Normen
AufG 1992 §5 Abs1;
MRK Art8;
AufG 1992 §5 Abs1;
MRK Art8;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres (der belangten Behörde) wurde der Antrag der Beschwerdeführerin vom 1. Februar 1994 auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gemäß § 5 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz - AufG abgewiesen.
Begründet hat die belangte Behörde ihre Entscheidung damit, daß die vom Gesetz verlangte ortsübliche Unterkunft nicht gegeben sei, weil die zur Verfügung stehende Wohnung im Ausmaß von 32 m2 für den dauernden Aufenthalt von sechs Personen nicht ausreiche. Die Notwendigkeit, in einem ohnedies "sensiblen Wohnbereich" die weitere Zuwanderung sorgfältig zu steuern, mache es erforderlich, strenge Maßstäbe an die Beurteilung der Ortsüblichkeit von Wohnverhältnissen von Zuwanderern anzulegen. Bei der im Beschwerdefall gegebenen Wohnungsgröße sei ein Überbelag anzunehmen, weshalb gemäß § 5 Abs. 1 AufG eine Bewilligung nicht habe erteilt werden dürfen.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aus diesen Gründen kostenpflichtig aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Unter dem Titel inhaltlicher Rechtswidrigkeit bringt die Beschwerde vor, daß die Familie der Beschwerdeführerin seit vielen Jahren in Österreich "wirtschaftlich und familiär völlig integriert" sei. Die Familie lebe schon seit Jahren aufgrund "gültiger Bewilligungen legal" in Österreich. Der Ehegatte der Beschwerdeführerin sei im Jänner 1985 in das Bundesgebiet eingereist und arbeite hier seit nunmehr zehn Jahren als Schneider. Die Beschwerdeführerin selbst und eine Tochter seien im August 1986 nach Österreich gekommen; im Jahr 1988 seien zwei weitere Töchter nachgefolgt; das jüngste Kind sei im Jahr 1991 in Österreich geboren. Alle Kinder besuchten hier die Schule bzw. den Kindergarten. Angesichts dieser Sachlage widerspreche es Art. 8 MRK, wenn durch eine Entscheidung wie die vorliegend bekämpfte der "Zusammenhalt und die gesamte Existenz der Familie" zerstört würden.
2.1. Dieses Vorbringen führt die Beschwerde im Ergebnis zum Erfolg. Wie der Verfassungsgerichtshof in seinen Erkenntnissen vom 16. März 1995, B 2259/94, und vom 12. Juni 1995, B 1599/94 u. a., dargetan hat, ist die Behörde (auch) bei Anwendung der in § 5 Abs. 1 AufG besonders hervorgehobenen Versagungstatbestände der für die Dauer der Bewilligung nicht gesicherten ortsüblichen Unterkunft oder des nicht gesicherten Lebensunterhaltes in Fällen, in denen durch die Versagung der Bewilligung in das durch Art. 8 MRK gewährleistete Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens eingegriffen würde, verhalten, die Notwendigkeit der Versagung der Bewilligung aus den in Art. 8 Abs. 2 MRK umschriebenen öffentlichen Interessen zu prüfen und dabei auch auf die privaten und familiären Interessen des Bewilligungswerbers Bedacht zu nehmen. Der Verwaltungsgerichtshof schließt sich dieser Rechtsauffassung an.
2.2. Diese - im vorliegenden Fall gebotene - Interessenabwägung hat die belangte Behörde nicht vorgenommen. Obwohl ihr nach Ausweis der Akten bekannt war, daß sich die Beschwerdeführerin mit einem ihrer Kinder seit dem Jahr 1986 rechtmäßig in Österreich aufhält und hier verheiratet ist, daß sich weiters auch die drei anderen Kinder der Beschwerdeführerin seit mehreren Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, und daß alle diese Personen in einem gemeinsamen Haushalt leben, hat sie es unterlassen, diese unter dem Gesichtspunkt eines Eingriffes in das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin durch die Versagung einer Aufenthaltsbewilligung relevanten Umstände bei ihrer Entscheidung mitzuberücksichtigen.
3. Da die belangte Behörde nach dem Gesagten die Rechtslage verkannt hat, war der angefochtene Bescheid - ohne daß auf das weitere Beschwerdevorbringen eingegangen zu werden brauchte - wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens beruht darauf, daß zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung Stempelgebühren lediglich in der Höhe von S 270,-- (Eingabengebühr S 240,--, Beilagengebühr S 30,--) zu entrichten waren.
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