VwGH 95/18/1333

VwGH95/18/13339.11.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte

Dr. Zeizinger, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Rigler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des H in W, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 30. August 1995, Zl. SD 984/95, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

EheG §23;
FrG 1993 §18 Abs1;
FrG 1993 §19;
EheG §23;
FrG 1993 §18 Abs1;
FrG 1993 §19;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 30. August 1995 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 18 Abs. 1 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen.

Dem Beschwerdeführer, der am 1. März 1992 in das Bundesgebiet eingereist sei, sei aufgrund einer Verpflichtungserklärung ein Sichtvermerk mit Gültigkeitsdauer bis 30. September 1992 erteilt worden. Am 19. August 1992 habe der Beschwerdeführer eine österreichische Staatsbürgerin geheiratet und im Hinblick darauf sowie auf den ihm antragsgemäß erteilten Befreiungsschein neuerlich einen Sichtvermerk (gültig bis 10. November 1994) erhalten. Mittlerweile sei die Ehe des Beschwerdeführers vom Bezirksgericht Donaustadt gemäß § 23 Ehegesetz für nichtig erklärt worden. Aus den Entscheidungsgründen des in Rechtskraft erwachsenen Urteiles vom 30. März 1994 ergebe sich, daß die Ehe nur deshalb geschlossen worden sei, um dem Beschwerdeführer eine Arbeits- und eine Aufenthaltsbewilligung zu verschaffen. Angesichts dieses Sachverhaltes sei die Erstbehörde zu Recht davon ausgegangen, daß die Voraussetzungen des § 18 Abs. 1 leg. cit. gegeben seien.

Auf dem Boden der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes könne nämlich ein Aufenthaltsverbot rechtens ausschließlich auf diese Gesetzesstelle gestützt werden, wenn triftige Gründe vorlägen, die zwar nicht die Voraussetzungen der im § 18 Abs. 2 FrG angeführten Fälle aufwiesen, wohl aber in ihrer Gesamtheit die im § 18 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme rechtfertigten (vgl. u.a. das Erkenntnis vom 21. Juli 1994, Zl. 94/18/0315).

Im vorliegenden Fall sei das im Grunde des § 18 Abs.1 leg. cit. relevante Gesamt(fehl)verhalten des Beschwerdeführers in der rechtsmißbräuchlichen Eingehung einer Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin - daß diese vom Gericht rechtskräftig für nichtig erklärt worden sei, bleibe in der Berufung unbestritten - zwecks Beschaffung fremdenrechtlich bedeutsamer Berechtigungen (Beschäftigungsbewilligung, Aufenthaltsberechtigung) zu erblicken. Entgegen der Meinung des Beschwerdeführers handle es sich bei diesem Rechtsmißbrauch um ein die öffentliche Ordnung erheblich beeinträchtigendes, seinem Gehalt nach dem Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 6 leg. cit. gleichzusetzendes Verhalten, das eine bestimmte Tatsache im Sinne des § 18 Abs. 1 leg. cit. darstelle, welche die dort umschriebene Annahme in Ansehung der öffentlichen Ordnung (konkret: des öffentlichen Interesses an einem geordneten Fremdenwesen) rechtfertige (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Jänner 1995, Zl. 94/18/1053). In einem solchen Fall sei gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot zu erlassen, wenn dem nicht die Bestimmungen der §§ 19 und 20 leg. cit. entgegenstünden.

Diesbezüglich sei zunächst festzuhalten, daß der Aufenthalt des Beschwerdeführers ebenso wie seine Beschäftigung hinsichtlich deren jeweiliger Berechtigung letztlich auf der rechtsmißbräuchlich eingegangenen Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin basierten. Selbst wenn man unbeschadet dessen dennoch einen im Grunde des § 19 leg. cit. relevanten Eingriff in das Privatleben des Berufungswerbers annehmen wollte, so wäre damit nichts gewonnen. Denn diesfalls wäre die Erlassung des Aufenthaltsverbotes aufgrund des Dringend-geboten-seins dieser Maßnahme nach der genannten Bestimmung zulässig. Wer, wie der Beschwerdeführer, grob rechtsmißbräuchlich (ausschließlich) zu dem Zweck vorgehe, um sich aus dem Blickwinkel des Fremdenrechtes wesentliche Berechtigungen zu verschaffen, verstoße gegen gewichtige öffentliche Interessen, die ein Aufenthaltsverbot zum Schutz der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 MRK) notwendig erscheinen ließen.

Bei Annahme eines Eingriffes in das Privatleben des Beschwerdeführers und der demnach - neben der Prüfung, ob das Aufenthaltsverbot dringend geboten sei - auch erforderlichen Interessensabwägung gemäß § 20 Abs. 1 leg. cit. wäre die Zulässigkeit dieser Maßnahme auch nach dieser Bestimmung zu bejahen. Da weder familiäre noch sonstige Bindungen des Beschwerdeführers hätten festgestellt werden können und auch das Ausmaß seiner Integration im Hinblick darauf, daß Aufenthalt und Beschäftigung auf das besagte rechtsmißbräuchliche Verhalten zurückzuführen seien, nicht wesentlich zu seinen Gunsten zu veranschlagen sei, würden die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers keinesfalls schwerer wiegen als die gegenläufigen öffentlichen Interessen und damit die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von dieser Maßnahme.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn " als rechtswidrig" aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Soweit die Beschwerde (mit näherer Begründung) ausdrücklich eine "Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Achtung des Privat- und Familienlebens" (Art. 8 MRK) geltend macht, ist der Beschwerdeführer darauf hinzuzweisen, daß zur Behandlung der Beschwerde in diesem Umfang keine Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes gegeben ist (Art. 133 Z. 1 und 144 Abs. 1 B-VG).

2. Soweit das Beschwerdevorbringen (auch) als Behauptung unrichtiger Rechtsanwendung hinsichtlich einfachgesetzlicher Normen (konkret: des § 18 Abs. 1, des § 19 und des § 20 Abs. 1 FrG) gewertet werden kann, ist es verfehlt.

2.1. Zutreffend hat die belangte Behörde - der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes folgend - die Eingehung einer Ehe allein zum Zweck der Erlangung fremdenrechtlich bedeutsamer Berechtigungen als Rechtsmißbrauch qualifiziert, der als gravierende Beeinträchtigung eines geordneten Fremdenwesens anzusehen sei und solcherart die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme rechtfertige und der auch zum Schutz der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 MRK) die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes dringend geboten erscheinen lasse und demnach diese Maßnahme im Grunde des § 19 FrG zulässig mache (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 7. September 1995, Zl. 95/18/1197). Entgegen der in der Beschwerde vertretenen Auffassung ist die Frage, ob die Ehe zu dem Zeitpunkt, in dem sie geschlossen wurde, mit Nichtigkeit bedroht war, im vorliegenden Zusammenhang ohne rechtliche Relevanz, weil die Beurteilung einer Ehe als rechtsmißbräuchlich eingegangen - da allein zwecks Erlangung fremdenrechtlich bedeutsamer Berechtigungen geschlossen - die Nichtigerklärung dieser Ehe nicht voraussetzt (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 29. Juni 1995, Zl. 95/18/0970, mwN). Anders als die Beschwerde meint, ist demnach die Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes, daß eine von einem Fremden mit derartiger Zweckbestimmung eingegangene Ehe einen maßgebliche öffentliche Interessen erheblich beeinträchtigenden Rechtsmißbrauch darstellt, der die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme in Ansehung der öffentlichen Ordnung rechtfertigt und die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes im Grunde des § 19 FrG notwendig erscheinen läßt, völlig unabhängig von der Judikatur des Obersten Gerichtshofes zur Frage der Voraussetzungen für die Nichtigerklärung einer Ehe gemäß § 23 Ehegesetz.

2.2. Die Bekämpfung der von der belangten Behörde - für den Fall des Vorliegens eines relevanten Eingriffes in das Privatleben des Beschwerdeführers i.S. des § 19 FrG (was vorliegend zu bejahen ist) - zu Recht als erforderlich angesehenen Interessenabwägung gemäß § 20 Abs. 1 FrG mit der Behauptung, es sei nicht "im entferntesten" auf die persönlichen Bindungen des Beschwerdeführers zum Bundesgebiet eingegangen und es seien diese somit auch nicht entsprechend gewürdigt worden, ist nicht geeignet, die Abwägung und deren Ergebnis als rechtswidrig darzutun. Die Beschwerde läßt die Aussage der belangten Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides, es hätten weder familiäre noch sonstige Bindungen des Beschwerdeführers festgestellt werden können, unbestritten. Es ist daher nicht ersichtlich, auf welche "persönlichen Bindungen" des Beschwerdeführers einzugehen, die belangte Behörde verabsäumt haben sollte. Im übrigen ist die im angefochtenen Bescheid zum Ausdruck gebrachte Ansicht, daß die - bloß auf das besagte rechtsmißbräuchliche Verhalten zurückzuführenden - Tatsachen eines mehrjährigen Aufenthaltes und einer Beschäftigung des Beschwerdeführers sowie das daraus ableitbare Ausmaß seiner Integration eben deshalb nicht wesentlich zu seinen Gunsten zu veranschlagen seien, unbedenklich. Angesichts dessen gilt Gleiches für die zusammenfassende Beurteilung, daß die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers nicht schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von dieser Maßnahme.

3. Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

4. Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

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