VwGH 95/21/0046

VwGH95/21/004615.12.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Baur als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des Dr. G, Rechtsanwalt in D, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 25. Oktober 1993, Zl. 645.414/5-III/16/93, betreffend Mutwillensstrafe, zu Recht erkannt:

Normen

AuskunftspflichtG 1987 §1 Abs2;
AVG §35;
AVG §73 Abs2;
VwGG §62 Abs1;
VwRallg;
ZPO §63 Abs1;
AuskunftspflichtG 1987 §1 Abs2;
AVG §35;
AVG §73 Abs2;
VwGG §62 Abs1;
VwRallg;
ZPO §63 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid verhängte die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 35 erster Fall AVG eine Mutwillensstrafe in der Höhe von S 500,--.

Begründend führte die belangte Behörde aus, daß der Beschwerdeführer eine türkische Staatsangehörige in einem Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes rechtsfreundlich vertreten habe. Gegen das von der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn mit Bescheid vom 23. September 1992 gegen diese türkische Staatsangehörige verhängte Aufenthaltsverbot brachte diese, vertreten durch den Beschwerdeführer, am 7. Oktober 1992 Berufung ein. Die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg habe am 30. August 1993 den Berufungsbescheid verfaßt und der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn zur nachweislichen Zustellung an die Berufungswerberin übermittelt. Dieser Bescheid sei bei der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn am 1. September 1993 eingelangt. Der Beschwerdeführer habe sich bei der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg telefonisch erkundigt, bis wann mit einer Erledigung zu rechnen sei. Hiebei sei ihm mitgeteilt worden, daß der Berufungsbescheid bereits unterwegs sei und sich bei der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn befinden dürfte. Der Beschwerdeführer habe sich danach am 6. September 1993 telefonisch bei der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn nach dem Stand des Verfahrens erkundigt. Dort habe er erfahren, daß die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg einen abweislichen Bescheid verfaßt habe und der Zustellvorgang bereits im Gange sei. Noch am gleichen Tag, also am 6. September 1993, habe der Beschwerdeführer per Telefax beim Bundesminister für Inneres einen Antrag gemäß § 73 Abs. 2 AVG auf Übergang der Entscheidungspflicht gestellt.

Rechtlich führte die belangte Behörde aus, die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg als Berufungsbehörde habe nicht in der gemäß § 73 Abs. 1 AVG gebotenen Frist entschieden. Zur Durchsetzung der Entscheidungspflicht gegenüber der Behörde sehe § 73 Abs. 2 AVG das Institut des Devolutionsantrages vor. Mit der Einbringung eines Devolutionsantrages gehe die Entscheidungspflicht auf die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde über. Dieses Instrument sei somit ein wirksames Mittel, um allfällige behördliche Untätigkeit im Zuge eines Verwaltungsverfahrens hintanzuhalten. Der Beschwerdeführer habe aufgrund der ihm erteilten Auskünfte bei seinen telefonischen Anfragen bei der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg und bei der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit annehmen müssen, daß der Bescheid in Kürze zugestellt werde. Erst aufgrund dieses Wissensstandes habe er bei der belangten Behörde einen Antrag auf Übergang der Entscheidungspflicht gestellt und damit den gesetzmäßigen Verfahrensabschluß durch Zustellung des Berufungsbescheides verhindert. Da die formellen Voraussetzungen des § 73 Abs. 2 AVG gegeben gewesen seien, habe dieser Antrag den Zuständigkeitsübergang von der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg auf das Bundesministerium für Inneres begründet. Mit dieser Maßnahme habe der Beschwerdeführer genau das Gegenteil von dem erreicht, was § 73 AVG bezwecke, nämlich den möglichst raschen Abschluß des Verfahrens. Aufgrund der dem Beschwerdeführer gegebenen telefonischen Auskünfte sei als erwiesen anzunehmen, daß dem Beschwerdeführer die Nutz- und Zwecklosigkeit seines Anbringens bewußt sein habe müssen und es seine Absicht gewesen sei, durch Bewirken des Überganges der Zuständigkeit zur Bescheiderlassung an die belangte Behörde zusätzliche behördliche Aktivitäten hervorzurufen, um den Abschluß des anhängigen Verwaltungsverfahrens zu verschleppen. Die Einbringung des Devolutionsantrages sei daher offenbar mutwillig erfolgt. Bei der Festlegung des Strafausmaßes sei zu berücksichtigen gewesen, daß der belangten Behörde keine gleichartige erfolgte Bestrafung bekannt sei und zur Erreichung des Strafzweckes aber eine geringere Strafe als S 500,-- als nicht ausreichend zu erachten sei.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte mit Beschluß vom 26. September 1994, Zl. B 13/94-5, deren Behandlung ab und trat sie mit weiterem Beschluß vom 24. Oktober 1994, B 13/94-7, dem Verwaltungsgerichtshof ab. Vor dem Verwaltungsgerichtshof macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch von der Einbringung einer Gegenschrift ab.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer meint, der Bescheid sei inhaltlich rechtswidrig aus folgendem Grund: Bringe ein Rechtsanwalt zur Wahrung der Interessen seiner Partei einen Devolutionsantrag ein und gebe die zur Entscheidung über den Devolutionsantrag zuständige Behörde diesem Antrag statt, so sei der Bescheid, mit dem wegen der Einbringung des Devolutionsantrages eine Mutwillensstrafe verhängt worden sei, inhaltlich rechtswidrig.

Dem ist zu entgegnen, daß einerseits die Rechtswirksamkeit des schriftlichen Verlangens nach Übergang der Entscheidungspflicht unmittelbar mit dessen Einbringung bei der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde eintritt und andererseits die Wahrung der Interessen einer Partei ihre Grenze in § 35 AVG findet. Nach dieser Bestimmung kann die Behörde gegen Personen, die offenbar mutwillig ihre Tätigkeit in Anspruch nehmen, eine Mutwillensstrafe bis S 1.000,-- verhängen. Diese Bestimmung findet auch auf berufsmäßige Parteienvertreter Anwendung (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. September 1954, Slg. N.F. Nr. 3.500/A). Die Verhängung einer Mutwillensstrafe soll die Behörde vor Behelligung, die Partei aber vor Verschleppung der Sache schützen. Wer offenbar mutwillig die Tätigkeit der Behörde in welcher Weise immer in Anspruch nimmt, soll mit der in § 35 AVG vorgesehenen Mutwillensstrafe belegt werden können. Mutwillig nimmt die Behörde in Anspruch, wer sich in dem Bewußtsein der Grund- und Aussichtslosigkeit, der Nutz- und Zwecklosigkeit seines Anbringens an die Behörde wendet, sowie wer aus Freude an der Behelligung der Behörde handelt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 4. September 1973, Slg. N.F. Nr. 8.448/A). Im vorliegenden Fall wurde dem Beschwerdeführer auf seine telefonische Anfrage hin mitgeteilt, daß der Zustellvorgang des von ihm urgierten Bescheides bereits im Gange sei. Aufgrund dieser Mitteilung brachte der Beschwerdeführer am selben Tag per Telefax bei der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde einen Antrag gemäß § 73 Abs. 2 AVG ein. Der Verwaltungsgerichtshof hält ein solches Vorgehen durch einen Rechtsanwalt für mutwillig. Die belangte Behörde hat zutreffend darauf hingewiesen, daß damit nicht der vom § 73 AVG verfolgte Zweck erreicht, sondern genau das Gegenteil bewirkt wurde.

Der Beschwerdeführer hält den angefochtenen Bescheid auch deswegen für rechtswidrig, weil die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg sich in ihrer Entscheidung mit dem Antrag auf Gewährung eines Durchsetzungsaufschubes nicht befaßt habe.

Auch damit kann der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzeigen. Der Antrag auf Übergang der Zuständigkeit an die belangte Behörde wurde damit begründet, daß die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg mit der Entscheidung über die Berufung gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn, mit welchem gegen die vom Beschwerdeführer vertretene türkische Staatsangehörige ein Aufenthaltsverbot erlassen wurde, säumig wurde. Sache des Berufungsverfahrens war sohin der Gegenstand des Bescheides der Behörde erster Instanz, soweit er mit Berufung bekämpft wurde, im vorliegenden Fall ausschließlich die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes. Die Behörde erster Instanz hat sich mit einem Durchsetzungsaufschub nicht befaßt und war ein solcher auch nicht Gegenstand der Berufung. Nach dem Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten wurde ein solcher Antrag erst im Berufungsverfahren mit der Stellungnahme der Berufungswerberin vom 12. März 1993, eingelangt bei der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg am 15. März 1993, gestellt. Darüber hinaus war zum oben genannten Zeitpunkt des Devolutionsantrages die Frist des § 73 Abs. 2 AVG noch nicht abgelaufen. Überdies war dieser Antrag nicht Gegenstand des Devolutionsantrages.

Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften macht der Beschwerdeführer geltend, daß ihm kein Parteiengehör gewährt worden sei. Bei Vermeidung dieses Verfahrensmangels hätte er vorgebracht, daß einzelne Fremdenpolizeibehörden in Vorarlberg in der Vergangenheit wiederholt die Erlassung (Zustellung) von Bescheiden zugesagt hätten, diese Versprechen aber

- offensichtlich wegen Personalmangels - nicht bzw. nicht rechtzeitig einhalten hätten können. Darüber hinaus habe es die belangte Behörde verabsäumt, die gegen die Verhängung einer Mutwillensstrafe sprechenden Kriterien zu erheben.

Dieses Vorbringen führt die Beschwerde nicht zum Erfolg. Der Beschwerdeführer unterläßt es, die Relevanz dieser gerügten Verfahrensverletzungen darzutun. Der Hinweis auf die angebliche Handlungsweise einzelner Fremdenpolizeibehörden in Vorarlberg hat im vorliegenden Fall keine Bedeutung. Das Vorliegen dieser behaupteten Zustände auch bei der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn wurde nicht einmal behauptet und ist aufgrund des Ausweises der vorgelegten Akten auch auszuschließen. Der Beschwerdeführer zeigt nicht auf, welche gegen die Verhängung einer Mutwillensstrafe sprechenden Kriterien die belangte Behörde nicht erhoben hat bzw. welche sie bei Vermeidung dieses Verfahrensmangels erheben hätte können und die zu einem anderen Ergebnis geführt hätten.

Aus diesen Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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