VwGH 94/18/1109

VwGH94/18/110929.2.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte

Dr. Zeizinger, Dr. Robl, Dr. Rigler und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. S. Giendl, über die Beschwerde der S in W, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 25. Oktober 1994, Zl. 101.374/2-III/11/94, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einer Angelegenheit nach dem Aufenthaltsgesetz, zu Recht erkannt:

Normen

AufG 1992 §10 Abs1;
AufG 1992 §10;
AVG §58 Abs1;
AVG §59 Abs1;
FrG 1993 §7 Abs6;
VwRallg;
AufG 1992 §10 Abs1;
AufG 1992 §10;
AVG §58 Abs1;
AVG §59 Abs1;
FrG 1993 §7 Abs6;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem Bescheid des Bundesministers für Inneres (der belangten Behörde) vom 25. Oktober 1994 wurde die Berufung der Beschwerdeführerin vom 20. Februar 1994 "gegen die Aufenthaltsbewilligung" vom 20. Jänner 1994 gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 10 Abs. 1 AufG zurückgewiesen.

Der Beschwerdeführerin sei aufgrund ihres Antrages vom 30. September 1993 von der für die Vollziehung des Aufenthaltsgesetzes zuständigen Behörde die im Spruch genannte Aufenthaltsbewilligung erteilt und entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen eine Vignette im Reisepaß angebracht worden. Gegen "diese Anbringung" habe die Beschwerdeführerin berufen und ihr Rechtsmittel im wesentlichen damit begründet, daß nach ihrer Rechtsauffassung eine Bewilligung mit einer längeren Dauer (als bis 21. Juni 1994) zu erteilen gewesen wäre.

Dazu habe die belangte Behörde folgendes erwogen: Die Aufenthaltsbewilligung sei nach dem klaren Wortlaut des Aufenthaltsgesetzes in Form eines Sichtvermerkes zu erteilen. Die Erlassung eines Bescheides sei vom Gesetz nicht vorgesehen; eine solche sei im gegenständlichen Fall auch nicht erfolgt. Die bekämpfte Erledigung sei weder der Form noch dem Inhalt nach ein Bescheid, weshalb nach den verwaltungsverfahrensrechtlichen Regelungen eine Berufung nicht in Frage komme. Insoweit die Beschwerdeführerin mit ihrer "Eingabe" beabsichtige, die Erteilung einer weiteren Aufenthaltsbewilligung anzuregen, sei darauf hinzuweisen, daß diesbezügliche Anträge jederzeit möglich seien und an die zuständige Behörde erster Instanz zu richten wären.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, der Sache nach inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aus diesem Grund kostenpflichtig aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Mit an die Erstbehörde gerichteter Eingabe vom 30. September 1993 stellte die Beschwerdeführerin den Antrag "auf Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz, und zwar mit Rücksicht darauf, daß ich seit 16. Oktober 1985 in Österreich wohnhaft bin, für einen unbefristeten Zeitraum".

1.2. Unter dem Datum 20. Jänner 1994 wurde der Beschwerdeführerin vom "Amt der Wiener Landesregierung" eine Aufenthaltsbewilligung mit der Gültigkeitsdauer vom 31. Oktober 1993 bis 21. Juni 1994 erteilt.

Am 4. Februar 1994 bestätigte die Beschwerdeführerin vor der Erstbehörde mit ihrer Unterschrift die "Anbringung der Vignette "Aufenthaltsbewilligung" Nr. 288444 im Reisepaß Nr. 3651446 sowie dessen Ausfolgung samt 0 Beilagen".

2.1. Im Hinblick darauf, daß ihrem Antrag auf Erteilung einer unbefristeten Bewilligung nicht stattgegeben wurde, beantragte die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 8. Februar 1994 die "Ausfertigung und Zustellung eines begründeten Bescheides".

2.2. Mit Schreiben vom 3. März 1994 teilte die Erstbehörde der Beschwerdeführerin (z.H. ihres Rechtsvertreters) mit, daß "es im Sinne des § 10 Abs. 1 AufG, wonach die Bewilligung in Form eines österreichischen Sichtvermerkes zu erteilen ist, keiner parallelen oder ergänzenden bescheidmäßigen Erledigung bedurfte".

3. Zwischenzeitlich erhob die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 17. Februar 1994 gegen "den (unbegründeten) Bescheid des Amtes der Wiener Landesregierung MA 62-9/0869988-01, vom 20.01.1994" Berufung, "womit dieser Bescheid (österreichische Sichtvermerk) dahingehend angefochten wird, als mir eine unbefristete Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz nicht erteilt worden ist".

4. Gemäß § 10 Abs. 1 zweiter Satz AufG (in der Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 351/1995) ersetzt die Bewilligung (nach diesem Gesetz) einen gemäß dem Fremdengesetz notwendigen Sichtvermerk und ist in der Form eines österreichischen Sichtvermerkes zu erteilen.

Dem § 7 Abs. 6 FrG zufolge ist der Sichtvermerk im Reisedokument des Fremden ersichtlich zu machen.

5.1. Die im § 7 Abs. 6 FrG enthaltene Anordnung der Ersichtlichmachung des Sichtvermerkes und damit - im Grunde des § 10 Abs. 1 zweiter Satz AufG - auch der Aufenthaltsbewilligung im Reisedokument eines Fremden stellt sich als eine von den die Form von Bescheiden regelnden Bestimmungen der §§ 58 ff AVG abweichende Vorschrift über die Bescheidausfertigung dar. Gemäß § 7 Abs. 6 FrG ist kein "Bescheid" nach den Regeln des AVG zu erlassen, sondern eine besondere Urkunde (Ersichtlichmachung) auszustellen; die Ausstellung dieser Urkunde hat die Wirkung der Erlassung eines Bescheides (vgl. dazu Ringhofer, Verwaltungsverfahrensgesetze I, Wien 1987, 506 f).

5.2. Auf den vorliegenden Fall bezogen heißt das, daß mit der Übergabe des die Ersichtlichmachung der Aufenthaltsbewilligung (gültig vom 31. Oktober 1993 bis 21. Juni 1994) in der Form eines österreichischen Sichtvermerkes enthaltenden Reisepasses an die Beschwerdeführerin am 4. Februar 1994 (vgl. oben II. 1.2.) ein ihrem Antrag vom 30. September 1993 - zum Teil - stattgebender Bescheid erlassen wurde. Der Inhalt dieses Bescheides erschöpft sich indes nicht in der Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung, weil in der von der Erstbehörde vorgenommenen Befristung der Gültigkeitsdauer bis 21. Juni 1994 gleichzeitig auch die - vom Berufungsantrag erfaßte - Versagung der von der Beschwerdeführerin begehrten unbefristeten Bewilligung zu erblicken ist (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. März 1987, Zl. 87/01/0060).

6. Da nach dem Gesagten die belangte Behörde der in Rede stehenden Ersichtlichmachung zu Unrecht die Bescheidqualität abgesprochen und folglich die dagegen, und zwar im Umfang der Versagung der unbefristeten Aufenthaltsbewilligung, erhobene Berufung der Beschwerdeführerin in Verkennung der Rechtslage zurückgewiesen hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

7. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens beruht darauf, daß neben dem (Umsatzsteuer einschließenden) pauschalierten Schriftsatzaufwandersatz eine gesonderte Vergütung von Umsatzsteuer im Gesetz nicht vorgesehen ist.

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