelt werden kann, waren entsprechend der oben dargestellten Rechtslage die Voraussetzungen für eine Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung nach § 25 Abs. 1 ZustellG nicht erfüllt. Die von der Erstbehörde dennoch angeordnete Zustellung auf diesem Weg vermochte daher eine rechtswirksame Zustellung des Schreibens vom 30. November 1994 mit der Aufforderung, H als Geschäftsführer innerhalb einer Frist von vier Monaten zu entfernen, nicht zu begründen.

Wurde aber solcherart die Beschwerdeführerin bisher noch nicht im Sinne des § 91 Abs. 2 GewO 1994 wirksam aufgefordert, H innerhalb einer gesetzten Frist zu entfernen, so sind damit auch die im § 91 Abs. 2 leg. cit. genannten Tatbestandsvoraussetzungen für die Entziehung des Gewerbes noch nicht erfüllt.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Stempelgebührenaufwand betreffende Mehrbegehren war abzuweisen, da die Beschwerde nur in zweifacher Ausfertigung einzubringen und ihr nur eine Abschrift des angefochtenen Bescheides anzuschließen war.

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