VwGH 95/02/0487

VwGH95/02/048729.3.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Stoll, Dr. Riedinger, Dr. Holeschofsky und Dr. Beck als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schwarzgruber, über die Beschwerde des S in W, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Burgenland vom 18. September 1995, Zl. E 13/02/95.055/1, betreffend Schubhaft, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §45 Abs2;
FrG 1993 §41 Abs2;
FrG 1993 §45 Abs1;
FrG 1993 §48 Abs1;
FrG 1993 §48 Abs2;
FrG 1993 §48 Abs4;
AVG §45 Abs2;
FrG 1993 §41 Abs2;
FrG 1993 §45 Abs1;
FrG 1993 §48 Abs1;
FrG 1993 §48 Abs2;
FrG 1993 §48 Abs4;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 18. September 1995 wurde die vom Beschwerdeführer an diese Behörde gerichtete Beschwerde gemäß § 52 Abs. 2 und 4 Fremdengesetz (FrG) in Verbindung mit § 67c Abs. 3 (gemeint wohl: Abs. 4; siehe die AVG-Novelle BGBl. Nr. 471/1995, Z. 7 und 8, sowie den dort enthaltenen § 79b Abs. 2) AVG als unbegründet abgewiesen und festgestellt, daß die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen im Zeitpunkt der Entscheidung durch die belangte Behörde vorlägen.

In der Begründung des angefochtenen Bescheides wurde unter anderem ausgeführt, der Beschwerdeführer sei am 11. August 1995 unter Umgehung der Grenzkontrolle von Ungarn nach Österreich eingereist. Nach seiner Festnahme durch ein Zollwacheorgan sei er noch am selben Tag von der Bezirkshauptmannschaft Oberpullendorf (BH) unter Beiziehung eines Dolmetschers für die englische Sprache einvernommen worden. In der Niederschrift werde ausgeführt, der Beschwerdeführer sei Staatsangehöriger des Libanons und Palästinenser. Er habe nie einen Reisepaß besessen. Seine Sprachkenntnisse habe er mit englisch und arabisch angegeben, sein Geburtsort sei Beirut. Er habe diese Stadt drei Monate zuvor verlassen und sei über Syrien, die Türkei, Bulgarien, Rumänien und Ungarn nach Österreich gereist. Es seien weder der Besitz von Mitteln für den Unterhalt noch allfällige Inlandsbeziehungen aus der Niederschrift zu entnehmen. Noch am selben Tag sei die Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung und der Abschiebung verhängt und der Bescheid dem Beschwerdeführer um

15.16 Uhr ausgefolgt worden. Der Inhalt des Bescheides sei dem Beschwerdeführer in englischer Sprache durch den Dolmetscher zur Kenntnis gebracht worden.

Am 16. August 1995 habe die BH für den Beschwerdeführer unter dem Namen "A" bei der Botschaft des Libanon in Wien die Ausstellung eines Heimreisezertifikates beantragt. Im Antragsschreiben sei auch um Mitteilung einer allfälligen Unmöglichkeit der Ausstellung eines solchen Zertifikates ersucht worden. Dieses Ersuchen sei am 30. August 1995 (gleichlautend) wiederholt worden.

In der Niederschrift vom 16. August 1995, aufgenommen vom Bundesasylamt, Außenstelle Eisenstadt, habe der Beschwerdeführer angegeben, staatenloser Palästinenser zu sein und in Österreich bleiben zu wollen, "bis im Libanon wieder Ruhe" herrsche. Mit Bescheid vom 16. August 1995 sei der Asylantrag abgewiesen worden; dagegen sei noch ein Berufungsverfahren anhängig.

Mit Bescheid vom 17. August 1995 habe die BH gemäß § 17 Abs. 2 Z. 6 FrG die Ausweisung des Beschwerdeführers verfügt, wogegen dieser Berufung erhoben habe. Am selben Tag sei der Beschwerdeführer unter Beiziehung eines Dolmetschers für die arabische Sprache einvernommen worden, wobei er angegeben habe, von der "Hisbollah" festgenommen und mißhandelt worden zu sein. Mit Schreiben vom 30. August 1995 habe er einen Antrag gemäß § 54 FrG gestellt. Ferner stellte die belangte Behörde fest, der Beschwerdeführer besitze auch keinen Identitätsausweis.

Mit Bescheid vom 12. September 1995 wies die BH den Antrag des Beschwerdeführers auf Feststellung der Unzulässigkeit von dessen Abschiebung in den Libanon gemäß § 37 Abs. 1 und 2 FrG in Verbindung mit § 54 FrG ab.

Gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 18. September 1995 richtet sich die vorliegende Beschwerde an

den Verwaltungsgerichtshof. Dieser hat erwogen:

Der Beschwerdeführer behauptet zunächst, es bestehe "spätestens seit seiner am 16.08.1995 erfolgten Identifizierung durch das Bundesasylamt Eisenstadt" kein vollstreckbarer Schubhaftbescheid (mehr). Die Angaben zur Person des Beschwerdeführers im Bescheid der BH vom 11. August 1995 würden sich auf "K", einer Person libanesischer Nationalität beziehen, was sich "mit den tatsächlich richtigen Angaben" des Beschwerdeführers vor dem Bundesasylamt nicht decke. Die Übernahme des Bescheides durch den Beschwerdeführer ändere daran nichts. Er habe die der Bescheidübernahme vorausgehende Niederschrift wie auch die Übernahme des Schubhaftbescheides mit seinem tatsächlichen Namen bestätigt.

Dem ist grundsätzlich entgegenzuhalten, daß es in Ansehung eines Schubhaftbescheides nicht entscheidend auf den Namen (oder auch die Nationalität) des Betroffenen, sondern darauf ankommt, ob jene Person als Objekt des behördlichen Aktes feststeht; eine andere Betrachtungsweise würde zu dem geradezu sinnwidrigen Ergebnis führen, daß die Schubhaft gegenüber einem Fremden, dem es gelingt, seine wahre Identität zu verschleiern, rechtswidrig wäre (vgl. im übrigen das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 95/02/0274). Es lag daher insoweit keine von der belangten Behörde zu berücksichtigende Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides vor.

Sowohl die erstmals im Zuge des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens aufgestellte Rüge der Unrichtigkeit und Unvollständigkeit des Einvernahmeprotokolls der Behörde erster Instanz vom 19. August 1995 als auch die behaupteten mangelnden Englischkenntnisse des Beschwerdeführers stellen nach § 41 Abs. 1 VwGG nicht zu beachtende Neuerungen dar. Die in der Beschwerde behaupteten Mutmaßungen über das mangelnde Verständnis des Beschwerdeführers bezüglich der ihm am 11. August 1995 im Zuge seiner Ersteinvernahme mitgeteilten Haftgründe reichen jedoch nicht aus, um die Rechtswidrigkeit der Schubhaft und auch des angefochtenen Bescheides darzutun. Überdies konnte der Beschwerdeführer, wie aus der Niederschrift vom 11. August 1995 ersehen werden kann, hinreichend seine "Flucht" nach Österreich mit seinen englischen Sprachkenntnissen darlegen, sodaß es nicht plausibel erscheint, weshalb der Beschwerdeführer die ihm mitgeteilten Gründe für seine Schubhaft nicht verstanden haben sollte. Daß er - wie in der Beschwerde behauptet wird - im Zuge einer Kontaktaufnahme mit dem Beschwerdevertreter als Haftgrund den "illegalen Grenzübertritt" und die Haft als "Strafhaft" bezeichnet haben soll, vermag nicht schlüssig darzulegen, daß die Behörde nicht mit hinreichender Verständlichkeit bereits am 11. August 1995 - wie im entsprechenden Protokoll festgehalten - dem Beschwerdeführer die Gründe für dessen Schubhaft mitteilte. Mit der allgemein gehaltenen Rüge der aufgrund der Einvernahme des Beschwerdeführers am 16. August 1995 vor dem Bundesasylamt aufgetretenen "erheblichen ... Widersprüche in verfahrenswesentlichen Punkten" zu den Ermittlungsergebnissen der BH wird nicht die Wesentlichkeit eines der belangten Behörde unterlaufenen Verfahrensmangels konkret aufgezeigt.

Auch wenn der Beschwerdeführer unter Hinweis auf die Zweckmäßigkeit und Authentizität seiner Aussagen im Falle einer Beiziehung eines Dolmetschers für die ararbische - anstelle eines solchen für die englische - Sprache offenbar im Hinblick auf dessen Einvernahme am 11. August 1995 im Beschwerdefall hinweist und daraus abzuleiten versucht, die belangte Behörde habe den Grundsatz einer möglichst kurzen Dauer der Schubhaft im Sinne des § 48 FrG bei ihrer Entscheidung nicht beachtet, so ist ihm entgegenzuhalten, daß es der Beschwerdeführer aufgrund der anderslautenden Angaben zu seiner Person - insbesondere anläßlich seiner Ersteinvernahme im Schubhaftverfahren - selbst zu verantworten hat, wenn dadurch die Beschaffung eines Heimreisezertifikates erschwert und somit die Dauer der Schubhaft verlängert wird. Auch hätte die Beiziehung eines Dolmetschers für die arabische Sprache der Behörde nicht garantieren können, daß der Beschwerdeführer andere und tatsächlich seiner Identität entsprechende Angaben gemacht hätte.

Es würde die Pflicht der Behörde aus dem Blickwinkel des üblichen Verwaltungsablaufes überspannen, müßte jede geänderte Angabe zur Person eines Schubhäftlings insbesondere betreffend seine Identität, noch dazu, wenn diese Aussage in einem anderen Verwaltungsverfahren von einer anderen Behörde (hier Bundesasylamt) von einer ohne Personaldokumente aufgegriffenen Person erfolgte, zu einer sofortigen umfassenden Prüfung und Reaktion durch die Schubhaftbehörde führen. Es lag daher auch keine von der belangten Behörde, insbesondere unter dem Aspekt des § 48 FrG, zu beachtende Rechtswidrigkeit vor, wenn die Behörde erster Instanz anläßlich der Abfassung eines Urgenzschreibens am 30. August 1995 an die libanesische Botschaft wegen Ausstellung eines Heimreisezertifikates sich weiterhin auf die Erstangaben des Beschwerdeführers bezüglich seines Namens und seiner Staatsbürgerschaft stützte und die geänderten Angaben des Beschwerdeführers aus dem Asylverfahren unberücksichtigt ließ.

Mangels hinreichender Anhaltspunkte betreffend die Richtigkeit der Angaben des Beschwerdeführers im Asylverfahren - insbesondere zu dessen behaupteter Staatenlosigkeit - bestand für die BH, weil noch keine Reaktion der libanesischen Vertretungsbehörde bekannt war, - entgegen den Ausführungen des Beschwerdeführers - unter Berücksichtigung der Erstangaben des Beschwerdeführers keine Notwendigkeit, mit anderen Organisationen, die sich mit Fragen von Palästinensern befassen, Kontakt z.B. zur Beschaffung eines Identitätsdokumentes für den Beschwerdeführer aufzunehmen.

Jedenfalls vermag der Beschwerdeführer nicht mit seiner erst nachträglich aufgestellten Behauptung der Staatenlosigkeit eine Aussichtslosigkeit seiner Abschiebung in den Libanon im Beschwerdefall darzulegen, weil eine entsprechende Reaktion der libanesischen Behörden im Zeitpunkt der erstinstanzlichen Entscheidung noch nicht festgestanden ist. Da die schriftliche Kontaktaufnahme mit einer ausländischen Vertretungsbehörde eine übliche und den Verwaltungsabläufen entsprechende Form der Abwicklung darstellt, resultiert aus der nicht auf andere Weise erfolgten Kontaktaufnahme mit einer derartigen Vertretungsbehörde keine unter dem Aspekt einer möglichst kurzen Dauer der Schubhaft zu beachtende Rechtswidrigkeit.

Ferner rügt der Beschwerdeführer, es sei nicht nachvollziehbar, worin die belangte Behörde die im angefochtenen Bescheid "attestierte Absicht" der BH zu erkennen vermag, den Beschwerdeführer tatsächlich außer Landes schaffen zu wollen. Dem ist der mit 17. August 1995 datierte und von der BH dem Beschwerdeführer zugestellte Bescheid betreffend die Ausweisung des Beschwerdeführers nach § 17 Abs. 3 FrG sowie die dem Beschwerdeführer bereits anläßlich seiner Ersteinvernahme am 11. August 1995 mitgeteilte Absicht der Behörde, ihn ausweisen und für ihn ein Heimreisezertifikat beschaffen zu wollen, entgegenzuhalten.

Im Zuge einer Gesamtbetrachtung der Dauer der Schubhaft war durch die erfolgte schriftliche Anfrage an die libanesische Botschaft sowie die zwei Wochen danach erfolgte Urgenz im Beschwerdefall keine Rechtswidrigkeit der Schubhaft gegeben.

Der Beschwerdeführer bringt im Zusammenhang mit seinen Ausführungen zur "Durchführbarkeit seiner Abschiebung" vor, die belangte Behörde könne sich nicht unter Verweis auf ihre einwöchige Entscheidungsfrist und das Verfahren nach § 36 Abs. 2 FrG einer "Würdigung" der geltend gemachten "Abschiebungshindernisse tatsächlicher Natur" entziehen.

Es entspricht jedoch der ständigen hg. Rechtsprechung (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 23. Februar 1996, Zl. 95/02/0499), daß im Hinblick auf die Möglichkeit einer Antragstellung nach § 54 FrG - wovon der Beschwerdeführer übrigens Gebrauch gemacht hat - die Frage der Unzulässigkeit einer Abschiebung in ein bestimmtes Land ebensowenig im Rahmen eines Verfahrens über die Schubhaftbeschwerde durch den unabhängigen Verwaltungssenat zu prüfen ist wie, ob eine Abschiebung eines Fremden aus tatsächlichen Gründen unmöglich ist (scheint). Da der Beschwerdeführer selbst durch illegale Einreise ohne Personaldokumente sowie durch den nachträglich vorgebrachten Einwand seiner Staatenlosigkeit und durch Anrufung verschiedener Behörden (Asylantrag, Antrag nach § 54 FrG, Erhebung diverser Berufungen) die rasche Abwicklung seines Falles maßgeblich verzögerte, war eine Rechtswidrigkeit bezüglich der Dauer seiner Schubhaft nicht zu erkennen.

Wie die belangte Behörde zutreffend ausführt, war weder ein für den Beschwerdeführer "positiver" rechtskräftiger Feststellungsbescheid nach § 54 FrG noch ein rechtskräftiger Bescheid nach § 36 Abs. 2 FrG im Zeitpunkt ihrer Entscheidung vorgelegen, sodaß von ihr im Sinne der vorzitierten hg. Judikatur auch nicht zu prüfen war, ob eine Abschiebung allenfalls deshalb unzulässig hätte sein können. Ferner übersieht der Beschwerdeführer, daß aufgrund der hg. Rechtsprechung (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 8. September 1995, Zl. 95/02/0048) auch gegen Fremde mit einer Aufenthaltsberechtigung im Sinne des § 7 Abs. 1 Asylgesetz 1991 die Schubhaft verhängt werden kann.

Da die vom Beschwerdeführer behaupteten Rechtsverletzung nicht vorliegen, erweist sich die Beschwerde als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Zuspruch auf Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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