Normen
FrG 1993 §18 Abs1;
FrG 1993 §18 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
FrG 1993 §18 Abs1;
FrG 1993 §18 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.980,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol (der belangten Behörde) wurde gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen der Volksrepublik China, gemäß § 18 Abs. 1 Z. 1, Abs. 2 Z. 6 und §§ 19, 20 und 21 FrG ein Aufenthaltsverbot in der Dauer von zehn Jahren erlassen.
In der Begründung ging die belangte Behörde davon aus, daß dem Beschwerdeführer aufgrund seines Antrages vom 25. Februar 1989 von der österreichischen Botschaft in Peking ein Sichtvermerk am 6. März 1989, gültig bis 6. Juni 1989, ausgestellt worden sei. Der Beschwerdeführer habe in diesem Antrag die Gültigkeitsdauer mit "one year" angegeben und als Reiseziel das China-Restaurant A in V und als Reisezweck "to be a chef to work there" bezeichnet. Diesem Antrag seien die Einzelsicherungsbescheinigung des Arbeitsamtes Villach vom 2. Jänner 1989 und mehrere chinesische Urkunden beigeschlossen worden. Nach diesen Urkunden habe der Beschwerdeführer im Restaurant T vom 28. Oktober 1987 bis 3. Mai 1988 den Beruf des Kochs erlernt; es sei ihm der vierte Kochgrad verliehen worden und er werde nach Ablauf der Gültigkeitsdauer des Visums an seine Arbeitsstelle im Restaurant T zurückkehren, um dort weiterhin zu arbeiten.
Dem Beschwerdeführer sei am 22. Mai 1989 von der Bundespolizeidirektion Villach ein Sichtvermerk mit Gültigkeitsdauer bis 31. Jänner 1990 erteilt worden. Anschließend seien ihm von der Bundespolizeidirektion Wien und von der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck Sichtvermerke mit einer Gültigkeitsdauer bis 9. November 1993 erteilt worden. Am 11. Juni 1993 sei der Beschwerdeführer in K zur polizeilichen Anmeldung gelangt. Er habe am 22. Juni 1993 bei der Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel einen Sichtvermerk beantragt.
Der Beschwerdeführer habe bei der Beantragung des Sichtvermerkes bei der österreichischen Botschaft in Peking gegenüber dieser Behörde bzw. deren Organen unrichtige Angaben jedenfalls über die beabsichtigte Dauer seines Aufenthaltes im Bundesgebiet gemacht, um sich die Einreise und anschließende Aufenthaltsberechtigung zu verschaffen. Der Beschwerdeführer habe belegt durch die dem Sichtvermerksantrag angeschlossenen Urkunden angegeben, zeitlich begrenzt nach Österreich reisen zu wollen, um im China-Restaurant in V als Chefkoch zu arbeiten, und nach Ablauf des Visums nach China an seine bisherige Arbeitsstätte zurückzukehren, um dort weiter zu arbeiten. Diese Angaben über die beabsichtigte Dauer seines Aufenthaltes seien unrichtig. Er habe bereits bei der Sichtvermerksbeantragung bei der österreichischen Botschaft in Peking die Absicht gehabt, jedenfalls langfristig in Österreich zu bleiben. Er sei auch tatsächlich nach Ablauf des erteilten Sichtvermerkes in Österreich verblieben. Es entspreche der Lebenserfahrung, daß ein Fremder, der nach Ablauf eines ihm erteilten kurzfristigen Sichtvermerkes nicht ausreise und im Bundesgebiet die Absicht kundtue, für längere Zeit zu Arbeitszwecken in Österreich zu verbleiben, diese Absicht bereits beim Antrag auf Erteilung des Sichtvermerkes gehabt habe.
Der Aufenthaltsverbotsgrund des § 18 Abs. 2 Z. 6 FrG sei verwirklicht; die im § 18 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme gerechtfertigt.
Das Aufenthaltsverbot stelle einen Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers dar. Dieser Eingriff sei aber im Hinblick auf das gewichtige öffentliche Interesse an einem geordneten Einwanderungs- bzw. Fremdenwesen zur Erreichung des im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Zieles des Schutzes der öffentlichen Ordnung dringend geboten.
Der Beschwerdeführer sei seit März 1989 in Österreich. Sein Aufenthalt seit 10. November 1993 sei rechtswidrig. Seit fünf Jahren arbeite der Beschwerdeführer im Bundesgebiet in Chinarestaurants und sei daher dementsprechend integriert. Familiäre Bindungen an das Bundesgebiet habe der Beschwerdeführer zu seinem älteren Bruder in Wien. Durch das Aufenthaltsverbot werde zwar das Leben des Beschwerdeführers beeinträchtigt, allerdings seien diese Beeinträchtigungen nicht besonders schwerwiegend.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet. Auf die Erstattung einer Gegenschrift wurde verzichtet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer macht geltend, daß nach seinem Willen der am 25. Februar 1989 beantragte Sichtvermerk ein Jahr in Geltung sein sollte. Über die tatsächlich beabsichtigte Aufenthaltsdauer in Österreich lasse sich daraus nichts entnehmen. Zum Zeitpunkt seiner Einreise nach Österreich habe er tatsächlich nur vorübergehend in Österreich bleiben wollen. Seine Absicht, nur für kurze Zeit in Österreich zu bleiben, habe er geändert, als er zur Erkenntnis gelangt sei, daß er seine Fähigkeiten als Koch in Österreich wesentlich besser als in seiner Heimat einsetzen könne.
Dem ist zu entgegnen, daß die Gültigkeitsdauer eines erteilten Sichtvermerkes nicht anders zu verstehen ist, als daß der Aufenthalt spätestens mit Ablauf dieser Frist zu enden hat. Der Beschwerdeführer hat ja selbst von vornherein eine Befristung gewählt und durch Vorlage von Urkunden die Richtigkeit und Ernsthaftigkeit dieser Wahl untermauert. Wenn die belangte Behörde aufgrund des tatsächlichen Verhaltens des Beschwerdeführers den Schluß gezogen hat, daß er von vornherein jedenfalls langfristig in Österreich zu Arbeitszwecken bleiben wollte, vermag der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der ihm zustehenden Kontrolle der Schlüssigkeit der Beweiswürdigung (vgl. dazu das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053) dies nicht als rechtswidrig zu erkennen. Der tatsächliche Geschehensablauf entspricht der von der belangten Behörde hervorgehobenen Lebenserfahrung. Dem Beschwerdeführer wurde am 6. März 1989 ein Sichtvermerk zum Zwecke der Arbeitsaufnahme für drei Monate erteilt. Am 22. Mai 1989 stellte er in V den Antrag auf Erteilung eines Sichtvermerkes, obwohl nach seiner Sachverhaltsdarstellung in der Beschwerde der Restaurantbetrieb, in dem er arbeitete, in finanzielle Schwierigkeiten geriet und man ihm nahelegte, das Dienstverhältnis zu beenden. Wenn die belangte Behörde dem Beschwerdeführer keinen Glauben schenkte, daß er seine Absicht erst in Österreich geändert habe, weil er erkannt habe, daß er seine Fähigkeiten als Koch in Österreich besser einsetzen könne, kann ihr darüber hinaus schon deswegen nicht entgegengetreten werden, weil nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten der Beschwerdeführer zumindestens in den letzten drei Sichtvermerksanträgen seinen Beruf mit "Kellner" angab.
Wenn der Beschwerdeführer im gegebenen Zusammenhang die Unterlassung der Einvernahme seines in Wien lebenden Bruders rügt, ist ihm zu entgegnen, daß ein angebotener Beweis nicht nur dann abzulehnen ist, wenn das Beweismittel an sich nicht geeignet ist, sondern auch dann, wenn das angegebene Beweisthema für die zu treffende Entscheidung unerheblich ist. In der an die belangte Behörde gerichteten Stellungnahme vom 15. Februar 1994 führte der Beschwerdeführer aus, daß er zur Kenntnis habe nehmen müssen, in der relativ kurzen Zeit seines Aufenthaltes seine Deutschkenntnisse nicht so vervollständigen zu können, wie er es vorgehabt habe. Darüber hinaus sei der Restaurant-Betrieb in V in finanzielle Schwierigkeiten geraten, sodaß man ihm nahegelegt habe, das Dienstverhältnis zu beenden. Er sei zur Erkenntnis gelangt, daß er seine Fähigkeiten als Koch in Österreich wesentlich besser als in seiner Heimat einsetzen könne, weshalb er sich neuerlich um Arbeitsgenehmigungen bzw. Sichtvermerke bemüht habe. In diesem Zusammenhang sei festzuhalten, daß der ältere Bruder im Besitz einer Arbeitsgenehmigung und eines Sichtvermerkes sei und auch er den Beschwerdeführer animiert habe, doch längere Zeit in Österreich zu bleiben; in der Beschwerde wird dazu an einer Stelle darauf hingewiesen, daß die Anwesenheit der Brüder des Beschwerdeführers in Österreich Grund dafür war, für längere Zeit in Österreich zu bleiben und an anderem Ort ausgeführt, daß er von den Brüdern bewogen worden wäre, für längere Zeit in Österreich zu bleiben. Im Rahmen der Darstellung des Sachverhaltes führte er hingegen aus, daß er seine Absicht in Österreich erst dann geändert habe, als er zur Einsicht gelangt sei, daß er einerseits seine Deutschkenntnisse in dieser Zeit nicht wie gewollt vervollständigen könne und andererseits er seine Fähigkeiten als Koch in Österreich wesentlich besser als in seiner Heimat einsetzen könne. Bei dieser Sachlage ist die Auffassung der belangten Behörde, daß der Beschwerdeführer bereits im Zeitpunkt der Antragstellung bei der Botschaft in Peking die Absicht gehabt habe, länger als beantragt in Österreich zu bleiben, nicht rechtswidrig.
Entscheidungswesentlich ist, ob der Beschwerdeführer bei seiner Antragstellung bei der österreichischen Botschaft in Peking, also vor seiner Einreise die Absicht gehabt hat, länger als beantragt in Österreich zu bleiben oder nicht. Dazu können das im Antrag auf Einvernahme des Bruders angegebene Beweisthema sowie die in der Beschwerde als unter Beweis zu stellenden Sachverhalte nichts beitragen. Aus diesem Vorbringen ergibt sich, daß der Beschwerdeführer vorgibt, er habe von sich aus aus den von ihm genannten Gründen seine Absicht geändert. Dazu bedurfte es aber nicht der beantragten Einvernahme seines Bruders. Die belangte Behörde hätte nur dann die Einvernahme nicht unterlassen dürfen, wenn der Beschwerdeführer behauptet hätte, daß er die erforderlichen Maßnahmen zur Rückkehr in seine Heimat getroffen habe und er daraufhin von seinem Bruder zum weiteren Verbleib bewogen worden sei. Die Beschwerde kann daher die Relevanz eines allfälligen Verfahrensmangels nicht aufzeigen.
Demnach konnte die belangte Behörde rechtsrichtig davon ausgehen, daß der Beschwerdeführer den Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 6 FrG verwirklicht hat. Aufgrund der Verwirklichung des Tatbestandes des § 18 Abs. 2 Z. 6 FrG schloß die belangte Behörde, daß die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei.
Voraussetzung für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes ist nach § 18 Abs. 1 FrG die auf bestimmte Tatsachen gegründete Prognose, daß der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit oder die im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten öffentlichen Interessen erheblich gefährdet. § 18 Abs. 1 FrG ordnet sohin an, daß bei Vorliegen eines der im Abs. 2 leg. cit. aufgezählten Tatbestände eine Beurteilung dahingehend vorzunehmen ist, ob dieser Tatbestand in concreto die umschriebene Annahme rechtfertigt (vgl. dazu die
hg. Erkenntnisse vom 23. Juni 1994, Zl. 93/18/0493 und Zl. 94/18/0196). Um die umschriebene Prognose treffen zu können, ist das Gesamtverhalten des Beschwerdeführers zu berücksichtigen. Es kommt daher nicht nur seinem Fehlverhalten entscheidende Bedeutung zu, sondern auch der Dauer seines Wohlverhaltens seit der Verwirklichung eines der Tatbestände des § 18 Abs. 2 FrG. Je länger die Verwirklichung von Tatbetänden des § 18 Abs. 2 FrG zurückliegt, desto größeres Gewicht kommt dem Wohlverhalten des Beschwerdeführers seit diesem Zeitpunkt zu. Im vorliegenden Fall lagen die vom Beschwerdeführer gesetzten, im Sinne des § 18 Abs. 2 Z. 6 FrG verpönten Verhaltensweisen bereits mehr als vier Jahre zurück. Dazu kommt, daß sich der Beschwerdeführer seither aufgrund später erteilter Sichtvermerke rechtmäßig im Inland aufhält. Dadurch, daß die belangte Behörde diese Umstände nicht in ihre Überlegung miteinbezog, belastete sie den Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes.
Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung
BGBl. Nr. 416/1994.
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