VwGH 94/10/0149

VwGH94/10/014923.1.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Novak, Dr. Mizner und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fichtner, über die Beschwerde der Gemeinde R, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 12. Oktober 1993, Zl. 18.323/20-IA8/93, betreffend Zurückweisung einer Berufung, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §8;
ForstG 1975 §17 Abs2;
ForstG 1975 §19 Abs2 litb;
ForstG 1975 §19 Abs5 lita;
ForstG 1975 §19 Abs5;
ForstG 1975 §19 Abs6;
VwGG §34 Abs1;
AVG §8;
ForstG 1975 §17 Abs2;
ForstG 1975 §19 Abs2 litb;
ForstG 1975 §19 Abs5 lita;
ForstG 1975 §19 Abs5;
ForstG 1975 §19 Abs6;
VwGG §34 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der Beschwerde und dem angefochtenen Bescheid ergibt sich folgender Sachverhalt:

Mit Bescheid vom 30. Juli 1993 erteilte die Bezirkshauptmannschaft Lilienfeld der TS über deren Antrag die Bewilligung zur Rodung näher bezeichneter Grundflächen zum Zweck des Abbaues eines Kalksteinvorkommens. Im Verwaltungsverfahren hatte sich die beschwerdeführende Gemeinde im Zuge ihrer (gemäß § 19 Abs. 6 lit. a FG erfolgten) Anhörung gegen die Rodung ausgesprochen.

Gegen den oben erwähnten Bescheid erhob die beschwerdeführende Gemeinde Berufung. Sie vertrat die Auffassung, eine Ausweitung des bestehenden Steinbruches sei im Hinblick auf Belästigungen der Bewohner durch Lärm, Staub, Sprengungen und erhöhtes Verkehrsaufkommen nicht zu verantworten.

Diese Berufung wies der Landeshauptmann von Niederösterreich mit Bescheid vom 23. August 1993 zurück. Unter Hinweis auf § 19 Abs. 5 und 6 FG vertrat die Behörde die Auffassung, der beschwerdeführenden Gemeinde käme im vorliegenden Rodungsverfahren keine Parteistellung zu.

In ihrer gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung wiederholte die beschwerdeführende Gemeinde ihr oben wiedergegebenes Vorbringen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Begründend legte sie dar, die Gemeinde zähle nicht zu den in § 19 Abs. 5 FG taxativ aufgezählten Parteien des Rodungsverfahrens. Sie sei weder Eigentümerin, dinglich Berechtigte oder Bergbauberechtigte der zu rodenden Liegenschaft noch Eigentümerin eines benachbarten Grundstückes. Das mit § 19 Abs. 6 FG eingeräumte Anhörungsrecht begründe keine Parteistellung.

Gegen diesen Bescheid erhob die beschwerdeführende Gemeinde zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte die Behandlung der Beschwerde mit seinem Beschluß vom 26. September 1994, Zl. B 1945/93, ab und trat die Beschwerde antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

Vor dem Verwaltungsgerichtshof macht die Beschwerde Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend. Sie vertritt die Auffassung, die Parteistellung der beschwerdeführenden Gemeinde sei zu Unrecht verneint worden. Nach § 19 Abs. 5 FG sei derjenige als Partei anzusehen, "dem im Sinne des § 17 Abs. 2 FG die Wahrnehmung der öffentlichen Interessen zusteht". Daß dies im vorliegenden Fall die beschwerdeführende Gemeinde sei, bedürfe "keiner weiteren Erklärung".

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 8 AVG sind Parteien eines Verwaltungsverfahrens Personen, insoweit sie an der Sache vermöge eines Rechtsanspruches oder eines rechtlichen Interesses beteiligt sind. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann die Frage, wer in einem konkreten Verwaltungsverfahren die Rechtsstellung einer Partei besitzt, nicht an Hand des AVG allein gelöst werden, sondern muß vielmehr auf Grund der im jeweiligen Fall anzuwendenden Verwaltungsvorschrift beantwortet werden. Der Rechtsanspruch oder das rechtliche Interesse im Sinne des § 8 AVG kann sohin nur aus der Wirksamkeit erschlossen werden, die die den Einzelfall regelnde materiell-rechtliche Norm auf den interessierten Personenkreis entfaltet, es sei denn, daß der Gesetzgeber die Parteistellung autoritativ bestimmt und damit die Prüfung des Falles auf die Grundsätze des § 8 AVG für das Verwaltungsverfahren entbehrlich gemacht hat (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 27. April 1992, Zl. 91/19/0059, und die dort zitierte Rechtsprechung).

Eine solche autoritative Bestimmung der Parteistellung im Sinne des Gesagten liegt hier in Gestalt der Vorschrift des § 19 Abs. 5 FG vor.

Danach sind im Verfahren über einen Rodungsantrag Parteien im Sinne des § 8 AVG:

"a) die Berechtigten gemäß Abs. 2 im Umfang ihres Antragsrechtes,

b) der an der zur Rodung beantragten Waldfläche dinglich Berechtigte,

c) der Bergbauberechtigte, soweit er auf der zur Rodung beantragten Waldfläche nach den bergrechtlichen Vorschriften zum Aufsuchen oder Gewinnen bergfreier oder bundeseigener mineralischer Rohstoffe befugt ist,

d) der Eigentümer und der dinglich Berechtigte der an die zur Rodung beantragten Waldfläche angrenzenden Waldflächen, wobei § 14 Abs. 3 zweiter Halbsatz zu berücksichtigen ist,

e) das zuständige Militärkommando, wenn sich das Verfahren auf Waldflächen bezieht, die der Sicherung der Verteidigungswirkung von Anlagen der Landesverteidigung dienen."

Im Hinblick auf diese Regelung erübrigt sich eine weitere Untersuchung, wem in der vorliegenden Angelegenheit ein Rechtsanspruch oder rechtliches Interesse im Sinne des § 8 AVG zukommt; nur dann, wenn § 19 Abs. 5 FG im Rodungsverfahren die Parteistellung einräumt, ist an Hand der sonstigen Vorschriften des Forstgesetzes zu untersuchen, wie weit diese reicht (vgl. das Erkenntnis vom 20. Oktober 1993, Zl. 93/10/0106).

§ 19 Abs. 5 FG räumt der Gemeinde nicht schon wegen der Lage der Rodungsfläche im Gemeindegebiet die Parteistellung ein. Die beschwerdeführende Gemeinde behauptet auch nicht, daß ihr die Parteistellung auf Grund eines Sachverhaltes zukäme, der einen der in § 19 Abs. 5 lit. b bis d normierten Tatbestände verwirklicht; lit. e kommt schon der Sache nach nicht in Betracht.

Die Darlegungen der Beschwerde, der beschwerdeführenden Gemeinde käme die Parteistellung zu, weil ihr "im Sinne des § 17 Abs. 2 FG die Wahrnehmung der öffentlichen Interessen zusteht", deuten vielmehr darauf hin, daß sich die beschwerdeführende Gemeinde als "Berechtigte gemäß Abs. 2 im Umfang ihres Antragsrechtes" sieht, der § 19 Abs. 5 lit. a in Verbindung mit den §§ 19 Abs. 2 lit. b und 17 Abs. 2 FG die Parteistellung einräumt.

Diese Auffassung ist jedoch verfehlt. Nach der bezogenen Vorschrift des § 19 Abs. 2 lit. b FG sind zur Einbringung eines Antrages auf Rodungsbewilligung "die zur Wahrnehmung der öffentlichen Interessen im Sinne des § 17 Abs. 2 Zuständigen" berechtigt. Aus der zitierten Vorschrift kann keinesfalls abgeleitet werden, daß der Gemeinde, auf deren Gebiet die Rodefläche liegt, zur Wahrnehmung des Interesses an der Walderhaltung die Parteistellung eingeräumt werde; denn § 19 Abs. 2 lit. b in Verbindung mit § 17 Abs. 2 FG bezieht sich auf die zur Wahrnehmung der öffentlichen Interessen an einer ANDEREN Verwendung der zur Rodung beantragten Fläche als zur Waldkultur Zuständigen. Das Gesetz räumt den genannten "Zuständigen" die Berechtigung ein, einen Antrag auf Erteilung einer Rodungsbewilligung - auch bezogen auf Flächen, die im Eigentum Dritter stehen (vgl. hiezu die Erkenntnisse vom 20. Juni 1988, Zl. 88/10/0039, und vom 17. Juli 1988, Zl. 88/10/0098), zu stellen, und - im Wege des § 19 Abs. 5 lit. a FG - ausdrücklich die Parteistellung im Rodungsverfahren, in denen die in § 17 Abs. 2 FG bezogenen öffentlichen Interessen als Rodungszweck geltend gemacht werden. Den zitierten Vorschriften kann jedoch nicht entnommen werden, daß der Gemeinde, deren Beziehung zur Rodefläche sich in deren Lage auf dem Gemeindegebiet erschöpft, aus dem Titel der Wahrnehmung der öffentlichen Interessen an der Walderhaltung die Parteistellung im Rodungsverfahren eingeräumt wäre.

Der beschwerdeführenden Gemeinde kam daher aus dem Titel der von ihr geltend gemachten Interessen keine Parteistellung im Rodungsverfahren zu.

Diese konnte auch nicht aus § 19 Abs. 6 FG gefolgert werden. Nach der zitierten Vorschrift sind im Rodungsverfahren zu hören

a) die Gemeinde, in der die zur Rodung beantragte Fläche liegt, zur Wahrnehmung von örtlichen öffentlichen Interessen und

b) die Behörden, die in diesem Verfahren zur Wahrnehmung sonstiger öffentlicher Interessen berufen sind.

Die Regelung des § 19 Abs. 5 über die Einräumung der Parteistellung ist eine abschließende. Auch abgesehen davon folgt aus dem bloßen Recht auf Anhörung kein subjektives Recht auf eine Entscheidung bestimmten Inhaltes in der Sache selbst; der Anzuhörende wird nicht zur Partei des Verfahrens (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 13. Februar 1984, Zl. 84/10/0011). Selbst durch die Einräumung eines hoheitlichen Mitwirkungsrechtes in einem Verwaltungsverfahren an eine Gemeinde wird keine Parteistellung der Gemeinde in diesem Verfahren begründet (vgl. z. B. das Erkenntnis vom 15. Jänner 1969, Slg. 7488/A).

Die belangte Behörde hat mit dem im Instanzenzug erlassenen Bescheid die Berufung daher zu Recht zurückgewiesen.

Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte