VwGH 95/17/0422

VwGH95/17/042210.11.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Höfinger und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Fegerl, über die Beschwerde des V in G (D), vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in N, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 13. Juni 1995, Zl. 17/103-2/1995, betreffend Übertretung des Tiroler Kurzparkzonenabgabegesetzes, zu Recht erkannt:

Normen

KurzparkzonenabgabeG Tir §6 Abs1 lita;
KurzparkzonenabgabeV Innsbruck 1982 §1;
KurzparkzonenabgabeV Innsbruck 1982 §3;
KurzparkzonenabgabeV Innsbruck 1982 §5;
VStG §1 Abs2;
VStG §49a Abs4;
VStG §49a Abs6;
VStG §49a Abs7;
KurzparkzonenabgabeG Tir §6 Abs1 lita;
KurzparkzonenabgabeV Innsbruck 1982 §1;
KurzparkzonenabgabeV Innsbruck 1982 §3;
KurzparkzonenabgabeV Innsbruck 1982 §5;
VStG §1 Abs2;
VStG §49a Abs4;
VStG §49a Abs6;
VStG §49a Abs7;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit Erkenntnis vom 27. März 1995 wurde der Beschwerdeführer mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Innsbruck schuldig erkannt, am 18. August 1994 zwischen 08.31 Uhr und 08.48 Uhr den näher bezeichneten PKW in Innsbruck in einer gebührenpflichtigen Kurzparkzone geparkt zu haben, ohne durch Verwendung eines Parkscheines die Kurzparkzonenabgabe entrichtet zu haben. Dadurch habe er eine Verwaltungsübertretung nach § 6 Abs. 1 lit. a des Tiroler Kurzparkzonenabgabegesetzes, LGBl. für Tirol Nr. 52/1981, i. V.m. § 1, 3 und 5 der Innsbrucker Kurzparkzonenabgabenverordnung begangen. Wegen dieser Verwaltungsübertretung wurde über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe in der Höhe von S 400,-- verhängt.

Die dagegen erhobene Berufung wurde von der belangten Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 13. Juni 1995 als unbegründet abgewiesen. In der Begründung heißt es, die Organstrafverfügung könne nur mittels jenes Beleges beglichen werden, der dem Täter übergeben oder, wenn dieser dort nicht anwesend sei, am Tatort hinterlassen worden sei. Werde der Strafbetrag mittels eines anderes Beleges bezahlt, so sei ungeachtet dessen das ordentliche Verfahren einzuleiten. In diesem Fall sei der Strafbetrag entweder zurückzuzahlen oder auf die Strafe anzurechnen. Im Zuge der öffentlichen mündlichen Verhandlung habe der Beschwerdeführer ein Schriftstück vorgelegt, das folgenden Inhalt habe:

"Sehr geehrter Adressat

Sollte Ihnen die Einzahlung der verhängten Strafe mit dem der Strafverfügung beigegebenen Erlagschein nicht möglich sein, steht Ihnen die Möglichkeit offen, die Einzahlung durch Übersendung eines auf den entsprechenden Schillingbetrag lautenden Euro(verrechnungs)schecks vorzunehmen. In diesem Fall ist es allerdings aus verfahrenstechnischen Gründen erforderlich, daß sie uns besagten Erlagschein in der Ihnen vorliegenden Form unverändert beilegen.

Ihre Stadtverwaltung"

Es sei amtsbekannt, daß die Begleichung des Strafbetrages in der Bundesrepublik Deutschland mittels des näher bezeichneten Beleges entweder sehr schwierig oder gar unmöglich sei. Die Behörde biete daher ausländischen Fahrzeuglenkern an, die Einzahlung des Strafbetrages - gewissermaßen zu treuen Handen - vorzunehmen, wenn der entsprechende Schillingbetrag mittels eines Euro(verrechnungs)schecks fristgerecht überwiesen werde. Eine nicht fristgerechte Einzahlung gehe jedenfalls zu Lasten des Beschwerdeführers. Ihn treffe auch die Beweislast der Einzahlung. Die vom Beschwerdeführer behauptete Zahlung sei bei der Erstbehörde nie eingegangen. Der Beschwerdeführer habe bei der mündlichen Verhandlung außer Streit gestellt, daß der Euroscheck noch nicht eingelöst sei. Somit habe die Erstbehörde zu Recht das Ermittlungsverfahren eingeleitet.

Gemäß § 1 Abs. 2 VStG richte sich die Strafe nach dem zur Zeit der Tat geltenden Recht, es sei denn, daß das zur Zeit der Fällung des Bescheides in erster Instanz geltende Recht für den Täter günstiger wäre. Wenn auch eine ausdrückliche Regelung für den Fall fehle, daß ein Verhalten, das zur Tatzeit strafbar gewesen sei, zum Zeitpunkt der Fällung des Bescheides erster Instanz überhaupt nicht mehr strafbar sei, so könne nach der Judikatur der Täter nicht bestraft werden. Halte jedoch der Gesetzgeber das strafrechtliche Unwerturteil über die Nichtbefolgung der in Betracht kommenden Verpflichtung unverändert aufrecht, so bestehe trotz der aus der Bestimmung des § 1 Abs. 2 VStG hervorleuchtenden Grundsätze keine Handhabe, das zum Zeitpunkt der Tat strafbar gewesene Verhalten anders zu beurteilen, als es zu beurteilen gewesen wäre, wenn das Straferkenntnis erster Instanz noch vor Inkrafttreten der Änderung erlassen worden wäre. Das Nichtentrichten der Kurzparkzonenabgabe in gebührenpflichtigen Kurzparkzonen sei und bleibe unabhängig von allfälligen Änderungen des Zeitraumes, innerhalb dem eine Abgabe zu entrichten sei, pönalisiert. Die Tatsache, daß jener Bereich, in dem das Fahrzeug im Anlaßfall abgestellt worden sei, nunmehr erst ab 9.00 Uhr zur gebührenpflichtigen Kurzparkzone erklärt sei, biete keine Handhabe für die Anwendung der Bestimmung des § 1 Abs. 2 VStG.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der sowohl Rechtswidrigkeit des Inhaltes als auch Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird. Der Beschwerdeführer erachtet sich erkennbar in seinem Recht auf Nichtbestrafung verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 49a Abs. 6 VStG ist die Anonymverfügung keine Verfolgungshandlung. Gegen sie ist kein Rechtsmittel zulässig. Sie wird gegenstandslos, wenn nicht binnen vier Wochen nach Ausfertigung die Einzahlung des Strafbetrages mittels Beleges (Abs. 4) erfolgt. Ist die Anonymverfügung gegenstandslos geworden, so hat die Behörde gemäß § 34 vorzugehen.

Wird der Strafbetrag mittels Beleges (Abs. 4) fristgerecht eingezahlt, so hat die Behörde gemäß § 49a Abs. 7 VStG von der Ausforschung des unbekannten Täters endgültig Abstand zu nehmen und jede Verfolgungshandlung zu unterlassen.

Gemäß § 49a Abs. 4 erster Satz VStG ist der Anonymverfügung ein zur postalischen Einzahlung des Strafbetrages geeigneter Beleg beizugeben.

Nach dem klaren Wortlaut dieser Bestimmungen wird die Anonymverfügung gegenstandslos, wenn nicht binnen vier Wochen nach Ausfertigung die Einzahlung des Strafbetrages mittels des beizugebenden Beleges erfolgt. Im Beschwerdefall ist unbestritten, daß eine Einzahlung des Strafbetrages nicht erfolgt ist. Damit ist die Anonymverfügung gegenstandslos geworden, wobei es nicht darauf ankommt, aus welchen Gründen die Einzahlung tatsächlich unterblieben ist. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß dem Einzelnen kein durchsetzbarer Anspruch auf Erlassung einer Anonymverfügung - mangels rechtlicher Möglichkeit der Erzwingung einer solchen - zusteht (Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts5, Rz. 894/6).

Der Beschwerdeführer rügt unter dem Gesichtspunkt der Verletzung von Verfahrensvorschriften, die belangte Behörde habe keine ausreichenden Ermittlungen darüber angestellt, aus welchem Grund die Zahlung bei der Erstbehörde nie eingegangen sei. Sie habe es unterlassen, das Schreiben des Beschwerdeführers vom 17. November 1994 eingehend zu prüfen und beim Stadtmagistrat Innsbruck zu ermitteln, wo das Schreiben bzw. der Euroscheck verblieben sei. Die Wesentlichkeit dieses behaupteten Verfahrensmangels ist jedoch nicht erkennbar. Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid nämlich ausdrücklich festgestellt, der Rechtsbeistand des Beschwerdeführers habe bei der mündlichen Verhandlung außer Streit gestellt, daß der Euroscheck bis dato noch nicht eingelöst worden sei. Dieser Feststellung tritt der Beschwerdeführer vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht entgegen. Auch der Verwaltungsgerichtshof hat daher davon auszugehen, daß der Scheck zumindest bis zur Verhandlung vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat noch nicht eingelöst war. Die fristgerechte Einzahlung des Strafbetrages konnte aber nur im Falle rechtzeitiger Einlösung des Schecks erfolgt sein. Eine Empfangnahme des Schecks durch den Stadtmagistrat ist noch nicht die Einzahlung des Strafbetrages.

Der Beschwerdeführer vertritt weiters die Ansicht, die Nichtentrichtung der Kurzparkzonenabgabe sei im Zeitpunkt der Begehung in der Zeit zwischen 8.00 und 9.00 Uhr pönalisiert gewesen, im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides erster Instanz sei dies auch nach den Feststellungen der belangten Behörde nicht mehr der Fall gewesen. Aus diesem Grund sei jedenfalls § 1 Abs. 2 VStG anzuwenden, weil die im Zeitpunkt der Fällung des Bescheides erster Instanz gültige Verordnung für den Beschwerdeführer jedenfalls günstiger sei.

Die Tiroler Kurzparkzonenabgabe ist eine Abgabe, die nach den Bestimmungen dieses Gesetzes zu entrichten ist. Im Falle schuldhafter Nichtentrichtung begeht der Täter eine Verwaltungsübertretung nach diesem Gesetz. Die Regelung des § 1 Abs. 2 VStG lautet:

"Die Strafe richtet sich nach dem zur Zeit der Tat geltenden Recht, es sei denn, daß das zur Zeit der Fällung des Bescheides in erster Instanz geltende Recht für den Täter günstiger wäre."

Damit wird ausdrücklich bestimmt, daß im Falle einer Änderung der Rechtslage zwischen Tat und Straferkenntnis erster Instanz in Ansehung eines zu beiden Zeitpunkten strafbaren Verhaltens, das für den Täter günstigere Recht anzuwenden ist. Allerdings stellt § 1 Abs. 2 VStG - dies scheint der Beschwerdeführer zu übersehen - nur auf die Änderung der strafrechtlichen Vorschriften ab. Bei Gesetzesänderungen im außerstrafrechtlichen Bereich der Abgabenfestsetzung kommt diese Bestimmung nicht zum Tragen. Ob eine Abgabepflicht überhaupt entstand, ist nach Maßgabe der zur Tatzeit geltenden Abgabenvorschriften zu prüfen, deren tataktuelle Verletzung durch eine allfällige spätere Substituierung durch andere für den Abgabenpflichtigen günstigere Bestimmungen nicht beseitigt wird, weshalb eine nachträgliche außerstrafrechtliche Gesetzesänderung an der bereits eingetretenen Strafbarkeit nichts ändert (vgl. Urteil des OGH vom 28. Juni 1990, 12 Os 13/90, Jus-extra 1990, 68/29).

Demnach hatte die Änderung der Innsbrucker Kurzparkzonenabgabenverordnung, wonach in diesem Bereich zwar im Zeitpunkt der Tat (18. August 1994) ab 8.00 Uhr, im Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses vom 27. März 1995 aber erst ab 9.00 Uhr die Kurzparkzonenabgabe zu entrichten war, keinen Einfluß auf die Strafbarkeit der schon am 18. August 1994 abgeschlossenen Tat.

Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

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