VwGH 94/19/0632

VwGH94/19/063227.7.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Holeschofsky als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde des I in W, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 22. Juli 1992, Zl. 4.291.963/3-III/13/92, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1991 §20 Abs2;
AsylG 1991 §25 Abs2;
AVG §73 Abs2;
AsylG 1991 §20 Abs2;
AsylG 1991 §25 Abs2;
AVG §73 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein staatenloser, zuletzt in Syrien wohnhafter Palästinenser, der am 15. November 1989 in das Bundesgebiet eingereist ist, hat seinen am 7. Februar 1990 gestellten Asylantrag bei seiner Befragung am 13. Februar 1990 vor der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich damit begründet, er sei zwar Angehöriger einer Minderheit, sei aber deswegen oder wegen seiner Religionszugehörigkeit nicht verfolgt worden. Er sei im August 1987 der regierenden Baath-Partei beigetreten, habe aber aus familiären Gründen im Jahre 1989 aus dieser Partei austreten müssen. Für seine Flucht könne er nur wirtschaftliche Gründe angeben. So habe er zu Hause zu zwölft in einer Zweizimmerwohnung leben müssen und sei es derzeit sehr schwer, in Syrien Arbeit zu finden. Er habe im Oktober 1989 ein Monat als Kraftfahrer für die palästinensische Befreiungsarmee gearbeitet und dabei 1.000 syrische Lira verdient, was zum Leben nicht ausreiche. Da er keine besser bezahlte Arbeitsstelle erlangt habe, habe er sich entschlossen auszuwandern, um seine Familie unterstützen zu können.

Mit Erledigung vom 7. Mai 1990 stellte die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich fest, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling sei. In der dagegen erhobenen Berufung führte der Beschwerdeführer aus, er habe von 1987 bis 1988 der palästinensischen Befreiungsbewegung und im Jahre 1987 auch der A Partei angehört. Seine Genossen in der A Partei hätten ihm mißtraut und dem syrischen Geheimdienst "etwas über mich mitgeteilt". Er habe daher beschlossen, sich von den Menschen fernzuhalten. Er habe auch Kenntnis von den Zuständen in den mit politischen Gefangenen vollen syrischen Gefängnissen und habe sich auch deshalb entschlossen, aus Syrien auszuwandern. Er habe diese Umstände bei seiner Erstbefragung nicht angegeben, weil er Angst vor der dieser Befragung beigezogenen syrischen Dolmetscherin gehabt habe.

Mit Eingabe vom 18. Februar 1992 zog der Beschwerdeführer seine Berufung mit der Begründung zurück, bei der Erledigung der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich handle es sich infolge nicht dem Gesetz entsprechender Unterfertigung um einen Nichtbescheid. Gleichzeitig beantragte der Beschwerdeführer gemäß § 73 AVG den Übergang der Entscheidungspflicht auf die belangte Behörde.

Mit Bescheid vom 22. Juli 1992 wies die belangte Behörde den Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 3 Asylgesetz 1991 ab. In der Bescheidbegründung bejahte die belangte Behörde den Übergang der Zuständigkeit zur Entscheidung auf sie und verneinte die Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers deshalb, weil er ausschließlich wirtschaftliche Gründe vorgebracht und keine gegen ihn gerichtete Verfolgung glaubhaft gemacht habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Gemäß § 25 Abs. 1 Asylgesetz 1991 sind am 1. Juni 1992 in erster Instanz anhängige Verfahren nach der bis zum Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes geltenden Rechtslage zu Ende zu führen. Gemäß Abs. 2 dieses Paragraphen sind am 1. Juni 1992 beim Bundesministerium für Inneres anhängige Verfahren nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes zu Ende zu führen.

Anders als der Verfassungsgerichtshof (vgl. dessen Erkenntnis vom 16. Dezember 1992, B 1387, 1542/92) vertritt der Verwaltungsgerichtshof seit dem Erkenntnis vom 31. März 1993, Zl. 92/01/0831, auf das gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, in ständiger Rechtsprechung die Ansicht, daß § 25 Abs. 1 und Abs. 2 jeweils erster Satz Asylgesetz 1991 für die Übergangszeit nicht nur die Behördenzuständigkeit festlegen, sondern auch eine Aussage über das von der Behörde jeweils anzuwendende Recht treffen.

Die belangte Behörde übersieht - soweit sie von der Anwendbarkeit des Asylgesetz 1991 ausgeht -, daß sie auf Grund des auf § 73 AVG gestützten Devolutionsantrages nicht als Rechtsmittelinstanz, sondern funktionell als Behörde erster Instanz tätig geworden ist (vgl. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 19. Oktober 1979, Slg. 9950/A). Damit hatte sie aber das bei ihr als Behörde erster Instanz am 1. Juni 1992 anhängige Verfahren gemäß § 25 Abs. 1 Asylgesetz 1991 nach der bis zum Inkrafttreten dieses Gesetzes geltenden Rechtslage - dies war das Asylgesetz (1968) - zu Ende zu führen. Daß die belangte Behörde als Asylbehörde erster Instanz das Asylgesetz (1968) anzuwenden hatte, folgt auch aus § 25 Abs. 2 Asylgesetz 1991, aus dessen Satz 2 sich ergibt, daß die den Bundesminister für Inneres betreffenden Anordnungen des ersten Satzes die Funktion der belangten Behörde als Berufungsbehörde vor Augen haben (vgl. zum Gesamten das hg. Erkenntnis vom 26. Jänner 1995, Zl. 94/19/0248).

Der Umstand, daß die belangte Behörde diese Rechtslage verkannt hat, zieht aber zunächst deshalb keine relevante Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nach sich, weil die belangte Behörde die Flüchtlingseigenschaft und damit die Gewährung von Asyl gemäß § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 beurteilt hat, wobei diese Bestimmung keine inhaltliche Änderung gegenüber dem nach § 1 Asylgesetz (1968) in Verbindung mit Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention geltenden Flüchtlingsbegriff darstellt.

Hiebei hat die belangte Behörde das Vorbringen des Beschwerdeführers im Rahmen seiner Erstbefragung zugrunde gelegt und konnte diesen Angaben zufolge zu Recht davon ausgehen, daß der Beschwerdeführer keine konkrete gegen ihn gerichtete Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention glaubhaft machen konnte, sondern lediglich wirtschaftliche Gründe für seine Flucht ins Treffen geführt hat. Aber auch wenn die belangte Behörde auf das in der zurückgezogenen Berufung enthaltene, wesentlich gesteigerte Vorbringen des Beschwerdeführers eingegangen wäre, hätte seinem Asylantrag kein Erfolg beschieden sein können, weil auch in diesen Angaben keine Hinweise auf eine konkrete Verfolgung des Beschwerdeführers aus in der Genfer Flüchtlingskonvention angeführten Gründen bzw. auf begründete Furcht vor einer solchen entnehmbar sind. So kann weder aus dem dargelegten Mißtrauen seiner Parteigenossen noch aus den offenbar ohne Folgen gebliebenen, nicht näher erklärten Mitteilungen an den Geheimdienst Furcht vor Verfolgung durch staatliche Stellen abgeleitet werden. Ebensowenig ist der Umstand, daß dem Beschwerdeführer die Situation in den syrischen Gefängnissen bekannt ist, geeignet, eine solche Furcht zu begründen.

Die sich sohin als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2.

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