VwGH 94/08/0235

VwGH94/08/02355.9.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Müller, Dr. Novak und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Möslinger-Gehmayr, über die Beschwerde des W in N, vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt, gegen den aufgrund des Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Kärnten vom 6. September 1994, Zl. IVa3 7022 B, betreffend Verlust des Anspruches auf Arbeitslosengeld gemäß § 10 AlVG, zu Recht erkannt:

Normen

AlVG 1977 §10 Abs1;
AlVG 1977 §11;
AlVG 1977 §24 Abs1;
AlVG 1977 §9 Abs2;
AlVG 1977 §10 Abs1;
AlVG 1977 §11;
AlVG 1977 §24 Abs1;
AlVG 1977 §9 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Dem im Arbeitslosengeldbezug stehenden Beschwerdeführer (der den Beruf eines Koches erlernt hat) wurde am 9. Mai 1994 vom Arbeitsamt Hermagor eine Beschäftigung (Dauerstelle) als Koch/Souschef im Hotel D in F mit einer Entlohnung von S 12.000,-- bis S 13.000,-- netto und einem Arbeitsantritt am 10. Mai 1994 zugewiesen.

Einer mit dem Beschwerdeführer vor dem Arbeitsamt aufgenommenen Niederschrift vom 9. Mai 1994 zufolge erklärte der Beschwerdeführer, er möchte in der Sommersaison lieber im Betrieb seines Bruders (in der E-Hütte) arbeiten, da er nach der Bestätigung seines Hausarztes alkoholgefährdet sei und daher in Jahresbetrieben die Gefahr eines Rückfalles wesentlich größer sei. Vom 23. April bis 14. Juni 1991 habe er eine stationäre Behandlung (die zweite Behandlung) im Krankenhaus D in T gehabt. Für die jeweilige Wintersaison habe er ein fixes Dienstverhältnis mit der Liftgesellschaft in S; dort herrsche auch ein Alkoholverbot für Bedienstete. Der Beginn des Dienstverhältnisses mit seinem Bruder sei ab 1. Juli 1994 fixiert.

Nach der vorgelegten Aufenthaltsbestätigung des genannten Krankenhauses vom 17. Juni 1991 habe sich der Beschwerdeführer in der Zeit vom 23. April bis 14. Juni 1991 in stationärer Behandlung befunden. Nach dem ebenfalls vorgelegten ärztlichen Attest seines Hausarztes vom 5. Mai 1994 werde "befürwortet, daß (der Beschwerdeführer) wegen Alkoholgefährdung keine Ganzjahresstelle im Gastgewerbe annehmen kann und ihm eine Saisonstelle bei seinem Bruder zugesichert ist".

Mit Bescheid vom 9. Juni 1994 sprach das Arbeitsamt Hermagor aus, daß der Beschwerdeführer gemäß § 10 AlVG den Anspruch auf Arbeitslosengeld für die Zeit vom 10. Mai bis 4. Juli 1994 verloren habe. Begründend wurde ausgeführt, daß sich der Beschwerdeführer geweigert habe, die ihm vom Arbeitsamt zugewiesene zumutbare Dauerbeschäftigung als Koch mit Arbeitsbeginn 10. Mai 1994 im genannten Hotel anzunehmen. Die Gründe, die er für die Weigerung angegeben habe, hätten nach Anhörung des Vermittlungsausschusses nicht als triftig anerkannt werden können.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung wandte der Beschwerdeführer ein, er habe die ihm angebotene Beschäftigung als Koch deshalb abgelehnt, weil er Alkoholiker sei und einen Arbeitsvertrag mit seinem Bruder (Arbeitsbeginn ca. 5. Juli 1994) abgeschlossen habe; wegen seiner Probleme als Alkoholiker bevorzuge er eine Arbeit unter Aufsicht seines Bruders. Außerdem könne er die Gruppe Anonyme Alkoholiker einmal wöchentlich in L besuchen. Bei seiner Saisonstelle im Winter, an der er ca. fünf bis sechs Monate arbeite und in guter Position stehe, bestehe ein absolutes Alkoholverbot und deshalb habe er auch die ihm (vom Arbeitsamt angebotenen) Stellen im Herbst 1993 nicht angenommen. Im übrigen verweise er auf die von ihm vorgelegten Bestätigungen.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge und bestätigte den bekämpften Bescheid. Begründend wurde ausgeführt, es sei dem Beschwerdeführer am 9. Mai 1994 von der erstinstanzlichen Behörde die obgenannte Dauerbeschäftigung mit einer Entlohnung, die den kollektivvertraglichen Bestimmungen entspreche, angeboten worden. Arbeitsantritt wäre am 10. Mai 1994 gewesen. Der präsumtive Dienstgeber hätte auch freie Station zur Verfügung gestellt. Der Beschwerdeführer habe die Annahme dieser Beschäftigung aus den in der oben wiedergegebenen Niederschrift und in der Berufung angegebenen Gründen abgelehnt, obwohl die angebotene Beschäftigung den Zumutbarkeitsbestimmungen des § 9 AlVG entsprochen habe. Bezüglich des vom Beschwerdeführer angesprochenen Alkoholproblems werde darauf hingewiesen, daß seitens der erstinstanzlichen Behörde eine eingehende Beratung des Beschwerdeführers über andere Beschäftigungsmöglichkeiten außerhalb des Gastgewerbes durchgeführt worden sei, der Beschwerdeführer aber anläßlich dieses Beratungsgespräches erklärt habe, nicht bereit zu sein, eine andere Beschäftigung anzunehmen, weil dies finanziell nicht möglich sei. Da somit seitens des Beschwerdeführers keinerlei Mitwirkung an der Stellensuche außerhalb des Gastgewerbes erfolgt sei und er dezidiert erklärt habe, weiterhin im Gastgewerbe tätig sein zu wollen, sei die Zuweisung auch in dieser Hinsicht zumutbar. Die vorgelegten Bestätigungen seien nicht geeignet, die Zumutbarkeit der zugewiesenen Beschäftigung in gesundheitlicher Hinsicht in Frage zu stellen. Sollten sich diesbezüglich Zweifel ergeben, so wäre ein amtsärztliches Gutachten einzuholen. Hinsichtlich der behaupteten Einstellungszusage bei seinem Bruder mit 5. Juli 1994 werde auf § 9 Abs. 5 AlVG verwiesen. Da bereits zwei Anspruchsverluste wegen Nichtannahme einer vom Arbeitsamt zugewiesenen Beschäftigung bzw. wegen der Vereitelung der Annahme einer solchen Beschäftigung im Zeitraum eines Jahres vorlägen (Anspruchsverlust vom 15. September bis 12. Oktober 1993 und vom 28. Oktober bis 8. Dezember 1993), sei mit Recht der Anspruchsverlust für die Dauer von acht Wochen ausgesprochen worden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 10 Abs. 1 AlVG verliert der Arbeitslose unter anderem dann, wenn er sich weigert, eine ihm vom Arbeitsamt zugewiesene zumutbare Beschäftigung anzunehmen oder die Annahme einer solchen Beschäftigung vereitelt, für die Dauer der Weigerung, jedenfalls aber für die Dauer der auf die Weigerung folgenden vier Wochen, den Anspruch auf Arbeitslosengeld. Liegt im Zeitraum eines Jahres vor dem Beginn eines Anspruchsverlustes bereits ein früherer Anspruchsverlust, so beträgt der im ersten Satz genannte Zeitraum sechs Wochen, im Falle von zwei oder mehr Anspruchsverlusten acht Wochen.

Der Beschwerdeführer bestreitet - unter erkennbarem Bezug auf § 9 Abs. 2 und 5 AlVG - die von der belangten Behörde angenommene Zumutbarkeit der zugewiesenen Beschäftigung aus zwei Gründen: Erstens habe die belangte Behörde die vorgelegten Bestätigungen als nicht geeignet befunden, die Zumutbarkeit der zugewiesenen Beschäftigung in gesundheitlicher Hinsicht in Frage zu stellen. Eine Begründung hiefür sei dem angefochtenen Bescheid nicht zu entnehmen, wohl aber, daß diese Frage (nach Auffassung der belangten Behörde) nur durch ein amtsärztliches Gutachten zu klären sei. Trotzdem sei aber die Einholung eines solchen Gutachtens unterlassen worden. Da nicht ausgeschlossen werden könne, daß dieses Gutachten die Gefährdung der Gesundheit des Beschwerdeführers durch die zugewiesene Dauerbeschäftigung bestätigt hätte, leide der angefochtene Bescheid an einem wesentlichen Mangel. Zweitens scheine die Sittlichkeit des Beschwerdeführers durch die Annahme der zugewiesenen Beschäftigung deshalb gefährdet, weil von ihm verlangt werde, er müsse dem zukünftigen Dienstgeber die Einstellungsvereinbarung (mit seinem Bruder und der Liftgesellschaft) verschweigen, um keinen Vereitelungstatbestand zu setzen. Die Aufrichtigkeit gelte in weiten Kreis der Bevölkerung (noch) als Teil der Menschenwürde, die sich der Beschwerdeführer erhalten wolle. Allein aufgrund der Offenheit des Beschwerdeführers könne ihm daher eine anspruchsvernichtende Vereitelung der Vermittlung nicht unterstellt werden.

Diese Beschwerdeeinwände sind nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides zu erweisen:

Gemäß § 7 Abs. 1 Z. 1 AlVG hat Anspruch auf Arbeitslosengeld unter anderem derjenige, der arbeitsfähig, arbeitswillig und arbeitslos ist. Die Arbeitswilligkeit wird in den (systematisch miteinander zusammenhängenden) §§ 9 bis 11 AlVG näher geregelt. Diese Bestimmungen sind Ausdruck der dem gesamten Arbeitslosenversicherungsrecht zugrundeliegenden Gesetzeszwecke, nämlich den arbeitslos Gewordenen, der trotz Arbeitsfähigkeit und Arbeitswilligkeit nach Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses keine neue Beschäftigung gefunden hat, möglichst wieder durch Vermittlung einer ihm zumutbaren Beschäftigung in den Arbeitsmarkt einzugliedern und ihn so wieder in die Lage zu versetzen, seinen Lebensunterhalt ohne Zuhilfenahme öffentlicher Mittel zu bestreiten; demgemäß hat das Arbeitsamt nach § 46 Abs. 4 AlVG über Ansprüche auf Geldleistungen erst zu entscheiden, wenn eine solche Vermittlung nicht möglich ist. § 10 Abs. 1 und § 11 AlVG sanktionieren das Verhalten desjenigen, der entweder einen solchen Zustand des Unterhalts- und Vermittlungsbedarfes schuldhaft herbeigeführt hat oder zwar ohne Verschulden in einen solchen Zustand geraten ist, seine Beendigung jedoch zu verhindern sucht (vgl. dazu u.a. die Erkenntnisse vom 19. Juni 1990, Zl. 90/08/0084, und vom 16. Oktober 1990, Zl. 89/08/0141).

Vor diesem rechtlichen Hintergrund kommt zunächst dem erstgenannten Einwand keine Berechtigung zu. Der Beschwerdeführer stellt nämlich die Feststellung der belangten Behörde nicht in Abrede, anläßlich des Beratungsgespräches beim Arbeitsamt erklärt zu haben, nicht bereit zu sein, eine andere Beschäftigung (als im Gastgewerbe) annehmen zu wollen, weil ihm dies finanziell nicht möglich sei. Auf letzteres kommt es aber

Der Zumutbarkeit (sowohl der konkret zugewiesenen Beschäftigung im Gastgewerbe als auch jeder anderen zumutbaren Beschäftigung außerhalb desselben) standen aber - zufolge § 9 Abs. 5 AlVG - auch nicht die behaupteten Einstellungszusagen Dritter bzw. Einstellungsvereinbarungen mit ihnen entgegen; dies auch nicht unter dem vom Beschwerdeführer geltend gemachten Gesichtspunkt der Gefährdung der Sittlichkeit im Sinne des § 9 Abs. 2 AlVG. Denn der Beschwerdeführer hatte sich

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als

unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 416/1994.

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