VwGH 94/17/0168

VwGH94/17/016822.11.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Puck, Dr. Höfinger, Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Fegerl, über die Beschwerde der S in W, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 15. Juli 1993, Zl. MD-VfR - L 2/93/Str, betreffend Zurückweisung der Berufung i.A. Aufhebung der Vollstreckbarkeitsbestätigung von Straferkenntnissen, zu Recht erkannt:

Normen

AbgEO §12 Abs2;
AbgEO §13;
B-VG Art129a;
VStG §51 Abs1;
VVG §3 Abs1;
AbgEO §12 Abs2;
AbgEO §13;
B-VG Art129a;
VStG §51 Abs1;
VVG §3 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt Wien hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnissen vom 1. Juli 1992 wurde über die Beschwerdeführerin wegen Verkürzung der Getränkesteuer eine Geldstrafe von S 9.200,-- und wegen Verkürzung der Vergnügungssteuer eine Geldstrafe in der Höhe von S 248.000,-- verhängt. Die Kosten des Strafverfahrens wurden mit S 920,-- bzw. S 24.800,-- festgesetzt, sodaß der jeweils zu zahlende Gesamtbetrag S 10.120,-- und S 272.800,-- betrug. In beiden rechtskräftig gewordenen Erkenntnissen ist ausgeführt, daß die Bescheide sofort vollstreckbar seien, wenn keine Berufung erhoben werde.

In der mit 18. Dezember 1992 datierten, an die Beschwerdeführerin ergangenen Erledigung betreffend Zahlungsaufforderung und Bescheid über die Pfändungsgebühr wurden für den Rückstand von S 10.120,-- und S 272.800,-- "Vollstreckungsmaßnahmen angeordnet" und Pfändungsgebühren gemäß § 26 Abgabenexekutionsordnung (AbgEO) in der Höhe von S 2.829,-- vorgeschrieben, woraus sich ein Gesamtrückstand von S 285.749,-- ergab.

Die Beschwerdeführerin beantragte mit Schriftsatz vom 22. Jänner 1993 hinsichtlich der genannten Straferkenntnisse die "Bestätigung der Vollstreckbarkeit" aufzuheben, keine weiteren Vollstreckungsmaßnahmen zu setzen und, weil die Grundlage hiefür weggefallen sei, "den Bescheid über die vorgeschriebenen Pfändungsgebühren von amtswegen zu beheben".

Mit Bescheid vom 4. Februar 1993 wurde der Antrag "auf Aufhebung der Vollstreckbarkeit der Straferkenntnisse vom 1. Juli 1992 ... und Behebung der damit verbundenen Pfändungsgebührenbescheide" gemäß § 13 Abs. 1 AbgEO abgewiesen.

Dieser Bescheid wurde dem Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin am 23. Februar 1993 nachweislich zugestellt, wobei die Sendung von einem seiner Arbeitnehmer entgegengenommen wurde.

Mit dem mit 9. März 1993 datierten Schriftsatz, der in einem mit einer "Freistempelmaschine" mit dem Datum "09.3.93" versehenen Kuvert postalisch aufgegeben wurde und erst am 17. März 1993 beim Magistrat der Bundeshauptstadt Wien einlangte, erhob die Beschwerdeführerin gegen den "Bescheid, mit welchem (der) Antrag, die Vollstreckbarkeit der genannten Straferkenntnisse aufzuheben, begehrt wurde", Berufung. Sie stellte den Antrag, den Bescheid abzuändern und die "Vollstreckbarkeit" der Straferkenntnisse aufzuheben.

Mit dem Berufungsbescheid vom 15. Juli 1993 wies die belangte Behörde die Berufung als verspätet zurück.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Beschwerde, in der sie sowohl Rechtswidrigkeit des Inhaltes als auch Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend macht. Sie erachtet sich "in den gesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt, entgegen den gesetzlichen Bestimmungen nicht bestraft zu werden".

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Fünfersenat erwogen:

Gemäß § 41 Abs. 1 VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof, soweit er nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde oder wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften gegeben findet (§ 42 Abs. 2 Z. 2 und 3) und nicht § 38 Abs. 2 anwendbar ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund des von der belangten Behörde angenommenen Sachverhaltes im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte (§ 28 Abs. 1 Z. 4) zu überprüfen.

Zur inhaltlichen Überprüfung des angefochtenen Bescheides auf Grund des von der belangten Behörde angenommenen Sachverhaltes im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte kommt es demnach nicht, wenn der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde oder wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben ist (vgl. Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, 52).

Mit dem "Antrag auf Aufhebung der Vollstreckbarkeitsbestätigung" bestritt die Beschwerdeführerin den Eintritt der Vollstreckbarkeit der Bescheide (Straferkenntnisse), die im Zuge von Verwaltungsstrafverfahren betreffend Verkürzung von Getränke- und Vergnügungssteuer ergingen. Dieser "Antrag" ist eine Einwendung gegen die Durchführung der Verwaltungsvollstreckung nach dem gemäß § 3 Abs. 1 dritter Satz VVG sinngemäß anzuwendenden § 13 AbgEO. Durch diese Bestimmung wird dem Vollstreckungsschuldner u.a. die Möglichkeit eingeräumt, gegen die Durchführung der Vollstreckung Einwendungen zu erheben, wenn er bestreitet, daß die Vollstreckbarkeit eingetreten ist. Über die Einwendungen ist in sinngemäßer Anwendung (§ 3 Abs. 1 dritter Satz VVG) des § 12 Abs. 2 AbgEO mit Bescheid der Titelbehörde abzusprechen (vgl. hg. Erkenntnis vom 29. März 1982, Zl. 81/17/0128 und vom 9. März 1990, Zl. 85/17/0116). Der Instanzenzug richtet sich nach den für das Titelverfahren geltenden Vorschriften. Im Titelverfahren war der Unabhängige Verwaltungssenat Wien zuständig, über die Berufung gegen die Bescheide des Magistrates der Stadt Wien in der Verwaltungsstrafsache zu entscheiden. Demnach hätte der UVS Wien auch über die Berufung gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 4. Februar 1993 - wie in der Rechtsmittelbelehrung des erstinstanzlichen Bescheides angeführt - zu entscheiden gehabt. Die Wiener Landesregierung war nicht zuständig, über die in Rede stehende Berufung abzusprechen.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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