Normen
AVG §58 Abs2;
AVG §59 Abs1;
AVG §66 Abs4;
AVG §67;
GO RAK OÖ 1974 §28 Abs2;
GO RAK OÖ 1974 §30 Abs1;
RAO 1868 §45;
RAO 1868 §46 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwRallg;
AVG §58 Abs2;
AVG §59 Abs1;
AVG §66 Abs4;
AVG §67;
GO RAK OÖ 1974 §28 Abs2;
GO RAK OÖ 1974 §30 Abs1;
RAO 1868 §45;
RAO 1868 §46 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwRallg;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Oberösterreichische Rechtsanwaltskammer hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.350,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 18. April 1991 gab die belangte Behörde der Vorstellung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Abteilung II des Ausschusses der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer vom 24. November 1989, mit dem der Beschwerdeführer und der Rechtsanwalt Dr. K dem Angeklagten W gemäß § 41 Abs. 2 StPO als "Amtsverteidiger" (richtig:
beigegebener Verteidiger - nunmehr Verfahrenshilfeverteidiger, vgl. BGBl. Nr. 526/1993) in einer beim Landesgericht Linz anhängigen Strafsache bestellt worden waren, keine Folge.
Die Behandlung der dagegen an den Verfassungsgerichtshof erhobenen Beschwerde wurde von diesem mit Beschluß vom 30. September 1992, B 606/91, abgelehnt und diese dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.
In der nachgereichten Beschwerdeergänzung führte der Beschwerdeführer aus, er erachte sich im Recht, nicht entgegen den Bestimmungen der Strafprozeßordnung, der Rechtsanwaltsordnung und der Geschäftsordnung für die Rechtsanwaltskammer für Oberösterreich und deren Ausschuß zum Amtsverteidiger gemäß § 41 Abs. 2 StPO für den im Verfahren 34 b HV 22/89 des Landesgerichtes Linz angeklagten W bestellt zu werden, verletzt. Zur Begründung der behaupteten Rechtswidrigkeit verwies der Beschwerdeführer auf sein gesamtes Vorbringen in der Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof.
Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Einstellung des Verfahrens, in eventu die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragte, und legte die Verwaltungsakten vor.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Wie der Beschwerdeführer in seinem Vorstellungsschriftsatz ausführte und die belangte Behörde in der Gegenschrift darlegte, seien von der Abteilung II des Ausschusses der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer, der Behörde erster Instanz, im Rahmen des "Noricum-Verfahrens" zur Bestellung von 18 im Rahmen der Verfahrenshilfe beigegebenen Verteidigern 30 Rechtsanwälte in alphabetischer Reihenfolge als potentielle Anwärter auf diese Stellung in Aussicht genommen und zur Stellungnahme aufgefordert worden, bekanntzugeben, ob Hinderungsgründe vorlägen, die ihrer Bestellung entgegenstehen könnten. Während der Dauer dieses Anhörungsverfahrens seien diese Rechtsanwälte nicht in das gleichzeitig durchgeführte Verfahren zur Bestellung eines Verfahrenshilfeverteidigers für W eingebunden worden, sodaß der Beschwerdeführer als alphabetisch nächster nach diesen 30 Rechtsanwälten zum Verfahrenshilfeverteidiger von W bestellt worden sei.
Der Beschwerdeführer brachte in seiner Vorstellung im wesentlichen vor, er sei zum Zeitpunkt seiner Bestellung nicht der alphabetisch nächste in der Reihe gewesen, die Aufzeichnungen in der Kammerkanzlei bezüglich der Verteidigerbestellungen seien nicht eindeutig nachvollziehbar, da ihnen die Einhaltung der alphabetischen Reihenfolge nicht zu entnehmen sei; weiters würden die Eintragungen mit Bleistift vorgenommen, wobei ständig radiert und korrigiert werde. Die Inaussichtnahme von gerade 30 potentiellen Anwärtern habe keine gesetzliche Grundlage, andere Rechtsanwälte seien offenbar übergangen worden und er sei durch die Bestellung in seiner wirtschaftlichen Existenz bedroht.
Die belangte Behörde bestätigte mit dem angefochtenen Bescheid den Bescheid erster Instanz und führte in der Begründung im wesentlichen lediglich aus, daß aufgrund des § 16 Abs. 2 RAO "weder der Beschwerdeführer die Möglichkeit" gehabt habe, "die Übernahme der Verfahrenshilfe wegen unzumutbarer Belastung infolge überdurchschnittlicher Verfahrensdauer abzulehnen oder die Verteidigung zu einem späteren Zeitpunkt abzugeben, noch ... es der belangten Behörde möglich" gewesen sei, "von Amts wegen bei der Bestellung diese besonderen Umstände zu berücksichtigen". Auf das weitere Vorbringen des Beschwerdeführers ging die belangte Behörde nicht ein.
In seiner nunmehr an den Verwaltungsgerichtshof abgetretenen Verfassungsgerichtshofbeschwerde machte der Beschwerdeführer gegen diesen Bescheid u.a. geltend, er sei "willkürlich, das heißt ohne ausreichende Ermittlung, sowie in denkunmöglicher, weil auf die besondere wirtschaftliche und berufliche Lage des Beschwerdeführers in keiner Weise eingehenden, Gesetzesanwendung in unverhältnismäßigem Ausmaß einer unangemessenen Leistungspflicht unterworfen" worden.
Sowohl für das Verfahren der Abteilung II des Ausschusses als auch der belangten Behörde sind die Verwaltungsverfahrensgesetze und insbesondere auch das AVG nicht anzuwenden (Art. II EGVG). Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung dargetan hat, haben aber auch die Verwaltungsbehörden, die aus dem Anwendungsbereich der Verwaltungsverfahrensgesetze ausgenommen sind, aushilfsweise die im AVG niedergelegten Grundsätze eines geordneten rechtsstaatlichen Verfahrens in der Verwaltung ganz allgemein anzuwenden (vgl. hiezu die bei Walter/Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts6, Rz 59, dargelegte Rsp.mwN.).
Aus dieser Rechtsprechung folgt, daß auch im Beschwerdefall die im AVG festgelegte Begründungspflicht von Bescheiden (vgl. VwSlg. N.F. Nr. 1977 A) gilt.
Der Begründungspflicht von Bescheiden ist durch die Oberinstanz nur unter der Voraussetzung entsprochen, daß in der Begründung auf alle in dem Rechtsmittel vorgebrachten Tatsachen und Rechtsausführungen eingegangen wurde und der Oberinstanz keine durch die Begründung der Unterinstanz offengelassenen Fragen vorgelegt worden sind (vgl. hiezu die bei Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens5, S. 596, zitierte hg. Rechtsprechung).
Die belangte Behörde ist jedoch in der Begründung des angefochtenen Bescheides lediglich auf das Vorbringen des Beschwerdeführers, er sei in seiner wirtschaftlichen Existenz bedroht, eingegangen. Sein weiteres Vorbringen, unter anderem, er sei nicht alphabetisch als nächster an der Reihe gewesen, die Aufzeichnungen in der Kammerkanzlei seien mangelhaft und das Verfahren mit 30 potentiellen Anwärtern sei ungesetzlich, ließ die belangte Behörde unbeantwortet.
Im Lichte der angeführten hg. Rechtsprechung hat die belangte Behörde durch diese Vorgangsweise Verfahrensvorschriften außer acht gelassen, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen, für den Beschwerdeführer günstigeren Bescheid, nämlich der Nichtbestellung des Beschwerdeführers zum Verfahrenshilfeverteidiger, hätte kommen können.
Gemäß § 46 Abs. 1 RAO haben die Ausschüsse der Rechtsanwaltskammern bei der Bestellung (im Sinne des § 45 RAO) nach festen Regeln vorzugehen; diese haben eine möglichst gleichmäßige Heranziehung und Belastung der der betreffenden Kammer angehörenden Rechtsanwälte unter besonderer Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse zu gewährleisten. Diese Regeln sind in der Geschäftsordnung der Ausschüsse festzulegen. Nach Abs. 2 leg. cit. können diese Geschäftsordnungen allgemeine Gesichtspunkte festlegen, nach denen Rechtsanwälte aus wichtigen Gründen von der Heranziehung ganz oder teilweise befreit sind. Als wichtige Gründe sind dabei insbesondere die Ausübung einer mit erheblichem Zeitaufwand verbundenen Tätigkeit im Dienst der Rechtsanwaltschaft oder persönliche Umstände anzusehen, die die Heranziehung als besondere Härte erscheinen lassen.
Aufgrund dieser Bestimmung wurde die Geschäftsordnung für die Rechtsanwaltskammer für Oberösterreich und deren Ausschuß erlassen. Deren § 28 sieht, soweit im Beschwerdefall von Bedeutung, vor, daß der Ausschuß, wenn ein Gericht einer Partei die Beigebung eines Rechtsanwaltes bewilligt oder die Bewilligung der Verfahrenshilfe eine solche Beigebung einschließt, einen Rechtsanwalt zu bestellen hat.
Gemäß § 30 Abs. 1 dieser Geschäftsordnung hat die Bestellung von Rechtsanwälten im Sinne des § 28 der Geschäftsordnung innerhalb der im Sprengel des Gerichtshofes erster Instanz ansässigen Rechtsanwälte in alphabetischer Reihenfolge zu erfolgen.
Wenn der an die Reihe kommende Rechtsanwalt berechtigt ist, die Übernahme einer Vertretung in einem besonderen Fall abzulehnen, ist gemäß § 30 Abs. 2 dieser Geschäftsordnung der in der alphabetischen Reihenfolge folgende Rechtsanwalt zu bestellen und dem übergangenen Rechtsanwalt die nächstfolgende Vertretung zuzuteilen.
Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 7. Oktober 1993, Zl. 92/01/0758, ausgesprochen hat, ist daraus ersichtlich, daß die von der Abteilung II des Ausschusses im Beschwerdefall gewählte Vorgangsweise der Versendung von "Proponentenlisten" nicht dem Gesetz entspricht. Eine derartige Vorgangsweise würde dem Grundsatz der Bestellung nach festen Regeln widersprechen, da die Anzahl der in eine derartige Liste aufgenommenen Personen keiner Regel unterworfen und der sich daraus ergebende Turnus variabel, damit aber unüberprüfbar und willkürlich ist. Vielmehr sieht der § 30 Abs. 2 der Geschäftsordnung der Rechtsanwaltskammer Oberösterreich und deren Ausschuß eindeutig vor, daß zunächst einmal "der an die Reihe kommende Rechtsanwalt" zu bestellen ist. Erst wenn dieser im Sinne des § 28 Abs. 2 GO berechtigt wäre, die Übernahme der Vertretung im besonderen Fall abzulehnen, erst DANN wäre nach § 30 Abs. 2 leg. cit. der in der alphabetischen Reihenfolge folgende Anwalt zu bestellen gewesen.
Wenn auch der Beschwerdeführer das Abgehen von der alphabetischen Reihenfolge bei seiner Bestellung in der Beschwerde bzw. in der Beschwerdeergänzung nicht mehr ausdrücklich gerügt hat, so ist die - wie aufgezeigt - in dieser Vorgangsweise gelegene Rechtswidrigkeit doch vom Beschwerdepunkt (nicht "entgegen den Bestimmungen ... der Rechtsanwaltsordnung und der Geschäftsordnung für die Rechtsanwaltskammer für Oberösterreich" bestellt zu werden) umfaßt. Im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte hat der Verwaltungsgerichtshof alle für die Entscheidung der Frage, ob das betreffende subjektive Recht des Beschwerdeführers verletzt worden ist oder nicht, maßgebenden Gründe zu beachten. Es ist daher eine für die Entscheidung über die Rechtswidrigkeit im Rahmen der Beschwerdepunkte maßgebende inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides vom Verwaltungsgerichtshof auch dann aufzugreifen, wenn sie vom Beschwerdeführer weder ausdrücklich noch nach dem Inhalt der Beschwerde geltend gemacht wurde (vgl. die in Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, Wien 1987, S. 566, angeführte Judikatur).
Der die rechtswidrige Vorgangsweise der Abteilung II des Ausschusses bestätigende angefochtene Bescheid erweist sich somit als sowohl mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften als auch mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet. Da die Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes der Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften vorgeht (vgl. die in Dolp, aaO, S. 572, angeführte Judikatur), mußte der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben werden.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
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