VwGH 94/09/0156

VwGH94/09/015619.11.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Höß und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Loibl, über die Beschwerde der X-Gesellschaft m.b.H. (nunmehr Y-Gesellschaft m.b.H.) in W, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landesarbeitsamtes Wien vom 28. April 1994, (ohne Zahl), betreffend Sicherungsbescheinigung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, zu Recht erkannt:

Normen

AuslBG §11 Abs2 Z1;
AuslBG §4 Abs1;
AVG §45 Abs3;
AVG §58 Abs2;
VwGG §36 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
AuslBG §11 Abs2 Z1;
AuslBG §4 Abs1;
AVG §45 Abs3;
AVG §58 Abs2;
VwGG §36 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Arbeitsmarktservice hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Zur beschwerdeführenden Partei ist vorweg darauf hinzuweisen, daß in der Beschwerde sowohl die A-Gesellschaft m.b.H. als auch die X-Gesellschaft m.b.H. als Beschwerdeführer (die X-Gesellschaft m.b.H. war Alleingesellschafterin der A-Gesellschaft m.b.H.) einschritten. Mit Generalversammlungsbeschluß vom 14. September 1994 wurde gemäß den §§ 2 ff Umwandlungsgesetz die Umwandlung durch Übertragung der A-Gesellschaft m.b.H. auf ihren Hauptgesellschafter, die X-Gesellschaft m.b.H., beschlossen. Die A-Gesellschaft m.b.H. wurde daraufhin im Firmenbuch am 22. September 1994 gelöscht. Alleinige Beschwerdeführerin war damit kraft Gesamtrechtsnachfolge nur mehr die X-Gesellschaft m.b.H., die ihrerseits mittlerweile ihren Firmenwortlaut auf Y-Gesellschaft m.b.H. änderte.

Die A-GmbH stellte am 20. Oktober 1993 den Antrag auf Ausstellung einer Sicherungsbescheinigung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) für die slowakische Staatsangehörige B. für die berufliche Tätigkeit

"Public Relations, Koordination" (spezielles Bildungserfordernis: "russische und slowakische Sprache, Behördenkontakte in der Slowakei").

Mit Bescheid vom 8. November 1993 lehnte das zuständige Arbeitsamt die Ausstellung der Sicherungsbescheinigung gemäß § 11 Abs. 2 Z. 1 i.V.m. § 4 Abs. 6 AuslBG ab. In der Begründung wird dazu im wesentlichen festgehalten, der Vermittlungsausschuß habe im gegenständlichen Verfahren die Erteilung einer "Beschäftigungsbewilligung" nicht befürwortet. Darüber hinaus habe das Ermittlungsverfahren ergeben, daß keine der im § 4 Abs. 6 Z. 2 bis 4 AuslBG vorgesehenen Voraussetzungen vorliege.

In der Berufung rügte die A-GmbH, daß formell überhaupt kein Bescheid vorliege, weil auf den Sachverhalt überhaupt nicht eingegangen worden sei. Wie der Erstbehörde bekanntgegeben, sei B. slowakische Staatsbürgerin und Geschäftsführerin der Zweigniederlassung in Bratislava. Sämtliche für Werbeaktivitäten, Kommunikationsmarketing usw. notwendigen Maßnahmen würden in Österreich koordiniert. Dazu sei es notwendig, daß sich die Leiterin der Zweigniederlassung des öfteren geschäftlich in Österreich bei der A-GmbH aufhalte und dort an diesen Koordinationsarbeiten mitwirke. Nach einem Gespräch mit der zuständigen Referentin des Arbeitsamtes sei um Erteilung einer Sicherungsbescheinigung nachgesucht worden. Die Beschäftigung von B. sei auch aus besonders wichtigen Gründen, nämlich zur Förderung der österreichischen Wirtschaft, notwendig. Es handle sich um Aufträge, die der österreichischen Wirtschaft zugute kämen und die nur dann in Österreich durchgeführt werden könnten, wenn die notwendigen Koordinierungsarbeiten auch in Österreich erfolgten.

Aktenkundig ist weiters eine Vorhaltsbeantwortung der A-GmbH vom 28. Dezember 1993, in der auf die Berufung sowie auf ein (nicht in den vorgelegten Verwaltungsakten enthaltenes) Formular vom 25. November 1993 Bezug genommen wird. In diesem Schreiben wird nochmals darauf hingewiesen, daß es sich bei B. um die Leiterin der Zweigniederlassung in Bratislava handle und es notwendig sei, daß sich B. auch in Österreich aufhalte, um Teile der Arbeiten dieses slowakischen Unternehmens in Österreich durchzuführen. Aus diesem spezifischen Grund sei auch um die Erteilung der "Beschäftigungsbewilligung (Sicherungsbescheinigung)" angesucht worden. Eine Vermittlung einer österreichischen "arbeitslos Gemeldeten", die die gleichen Voraussetzungen wie die in Aussicht genommene Mitarbeiterin habe, sei daher schon rein aufgrund der speziellen Voraussetzungen und der Tatsache, daß die Arbeit "in der Person der Zweigstellenleiterin" in Bratislava gelegen sei, nicht möglich.

Ohne weitere Verfahrensschritte erließ die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid vom 28. April 1994 und gab damit der Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG i.V.m. § 11 Abs. 2 Z. 1 und § 4 Abs. 1 AuslBG keine Folge.

In der Begründung wird ausgeführt, eine Sicherungsbescheinigung dürfe gemäß § 11 Abs. 2 Z. 1 AuslBG u. a. nur ausgestellt werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 4 Abs. 1 leg. cit. gegeben seien. Demnach dürfe eine Sicherungsbescheinigung nur erteilt werden, wenn die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes die Beschäftigung zulasse und wichtige öffentlich oder gesamtwirtschaftliche Interessen nicht entgegenstünden. Daraus ergebe sich, daß für die Entscheidung über einen Antrag auf Ausstellung einer Sicherungsbescheinigung nicht der bei einem Arbeitgeber auftretende individuelle Arbeitskräftebedarf allein maßgebend sein könne. Die Beschäftigung einer ausländischen Arbeitskraft sei vielmehr erst dann vertretbar, wenn gesamtwirtschaftliche Interessen vorlägen, welche eine Beschäftigung im Einklang mit den Bedürfnissen der inländischen Wirtschaft und der Lage des inländischen Arbeitsmarktes angemessen erscheinen ließen. Von der belangten Behörde sei nach Anhörung des Verwaltungsunterausschusses festgestellt worden, daß die vorgesehene Beschäftigung in einer Branche erfolgen solle, in der infolge "erhöhter Beschäftigung von Ausländern bereits ein überdurchschnittlicher Ausländeranteil gegeben ist". Unter Berücksichtigung wichtiger öffentlicher und gesamtwirtschaftlicher Interessen, sowie der regionalen, strukturellen und branchenbedingten Gegebenheiten sei die Ausstellung einer Sicherungsbescheinigung für B. "daher nicht vertretbar". Zudem "haben Sie auf das Angebot von Ersatzkräften seitens des Arbeitsamtes nicht reagiert".

Die Behandlung der an den Verfassungsgerichtshof gerichteten Beschwerde hat dieser mit Beschluß vom 20. Juni 1994, B 1242/94-3, abgelehnt und die Beschwerde antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

In der ergänzten Beschwerde werden Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht; das Recht auf Erteilung einer Sicherungsbescheinigung gemäß § 11 AuslBG für B. sei durch den angefochtenen Bescheid verletzt.

Die belangte Behörde (infolge Änderung der Behördenorganisation durch das Arbeitsmarktservicegesetz, BGBl. Nr. 313/1994, nunmehr die Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien) hat zusammen mit der Aktenvorlage eine Gegenschrift erstattet und darin die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt. In einer Replik zur Gegenschrift wurde die eingangs erwähnte Unternehmensumwandlung und Firmenänderung bekanntgegeben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 11 Abs. 2 Z. 1 AuslBG darf eine Sicherungsbescheinigung nur ausgestellt werden, wenn u.a. die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 AuslBG gegeben sind. Nach § 4 Abs. 1 AuslBG ist eine Beschäftigungsbewilligung, soweit im folgenden nicht anderes bestimmt ist, zu erteilen, wenn die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes die Beschäftigung zuläßt und wichtige öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen nicht entgegenstehen. Die im § 4 Abs. 1 AuslBG angesprochenen wichtigen öffentlichen oder gesamtwirtschaftlichen Interessen kommen erst zum Tragen, wenn feststeht, für welche Beschäftigung konkret die Bewilligung beantragt wird und ob die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes diese (konkrete) Beschäftigung zulassen (vgl. aus der dazu ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes beispielsweise das Erkenntnis vom 30. Juni 1994, 93/09/0277).

Bescheide sind nach § 58 Abs. 2 AVG zu begründen. In der Begründung sind die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen (§ 60 AVG). Der Erlassung eines Bescheides hat gemäß § 56 AVG grundsätzlich die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes nach den Vorschriften der §§ 37 und 39 leg. cit. voranzugehen.

Zur Prüfung der Lage und Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt wird im angefochtenen Bescheid lediglich darauf hingewiesen, auf das Angebot von Ersatzkräften seitens des Arbeitsamtes sei nicht reagiert worden. Abgesehen davon, daß bei einer fehlenden Reaktion auf ein Angebot von Ersatzkräften von Amts wegen eine Zuweisung von nach Ansicht der Behörde geeigneten Arbeitskräften erfolgen müßte (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Februar 1993, 92/09/0312), steht diese Feststellung offensichtlich nicht mit der Aktenlage und insbesondere dem Schreiben vom 28. Dezember 1993 im Einklang. Ohne nähere Auseinandersetzung mit dem erwähnten Schriftsatz vom 28. Dezember 1993, in der zur Vermittlung von arbeitslos gemeldeten österreichischen Arbeitskräften Stellung genommen wird, läßt sich auch nicht sagen, ob nach Ansicht der belangten Behörde überhaupt Ersatzarbeitskräfte vorhanden waren, die bereit und fähig gewesen wären, die Arbeit zu den gestellten (gesetzlich zulässigen) Bedingungen (vgl. zur zulässigen Gestaltung des Anforderungsprofils etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. März 1994, 93/09/0424) auszuüben. Fehlt dem angefochtenen Bescheid damit schon eine hinreichende Begründung zur Frage, ob die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes die Beschäftigung von B. zuläßt, dann kann es grundsätzlich bereits dahingestellt bleiben, ob die belangte Behörde zu Recht wichtige öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen als gegen die Erteilung der Sicherungsbescheinigung sprechend erachtet hat. Im übrigen hat sich die belangte Behörde auch hier auf allgemeine, einer nachprüfenden Kontrolle unzugängliche Ausführungen (etwa dahingehend, daß "infolge erhöhter Beschäftigung von Ausländern bereits ein überdurchschnittlicher Ausländeranteil" gegeben sei sowie wegen der "regionalen, strukturellen und branchenbedingten Gegebenheiten" die Ausstellung der Sicherungsbescheinigung "nicht vertretbar" sei) zurückgezogen, die ebenfalls eine mangelhafte Bescheidbegründung darstellen (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. Dezember 1983, 82/01/0181, oder zum Sinngehalt der unbestimmten Gesetzesbegriffe des zweiten Tatbestandes des § 4 Abs. 1 leg. cit. beispielsweise das bereits erwähnte Erkenntnis vom 30. Juni 1994, 93/09/0277).

Der angefochtene Bescheid war daher insgesamt gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. Soweit in der Gegenschrift über den angefochtenen Bescheid hinausgehende Begründungselemente enthalten sind, genügt es darauf hinzuweisen, daß eine fehlende Bescheidbegründung in der Gegenschrift nicht nachgeholt werden kann (vgl. Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, Seite 607). Ein Eingehen auf die Beschwerdeausführungen, insbesondere zum Vorliegen der Voraussetzungen des § 4 Abs. 6 AuslBG, erübrigt sich schon deshalb, weil die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid nicht auf diese Gesetzesbestimmung gestützt hat. Soweit in der Beschwerde geltend gemacht wird, spätestens in der Berufung vom 24. November 1993 sei ausdrücklich und schriftlich auch eine "Negativbestätigung" beantragt worden, daß für die Beschäftigung von B. in den Geschäftsräumlichkeiten in Wien keine Beschäftigungsbewilligung benötigt werde, und über diesen Antrag sei bescheidmäßig bisher überhaupt noch nicht abgesprochen worden, ist dies in bezug auf den angefochtenen Bescheid (und die dazu in der Beschwerde auch ausdrücklich geltend gemachte Rechtsverletzung) ohne Relevanz, weil Gegenstand des Berufungsverfahrens und des angefochtenen Bescheides gemäß § 66 Abs. 4 AVG nur die "Verwaltungssache" erster Instanz (sohin der Abspruch über die Ausstellung einer Sicherungsbescheinigung) sein konnte.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff (insbesondere § 59 Abs. 1) VwGG in Verbindung mit § 41 AMSG und der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994. Für den zuerkannten Aufwandersatz hat das Arbeitsmarktservice als Rechtsträger im Sinne des § 47 Abs. 5 VwGG aufzukommen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte