VwGH 95/20/0134

VwGH95/20/013428.11.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Baur als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde des S in W, vertreten durch die Dr. F, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 29. September 1994, Zl. 4.334.955/1-III/13/92, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1991 §1 Z1;
AsylG 1991 §1 Z1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid des Bundesministers für Inneres wurde die gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 24. März 1992, mit dem das Nichtvorliegen der Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers, eines Staatsangehörigen des Irak, festgestellt worden war, erhobene Berufung des Beschwerdeführers abgewiesen und damit die Asylgewährung versagt.

Begründend führte die belangte Behörde - zusammengefaßt - aus: Der Beschwerdeführer sei am 27. Februar 1992 in das Bundesgebiet eingereist und habe bei seiner niederschriftlichen Befragung am 9. März 1992 vor der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich als Grund für die Ausreise aus seinem Heimatland angegeben, er sei am 3. August 1990 von der irakischen Armee desertiert. Er habe sich zunächst für etwa 3 Monate in der Stadt Mosul versteckt gehalten und sei danach in den Nordirak geflohen. In der Stadt Al Kosh habe er sich freiwillig zur christlich demokratischen Partei gemeldet, an deren Seite er gegen den Diktator Saddam Hussein gekämpft habe. Als im März 1991 irakische Truppen ihre Angriffe gegen die Dörfer im Norden intensiviert hätten, sei er in die Berge Kurdistans geflüchtet. Bei einem Angriff kurdischer Oppositioneller am 2. August 1991 gegen irakische Stellungen, an dem er teilgenommen habe, seien mehrere irakische Soldaten getötet worden. Auf dem Rückzug seien sie von Einheiten der irakischen Armee verfolgt worden und dabei habe er einen Streifschuß am linken Knöchel erlitten. Zwei Tage später habe er sich über die grüne Grenze in die Türkei abgesetzt. Im Falle seiner Rückkehr in den Irak hätte er mit der sofortigen Verhaftung und aufgrund seines Fernbleibens vom Militär und seiner Zugehörigkeit zur demokratischen Partei mit der sofortigen Erschießung zu rechnen.

Dem hielt die belangte Behörde entgegen, daß die Einberufung zum Wehrdienst bzw. die bei seiner Verweigerung drohende Bestrafung nicht als asylrelevante Verfolgung gewertet werden könne; vielmehr sei Wehrdienstverweigerung auch in klassisch demokratischen und rechtsstaatlichen Ländern mit Strafe bedroht. Eine deswegen drohende, auch strenge Strafe stelle keinen Asylgrund dar.

Die behauptete Mitgliedschaft bei einer oppositionellen Partei und die Beteiligung am kurdischen Widerstand könne deshalb die Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers nicht begründen, weil dem Vorbringen nicht entnommen werden könne, daß die irakischen Behörden tatsächlich Kenntnis von der behaupteten Aktivität des Beschwerdeführers erlangt hätten und er deshalb einer konkreten, gegen ihn selbst gerichteten Verfolgungshandlung ausgesetzt gewesen wäre. Der Beschwerdeführer habe lediglich behauptet, an militärischen Auseinandersetzungen mit der irakischen Armee beteiligt gewesen zu sein und dabei einen Streifschuß erlitten zu haben. Damit sei aber keineswegs dargetan, daß er den staatlichen Organen seines Heimatstaates wegen dieser Aktivitäten bekannt geworden sei. Seine in diesem Zusammenhang erlittene Verletzung könne nicht als Folge einer konkret gegen ihn wegen seiner politischen Gesinnung gerichteten Verfolgungshandlung angesehen werden.

Der Verfassungsgerichtshof, bei dem der Beschwerdeführer diesen Bescheid zunächst bekämpfte, lehnte die Behandlung der Beschwerde ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab (Beschluß vom 27. Februar 1995, B 2161/94-11). Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Auffassung der belangten Behörde, daß die bei Entziehung vom Wehrdienst drohende Bestrafung asylrechtlich nicht relevant sei. Es müsse als allgemein bekannt vorausgesetzt werden, daß Deserteure im Irak mit der Hinrichtung bedroht seien. Der Beschwerdeführer habe im Falle der Rückkehr in sein Heimatland nicht nur mit einer "strengen Bestrafung", sondern vielmehr mit der Todesstrafe zu rechnen.

Damit wird aber nicht dargetan, daß die dem Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr wegen Desertion drohende Strafe eine Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention darstellt. Nach der hg. Judikatur könnte die Flucht wegen Entziehung vom Militärdienst nur dann asylrechtlich relevant sein, wenn die Einberufung zum Militärdienst aus einem der in der Flüchtlingskonvention genannten Gründe erfolgt wäre oder aus solchen Gründen eine drohende allfällige Bestrafung wegen Wehrdienstverweigerung schwerer als gegenüber anderen Staatsangehörigen wiegen würde (vgl. hiezu insbesondere das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 29. Juni 1994, Zl. 93/01/0377). Daß dem Beschwerdeführer aus in der Genfer Flüchtlingskonvention angeführten Gründen eine härtere Bestrafung als anderen Staatsangehörigen gedroht hätte, hat er laut der unbestritten gebliebenen, im angefochtenen Bescheid enthaltenen Darstellung seiner erstinstanzlichen Ausführungen weder im Verwaltungsverfahren noch in seiner Beschwerde vorgebracht. Allein aus dem Umstand, daß im Irak auf die Entziehung vom Militärdienst während der im Zeitpunkt seiner Flucht im Irak herrschenden Situation allgemein die Todesstrafe vorgesehen war und nach dem Vorbringen in der Beschwerde auch nach wie vor vollstreckt wird, kann noch nicht auf eine Verfolgung aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention angeführten Gründen geschlossen werden.

Die Beschwerde wendet sich weiters gegen die Folgerung der belangten Behörde, dem Vorbringen des Beschwerdeführers könne nicht entnommen werden, daß die irakischen Behörden Kenntnis von der behaupteten Mitgliedschaft bei einer oppositionellen Partei und seiner Beteiligung am kurdischen Wiederstand erlangt hätten. Der Asylwerber habe nämlich die von ihm aufgestellten Behauptungen nicht förmlich zu beweisen, sondern lediglich glaubhaft zu machen.

Der Beschwerdeführer verkennt hier die Bedeutung der in der vorangeführten Schlußfolgerung der Behörde gelegenen Aussage. Die belangte Behörde hat damit nicht zum Ausdruck gebracht, daß es dem Beschwerdeführer nicht gelungen wäre, ein erstattetes, asylrechtlich relevantes Vorbringen glaubhaft zu machen. Die belangte Behörde steht vielmehr auf dem Standpunkt, daß seinen Aussagen vor der Behörde erster Instanz - diese sind gemäß § 20 Abs. 1 Asylgesetz 1991 der Entscheidung zugrunde zu legen - überhaupt kein asylrechtlich relevantes Vorbringen zu entnehmen sei. Dies trifft auch zu. Daß die Furcht des Beschwerdeführers vor einer drohenden Bestrafung wegen seiner Desertion vom Militärdienst seine Flüchtlingseigenschaft nicht zu begründen vermag, wurde bereits ausgeführt. Im übrigen hat der Beschwerdeführer weder in erster Instanz noch in der vorliegenden Beschwerde behauptet, daß den irakischen Behörden seine behauptete Mitgliedschaft bei einer oppositionellen Partei und seine aktive Teilnahme im Rahmen der kurdischen Widerstandsbewegung gegen das herrschende Regime bekannt geworden wäre. Wenn aber davon auszugehen ist, daß die behauptete politische Gesinnung des Beschwerdeführers und seine aktive Mitgliedschaft bei der politischen Opposition den staatlichen Organen nicht zur Kenntnis gelangt ist, er einer direkten, unmittelbaren Verfolgungshandlung gegen ihn als politisch Andersdenkender nicht ausgesetzt war, so ist weder auf Basis des Vorbringens im Verwaltungsverfahren noch aufgrund der Beschwerdeausführungen ersichtlich, warum eine Furcht, aus Gründen der Konvention verfolgt zu werden, vorliegen und deshalb aus objektiver Sicht für ihn ein weiterer Verbleib in seinem Heimatland unerträglich gewesen sein soll.

Die weiters erhobene Verfahrensrüge, daß der von der Behörde erster Instanz beigezogene Dolmetscher die Aussagen des Beschwerdeführers unzureichend übersetzt habe und sich deshalb Wortpassagen in der Niederschrift fänden, die er in dieser Form gar nicht gesagt habe, ist einer näheren Überprüfung nicht zugänglich. Den Beschwerdeausführungen kann nicht entnommen werden, welche Aussagen des Beschwerdeführers unrichtig übersetzt worden sein sollen, welches Vorbringen der Beschwerdeführer nach seinen Angaben tatsächlich erstattet habe sowie welche Ereignisse durch die Beiziehung eines anderen, geeigneten Dolmetschers hätten unter Beweis gestellt werden sollen. Damit ist es dem Beschwerdeführer aber nicht gelungen, das Vorliegen eines wesentlichen Verfahrensmangels darzutun.

Da sohin bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die vom Beschwerdeführer behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, ist die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

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