VwGH 95/12/0126

VwGH95/12/012614.6.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Höß und Dr. Riedinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Leitner, in der Beschwerdesache des Ing. E in S, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt, gegen die Erledigung des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Innsbruck vom 4. April 1995, Zl. MD/I-507/1995, betreffend Rechtsnatur der Rückforderung von nachgezahlter Lohnsteuer, den Beschluß gefaßt:

Normen

AVG §56;
AVG §58 Abs1;
VwGG §34 Abs1;
AVG §56;
AVG §58 Abs1;
VwGG §34 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Auf Grund der Beschwerde und der vorgelegten angefochtenen Erledigung geht der Verwaltungsgerichtshof von folgendem Sachverhalt aus:

Der Beschwerdeführer steht als Beamter des Ruhestandes in einem öffentlich-rechtlichen Pensionsverhältnis zur Landeshauptstadt Innsbruck.

Mit Schreiben vom 11. Jänner 1995 teilte ihm das Personalamt der Stadt Innsbruck unter anderem mit, die Stadt sei vom Finanzamt I. zur Nachzahlung für zu wenig einbehaltene Lohnsteuer bei der Auszahlung der auf die von ihr gemäß § 7a der Verordnung über die Nebengebühren der Beamten der Landeshauptstadt Innsbruck geleisteten Treuegelder im Zeitraum 1983 bis 1988 in Anspruch genommen worden. Berufung und Verwaltungsgerichtshofbeschwerde seien erfolglos geblieben. Mit Beschluß vom 9. November 1994 habe der Stadtsenat dem Bürgermeister empfohlen, von den betroffenen Beamten des Ruhestandes nach den gegebenen rechtlichen Möglichkeiten, die anläßlich der Auszahlung der Treuegelder zu wenig abgezogene Lohnsteuer rückzufordern. Bei Vorliegen berücksichtigungswürdiger Gründe sollten angemessene "sozialverträgliche" Ratenzahlungen ermöglicht werden. In besonders berücksichtigungswürdigen sozialen Härtefällen sollten auch Anträge auf Erlassung gestellt werden können. Zur Rechtslage sei (nach dem Schreiben des Personalamtes) davon auszugehen, daß der vom Finanzamt wegen zu wenig abgezogener Lohnsteuer in Anspruch genommene Arbeitgeber gemäß § 1358 ABGB in die Rechte des Gläubigers eintrete und befugt sei, vom Arbeitnehmer (Dienstnehmer) den Ersatz der bezahlten Schuld zu fordern (OGH 17. Juni 1987, 14 ObA 80/87). Der Eintritt des Arbeitgebers in die Gläubigerrechte erfolge mit dem Zeitpunkt der tatsächlichen Zahlung (Nachzahlung an Lohnsteuer). Mit diesem Zeitpunkt entstehe sein Rückforderungsanspruch und beginne auch der Lauf der Verjährungsfrist. Es könnten daher vom Arbeitnehmer (Dienstnehmer) Lohnsteuernachzahlungen auch für mehr als drei Jahre zurückliegende Lohnzahlungszeiträume gefordert werden. Nach Bekanntgabe des auf den Beschwerdeführer fallenden Betrages teilte das Personalamt dem Beschwerdeführer mit, daß ab 1. Februar dieser Betrag in (näher bestimmten) Raten rückgefordert und einbehalten werde.

Mit Schreiben vom 24. Februar 1995 stellte der Beschwerdeführer den Antrag, der Bürgermeister wolle einen rechtskraftfähigen Bescheid über den geltend gemachten Rückforderungsanspruch erlassen. Sollte diesem Antrag nicht stattgegeben werden, werde der Eventualantrag gestellt, dem Beschwerdeführer die von den ihm zustehenden Ruhebezügen einbehaltenen Beträge samt gesetzlichen Zinsen nachzubezahlen bzw. über diesen Antrag mit Bescheid abzusprechen.

Daraufhin erging folgende nunmehr angefochtene Erledigung

vom 4. April 1995:

"Sehr geehrter Herr Oberamtsrat

Zu Ihrem neuerlichen Schreiben vom 6. März 1995 in der im Betreff bezeichneten Angelegenheit wird nochmals festgestellt, daß es sich hiebei um den Ersatz einer gemäß § 1358 ABGB bezahlten fremden Schuld handelt, für die die Grundsätze des Zivilrechtes zur Anwendung kommen. Es handelt sich also keinesfalls um eine Angelegenheit Ihres öffentlich-rechtlichen Dienst- bzw. Ruheverhältnisses, welche in einem Verfahren nach dem Dienstrechtsverfahrensgesetz 1984, BGBl. Nr. 29/84, in der geltenden Fassung, zu behandeln wäre und in welcher mit Bescheid zu entscheiden ist.

Hinsichtlich des gestellten "Eventualantrages" wird auf die Ausführungen im zweiten Absatz des Schreibens Zl. MD/I-507/1995 verwiesen und wird die mitgeteilte Kompensando-Einhebung weiter fortgesetzt werden.

Mit vorzüglicher Hochachtung

Für den Bürgermeister:

(SR Dr. G)

Magistratsdirektor-Stellvertreter"

Gegen diesen vom Beschwerdeführer als Bescheid gewertete Erledigung richtet sich seine Beschwerde, in der er Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend macht.

Gemäß Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG kann gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben, wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet, nach Erschöpfung des Instanzenzuges.

Die Zulässigkeit einer Verwaltungsgerichtshof-Beschwerde setzt daher das Vorliegen eines Bescheides voraus.

Voraussetzung für die Qualifikation eines Verwaltungsaktes als Bescheid ist, daß es im Willen des Organes liegt, den Akt in Ausübung der hoheitlichen Gewalt zu setzen (vgl. VfSlg. 4856/1964) und daß es diesen Willen entsprechend zum Ausdruck bringt (vgl. VfSlg. 5464/1967).

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann auf die ausdrückliche Bezeichnung als Bescheid nur dann verzichtet werden, wenn sich aus dem Spruch eindeutig ergibt, daß die Behörde nicht nur einen individuellen Akt der Hoheitsverwaltung gesetzt hat, sondern auch, daß sie normativ, also entweder rechtsgestaltend oder rechtsfeststellend eine Angelegenheit des Verwaltungsrechtes entschieden hat. Der normative Inhalt muß sich aus der Formulierung der behördlichen Erledigung, also in diesem Sinne auch aus der Form der Erledigung ergeben. Die Wiedergabe einer Rechtsansicht, von Tatsachen, der Hinweis auf Vorgänge des Verfahrens, Rechtsbelehrungen udgl. können nicht als verbindliche Erledigung, also nicht als Spruch im Sinne des § 58 Abs. 1 AVG gewertet werden (beginnend mit dem Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. Dezember 1977, Slg. 9458/A).

Bei Zweifel über den Inhalt kommt auch der sonstigen Form der Erledigung entscheidende Bedeutung zu, und zwar dem Gebrauch der Höflichkeitsfloskel "Sehr geehrter Herr" oder der Verwendung "teilt Ihnen mit". Aus einer solchen Form einer Erledigung ist eher zu schließen, daß kein Bescheid, sondern eine nicht normative Willenserklärung vorliegt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Jänner 1986, 84/11/0115).

Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage ist aber die angefochtene und wörtlich wiedergegebene Erledigung vom 4. April 1995, die nicht als Bescheid gekennzeichnet ist, lediglich als Mitteilung einer Rechtsansicht anzusehen (vgl. auch die Anrede). Daran ändert auch nichts die Verwendung des Wortlautes "wird ... festgestellt", da durch das Wort "nochmals" offenkundig nur eine Verbindung zu einer früheren an den Beschwerdeführer ergehenden Mitteilung in der Sache hergestellt wird, den der Beschwerdeführer selbst nicht als Bescheid gewertet hat. Unter Berücksichtigung dieses Zusammenhanges bringt daher die Wendung lediglich die (abschließende) Wiederholung einer Rechtsauffassung zum Ausdruck, nicht aber den Willen, darüber rechtsverbindlich abzusprechen (was übrigens - auf dem Boden der Rechtsauffassung der belangten Behörde, auf die hier nicht näher einzugehen ist, zur Zurückweisung des Antrages des Beschwerdeführers wegen Unzuständigkeit zu führen gehabt hätte).

Da der Beschwerde damit kein gemäß Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG vor dem Verwaltungsgerichtshof anfechtbarer Bescheid zugrunde liegt, mußte sie gemäß § 34 Abs. 1 VwGG mangels Vorliegens einer wesentlichen Prozeßvoraussetzung zurückgewiesen werden.

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