Normen
AVG §10 Abs1;
AVG §10 Abs2;
AVG §9;
VwGG §36 Abs2;
VwGG §45 Abs1 Z5;
VwGG §61;
VwRallg;
ZustG §9 Abs1;
AVG §10 Abs1;
AVG §10 Abs2;
AVG §9;
VwGG §36 Abs2;
VwGG §45 Abs1 Z5;
VwGG §61;
VwRallg;
ZustG §9 Abs1;
Spruch:
Dem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens wird nicht stattgegeben.
Der Antrag der belangten Behörde auf Ersatz des Vorlageaufwandes wird zurückgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer ist Asylwerber. Sein Asylantrag wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 12. Februar 1993 abgewiesen. Dagegen erhob der Beschwerdeführer eine mit 26. Februar 1993 datierte Berufung, die beim Bundesasylamt am 3. März 1993 einlangte.
Mit seiner am 21. Oktober 1993 beim Verwaltungsgerichtshof erhobenen Säumnisbeschwerde machte der Beschwerdeführer die Verletzung der Entscheidungspflicht durch den Bundesminister für Inneres geltend. Mit Beschluß vom 4. November 1993 leitete der Gerichtshof das Vorverfahren gemäß § 35 Abs. 3 VwGG über die Säumnisbeschwerde ein; die Beschwerde wurde der belangten Behörde gemäß § 36 Abs. 1 VwGG mit der Aufforderung zugestellt, binnen drei Monaten den versäumten Bescheid zu erlassen und eine Abschrift des Bescheides dem Verwaltungsgerichtshof vorzulegen. Innerhalb der gesetzten Frist erließ die belangte Behörde den mit 24. Jänner 1994 datierten Bescheid, mit dem sie über die Berufung des Beschwerdeführers entschied. Dieser Bescheid wurde dem Rechtsfreund des Beschwerdeführers am 28. Jänner 1994 zugestellt. Mit dem Beschluß vom 10. März 1994 stellte daraufhin der Verwaltungsgerichtshof das Verfahren wegen Verletzung der Entscheidungspflicht ein. Dieser Beschluß wurde dem Rechtsfreund des Beschwerdeführers am 10. Oktober 1994 zugestellt.
Der Beschwerdeführer beantragt nunmehr, die Wiederaufnahme des mit Beschluß vom 10. März 1994 eingestellten Verfahrens mit der Begründung, daß das beim Bundesminister für Inneres anhängige Berufungsverfahren nach wie vor nicht abgeschlossen sei; der Rechtsfreund des Beschwerdeführers habe diesen im Verwaltungsverfahren nicht vertreten, die Zustellung an ihn habe daher eine Zustellung an die Partei nicht bewirkt. Auch eine Heilung im Sinne des § 7 ZustellG sei nicht eingetreten.
Gemäß dem § 45 Abs. 1 Z. 5 VwGG ist die Wiederaufnahme eines unter anderem durch Beschluß abgeschlossenen Verfahrens auf Antrag der Partei zu bewilligen, wenn das Verfahren vor dem Gerichtshof wegen Klaglosstellung eingestellt, die behördliche Maßnahme, die die Klaglosstellung bewirkt hatte, jedoch nachträglich behoben wurde. Wenn dem Gesetz gemäß die Wiederaufnahme zu bewilligen ist, sofern die die Klaglosstellung bewirkende behördliche Maßnahme nachträglich behoben wurde, dann muß dies nach der aus der zuvor angeführten Gesetzesstelle hervorleuchtenden Absicht des Gesetzgebers kraft Größenschlusses umsomehr dann gelten, wenn eine solche Maßnahme überhaupt nicht gesetzt worden war (vgl. den hg. Beschluß vom 11. Februar 1970, Zl. 163/70, Slg. Nr. 7727/A). Zu prüfen ist daher, ob die Zustellung des Bescheides der belangten Behörde vom 24. Jänner 1994 an den Rechtsfreund des Beschwerdeführers eine Maßnahme war, die die Klaglosstellung herbeiführte.
Der Beschwerdeführer vertritt in diesem Zusammenhang die Ansicht, daß die Klaglosstellung durch Nachholung des versäumten Bescheides dann nicht mit Zustellung des Bescheides an den Beschwerdevertreter eintritt, wenn dieser den Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren nicht vertreten hat.
Der Beschwerdeführer übersieht bei seiner Argumentation, daß die belangte Behörde während der Dauer der richterlichen Frist gemäß § 36 Abs. 2 VwGG zur - allfälligen - Bescheiderlassung zuständig bleibt (siehe die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, 534, wiedergegebene hg. Rechtsprechung). Die belangte Behörde hat daher die Bekanntgabe einer Bevollmächtigung in diesem Zeitraum zu überprüfen. Dem steht auch nicht die vom Beschwerdeführer zitierte hg. Rechtsprechung (Erkenntnis vom 25. Februar 1981, Zl. 03/1694/79) entgegen, spricht doch dieses Erkenntnis ausdrücklich davon, daß die belangte Behörde mangels des ihr vorliegenden NACHWEISES über die BEVOLLMÄCHTIGUNG eines Vertreters, also mangels der VOLLMACHTSURKUNDE, vom Inhalt und Umfang der Bevollmächtigung keine Kenntnis haben kann, sodaß auch nicht davon ausgegangen werden könne, daß sich der im Säumnisbeschwerdeverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof einschreitende Vertreter durch eine schriftliche Vollmacht der Behörde gegenüber ausgewiesen hätte. Auch vom Beschwerdeführer wird nicht bezweifelt, daß die belangte Behörde bei Nachweis der an seinen Rechtsfreund erteilten Vollmacht im Sinne des § 10 AVG an diesen zuzustellen gehabt hätte.
Durch die Novelle BGBl. Nr. 357/1990 wurde nunmehr dem § 10 Abs. 1 AVG ein weiterer Satz hinzugefügt, wonach dann, wenn ein Rechtsanwalt oder Notar als Vertreter einschreitet, die Berufung auf die ihm erteilte Vollmacht deren urkundlichen Nachweis ersetzt. Im Hinblick auf diese geänderte Rechtslage würde somit die Berufung auf die erteilte Vollmacht vor der säumigen Verwaltungsbehörde der von dem bereits zitierten Erkenntnis vom 25. Februar 1981 geforderten Vorlage der Vollmachtsurkunde gleichkommen. Schreitet nunmehr unter Berufung auf die ihm erteilte Vollmacht ein Rechtsanwalt für die Partei des Verwaltungsverfahrens als Vertreter im Verfahren über eine Säumnisbeschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof ein und erhält die belangte, säumige Behörde davon Kenntnis, so hat sie im Sinne des § 10 Abs. 2 AVG zu prüfen, ob Inhalt und Umfang der Vertretungsbefugnis zur Zustellung des nachgeholten Bescheides an den Rechtsanwalt berechtigen (und verpflichten). Dabei ist davon auszugehen, daß der gemäß § 10 Abs. 1 AVG Bevollmächtigte auch Zustellbevollmächtigter im Sinne des § 9 ZustellG ist (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 29. Juni 1983, Slg. Nr. 11.487/A und vom 15. Juni 1987, Zl. 86/10/0073). Wurde etwa der Rechtsanwalt der vor dem Verwaltungsgerichtshof einschreitenden Partei als Verfahrenshelfer beigegeben, so scheidet schon mangels der Berufung auf die erteilte Vollmacht eine Prüfung nach § 10 Abs. 2 AVG aus (vgl. etwa den hg. Beschluß vom 7. November 1989, Zl. 88/11/0243). Eine ausdrückliche Einschränkung des Vollmachtsumfanges nur auf das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof würde gleichfalls eine Prüfung im dargelegten Sinne gegenstandslos machen. Sobald aber die belangte Behörde keine Zweifel (mehr) hat, daß Inhalt und Umfang der Vollmacht nach dem objektiven Erklärungswert (auch) für das von ihr in der gemäß § 36 Abs. 2 VwGG gesetzten richterlichen Frist allenfalls abzuführende Verfahren gelten soll, ist sie zur Zustellung an den ausgewiesenen Vertreter berechtigt (und verpflichtet).
Im hier zu beurteilenden Fall durfte die belangte Behörde nach dem äußeren Erscheinungsbild des ihr übermittelten Schriftsatzes zu Recht davon ausgehen, daß eine Einschränkung der dem Rechtsfreund des Beschwerdeführers erteilten Vollmacht nicht vorlag. Dies umsomehr, als sich der Beschwerdeführer ausdrücklich auf ein Einschreiten seines ausgewiesenen Vertreters am 20. Oktober 1993 vor der Erstbehörde berufen hat.
Der Antrag auf Wiederaufnahme des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens war daher bemäß § 45 Abs. 3 VwGG mit Beschluß abzuweisen.
Eine Zuerkennung von Aufwandersatz (Vorlageaufwand der belangten Behörde) hatte zu unterbleiben, da eine solche in den §§ 47 ff VwGG für den vorliegenden Fall nicht vorgesehen ist (vgl. § 58 VwGG); der darauf abzielende Antrag war daher zurückzuweisen.
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