VwGH 94/20/0224

VwGH94/20/022416.1.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke und Dr. Köhler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. König, über die Beschwerde des S, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 8. Oktober 1993, Zl. 4.343.375/1-III/13/93, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einer Asylangelegenheit, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §33 Abs3;
AVG §33 Abs3;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, reiste am 29. August 1993 in das Bundesgebiet ein und stellte am 10. September 1993 einen Antrag auf Asylgewährung. Mit Bescheid vom 15. September 1993 des Bundesasylamtes, Außenstelle Graz, wurde der Antrag abgewiesen. Dieser Bescheid wurde dem Vertreter des Beschwerdeführers am 16. September 1993 zugestellt.

Mit einem Schriftsatz, der nicht eingeschrieben aufgegeben wurde und dessen Kuvert den Poststempel "1. Oktober 1993" trägt, erhob der Beschwerdeführer durch seinen Beschwerdevertreter Berufung gegen diesen Bescheid.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als verspätet zurück, da die Berufungsfrist am 30. September 1993 abgelaufen sei, die Berufung jedoch erst am 1. Oktober 1993 eingebracht worden sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der sich der Beschwerdeführer in seinem subjektiven Recht auf Asylgewährung verletzt erachtet und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend macht.

Begründend wird in der Beschwerde ausgeführt, daß in der Kanzlei des Vertreters des Beschwerdeführers ein Postaufzeichnungsbuch geführt werde, aus dem sich nachvollziehen lasse, welche Briefe bzw. Eingaben an Behörden und Gerichte an diesem Tag zur Post gebracht werden. Eine Abschrift der Seite, die den 30. September 1993 betrifft, wurde vorgelegt. Darüber hinaus wird angeführt, daß die Sekretärin des Beschwerdevertreters, Frau R, erklärte, daß sie am 30. September 1993 um ca. 17.30 Uhr die Post (auch die gegenständliche Berufung) zum Postamt 5033 Salzburg gebracht habe.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 gebildeten Senat erwogen:

Es ist im Beschwerdefall unbestritten, daß die Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides am 16. September 1993 erfolgte. Die Berufungsfrist gemäß § 63 Abs. 5 AVG ist somit entsprechend § 32 Abs. 2 AVG am 30. September 1993 abgelaufen.

In der Beschwerde wird die Auffassung der belangten Behörde bekämpft, daß die gegenständliche Berufung erst am 1. Oktober 1993 eingebracht worden sei. Es wird hiezu auf die erwähnten Beweismittel verwiesen und der belangten Behörde die Verletzung von Verfahrensvorschriften vorgeworfen, da sie bei Erhebung entsprechender Beweise feststellen hätte können, daß das Kuvert der Sendung, mit der die Berufung eingebracht worden sei, den Poststempel vom 30. September 1993 trage.

Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, der Beschwerde zum Erfolg zu verhelfen:

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Judikatur zur Frage der Wahrung einer Frist nach dem AVG (§ 33 Abs. 3 AVG) vertritt, ist für den Beginn des Postenlaufes nur maßgeblich, wann das Schriftstück von der Post in Behandlung genommen wird. Bei nicht bescheinigten Postsendungen ist dies der Zeitpunkt, in dem der Postkasten ausgehoben wird. Wird hiebei die Briefsendung am letzten Tag der Frist, aber erst nach der letzten amtlichen Postaushebung in den Briefkasten eingeworfen und aus diesem Grunde das Schriftstück mit dem Poststempel unter dem Datum des nächstens Tages versehen und daher erst an diesem Tag amtlich in Behandlung genommen, dann ist die Frist nicht gewahrt (Beschluß vom 9. September 1970, Zl. 939, 940, 985-1004/70). Wenn das Schriftstück in einen Briefkasten eingelegt wird, kommt es darauf an, wann der Briefkasten tatsächlich ausgehoben wird. Beim Einlegen in einen Briefkasten muß daher das Schriftstück vor der am Briefkasten vermerkten Aushebezeit in den Briefkasten eingelegt werden, um noch als an diesem Tag aufgegeben zu gelten (vgl. das Erkenntnis VwSlg. 6086 A/1963 oder das Erkenntnis vom 7. Mai 1982, Zl. 81/04/0136, 0149). Der Verwaltungsgerichtshof hat darüber hinaus ganz allgemein ausgesprochen, daß für die Beurteilung der Rechtzeitigkeit einer im Wege der Post beim Verwaltungsgerichtshof einlangenden Beschwerde (für diese Beurteilung ist ebenfalls das AVG anzuwenden) maßgeblich ist, in welchem Zeitpunkt die betreffende Briefsendung der Post tatsächlich zur Weiterbeförderung übergeben wurde. Dabei ist zur Beurteilung dieses Zeitpunktes grundsätzlich der auf der Briefsendung angebrachte Datumsstempel heranzuziehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. April 1973, Zl. 601, 602/72).

Das Beschwerdevorbringen bezieht sich nun demgegenüber nicht darauf, daß die in Rede stehende Berufung von der Post noch am 30. September 1993 in Behandlung genommen worden wäre, sondern nur darauf, daß aufgrund der Aufzeichnungen in der Kanzlei des Beschwerdevertreters und aufgrund der Erinnerung der mit der Aufgabe betrauten Kanzleikraft das Schriftstück am 30. September 1993 "zum Postamt gebracht" worden sei. Angaben darüber, in welcher Form die Aufgabe näher erfolgt sei, enthält die Beschwerde nicht. Es wird aber im Gegenteil aktenwidrig davon ausgegangen, daß die belangte Behörde bei Durchführung von Erhebungen feststellen hätte können, daß die Sendung den Poststempel vom 30. September 1993 trage. Ein relevanter Verfahrensmangel wird somit mit diesem Vorbringen nicht aufgezeigt. Es bleibt auch nach dem Beschwerdevorbringen nicht ersichtlich, in welcher Weise die von der belangten Behörde aus dem ihr vorliegenden Sachverhalt, von dem angesichts des Fehlens von Verfahrensmängeln gemäß § 41 Abs. 1 VwGG der Verwaltungsgerichtshof auszugehen hat, gezogene rechtliche Schlußfolgerung angesichts der oben wiedergegebenen Judikatur zur Maßgeblichkeit des Poststempels für die Beurteilung der Rechtzeitigkeit der Einbringung eines Rechtsmittels rechtswidrig sein sollte.

Da im vorliegenden Falle die Berufung nicht eingeschrieben aufgegeben wurde und in der Beschwerde lediglich Beweismittel dafür angeboten wurden, daß die Berufung schon einen Tag vor dem Datum des Poststempels auf das Postamt gebracht worden sei, betreffen die angebotenen Beweise nicht die Frage, wann das Schriftstück von der Post in Behandlung genommen wurde.

Soweit das Beschwerdevorbringen auch dahingehend verstanden werden kann, daß die belangte Behörde vor der Erlassung des angefochtenen Bescheides dem Beschwerdeführer kein Parteiengehör eingeräumt hat, ist auf folgendes zu verweisen:

Die belangte Behörde hätte zwar auch angesichts des im Beschwerdefall vorliegenden Kuverts, mit welchem das Schriftstück aufgegeben wurde, vor Erlassung des angefochtenen Bescheides dem Beschwerdeführer das Parteiengehör gemäß § 45 Abs. 3 AVG einzuräumen gehabt (was nach den vorgelegten Akten offenkundig tatsächlich nicht erfolgt ist); der durch die Nichteinräumung des Parteiengehöres gegebene Verfahrensmangel führt jedoch nur zu einer Aufhebung des Bescheides, wenn der Mangel wesentlich ist. Da sich im vorliegenden Beschwerdefall aufgrund des Vorbringens des Beschwerdeführers ergibt, daß die belangte Behörde auch bei Vermeidung des Verfahrensmangels nicht zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, ist die geltend gemachte Rechtsverletzung infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften auch insoweit nicht gegeben.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG Abstand genommen werden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

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