Normen
AVG §37;
AVG §42 Abs1;
AVG §45 Abs2;
AVG §47;
AVG §63 Abs5;
AVG §66 Abs4;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
ZPO §292;
AVG §37;
AVG §42 Abs1;
AVG §45 Abs2;
AVG §47;
AVG §63 Abs5;
AVG §66 Abs4;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
ZPO §292;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 11.600,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid der belangten Behörde vom 8. September 1994 wurde der mitbeteiligten Partei (mP) die wasserrechtliche Bewilligung für die im Detailprojekt "Stauraum Wien - Rechtes Ufer (2. und 20. Bezirk)" dargestellten Maßnahmen und Anlagen erteilt (Spruchabschnitt I).
Unter Spruchabschnitt IV wurden die Einwendungen der beschwerdeführenden Partei gemäß § 42 Abs. 1 AVG als verspätet zurückgewiesen.
Zu Spruchabschnitt IV heißt es in der Begründung des angefochtenen Bescheides, die Einwendungen der beschwerdeführenden Partei seien erst am 2. August 1994, dem Tag der Verhandlung, und somit verspätet, bei der belangten Behörde eingelangt und hätten daher im Verfahren nicht mehr berücksichtigt werden können.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhalts, in eventu Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.
Die beschwerdeführende Partei bringt vor, mit Kundmachung der belangten Behörde vom 15. Juli 1994 sei über das Ansuchen der mP betreffend das Projekt "Stauraum Wien - Rechtes Ufer" eine mündliche Verhandlung auf den 2. August 1994 anberaumt worden. Zu dieser Verhandlung sei die beschwerdeführende Partei als Eigentümer eines näher bezeichneten Hauses geladen worden, weil der Keller dieses Hauses durch die "projektgemäße Bewirtschaftung" eine stärkere Vernässung als bisher erfahren könnte. Die beschwerdeführende Partei habe gegen das Projekt Einwendungen erhoben, in eventu die Zuerkennung einer angemessenen Entschädigung beantragt. Dieser Schriftsatz sei am 1. August 1994 mit Boten an die belangte Behörde übermittelt worden. Die belangte Behörde habe den Schriftsatz entgegengenommen und dies mit Stampiglie und Paraphe bestätigt. Als Beleg dafür würde der Schriftsatz vom 1. August 1994 mit Stampiglie und Paraphe sowie die Rechnung des Boten vom selben Tag vorgelegt. Wie die belangte Behörde zu der Meinung gelangt sei, der Schriftsatz vom 1. August 1994 sei erst am 2. August 1994 bei ihr eingelangt, sei nicht nachvollziehbar. Möglicherweise sei der Schriftsatz außerhalb der Amtsstunden überreicht worden; in diesem Fall wäre die belangte Behörde zur Entgegennahme des Schriftsatzes nicht verpflichtet gewesen. Der beschwerdeführenden Partei wäre dann die Möglichkeit offengestanden, ihre Einwendungen in der mündlichen Verhandlung zu erheben. Habe die belangte Behörde den Schriftsatz aber entgegengenommen, so könne sie sich nicht im nachhinein darauf berufen, daß dies außerhalb der Amtsstunden erfolgt wäre. Das Anbringen der beschwerdeführenden Partei sei daher rechtswirksam und rechtzeitig gewesen. Die belangte Behörde habe der beschwerdeführenden Partei die Ansicht, daß der Schriftsatz vom 1. August 1994 erst am 2. August 1994, also verspätet, bei ihr eingelangt sei, nicht vorgehalten und dem Beschwerdeführer keine Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt.
In einem ergänzenden Schriftsatz beantragte die beschwerdeführende Partei zum Beweis dafür, daß die Einwendungen vom 1. August 1994 an diesem Tag bei der belangten Behörde eingelangt seien, die Einholung einer Anfrage bei der V.-Fahrer-Botendienst-GesmbH.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Sie wendet ein, das an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft adressierte Schreiben vom 1. August 1994, mit dem die beschwerdeführende Partei Einwendungen erhoben habe, trage den Eingangsstempel des Ministersekretariats mit Datum 2. August 1994, also dem Tag der Verhandlung. Die Dokumentation des Einlangens von Schriftstücken erfolge bei der von der beschwerdeführenden Partei gewählten Form der Einbringung durch den Eingangsstempel des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft. Dieser Eingangsstempel werde bei der persönlichen Überreichung überlicherweise unmittelbar im Anschluß an die Übergabe am Schriftstück angebracht und gelte der Behörde als Beweis für den Zeitpunkt des Einlangens. Auch im vorliegenden Fall sei für die belangte Behörde kein Grund für die Anzweiflung der Aussagekraft des Eingangsstempels ersichtlich. Die bloße paraphierte Stampiglie ohne Beifügung eines Datums sowie der Transportscheck vom 1. August 1994 für eine Fahrt von der Siebensterngasse zum Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft scheine der belangten Behörde jedenfalls nicht ausreichend geeignet, die Verspätung der Einwendungen in Zweifel zu ziehen.
Die belangte Behörde räume ein, daß sie der beschwerdeführenden Partei die Tatsache des Eingangsstempels mit dem Datum 2. August 1994 nicht zur Kenntnis gebracht habe. Auf Grund des Vorbringens in der Beschwerde könne allerdings davon ausgegangen werden, daß ohnehin kein anderes Verfahrensergebnis erzielt worden wäre.
Abschließend werde noch darauf hingewiesen, daß der beschwerdeführenden Partei durch die Zurückweisung ihrer Einwendungen kein Nachteil erwachse, da ohnehin "im Auflagepunkt" des angefochtenen Bescheides generell normiert worden sei, daß allenfalls durch das Projekt entstehende Schäden bzw. Beeinträchtigungen fremder Rechte primär durch geeignete technische Maßnahmen zu beseitigen seien und für irreparable Schäden bzw. Beeinträchtigungen entsprechender Ersatz zu leisten sei. Das gegenständliche Gebäude liege außerdem in dem von der belangten Behörde abgegrenzten generellen Bereichssicherungsgebiet; die spezielle Beweissicherung dieses Gebäudes sei der mP in der Begründung des angefochtenen Bescheides empfohlen worden. In Spruchabschnitt VI werde im übrigen normiert, daß gemäß § 111 Abs. 1 WRG 1959 über allenfalls erforderliche Zwangsrechte und deren Entschädigung gesondert entschieden werde.
Die mP hat ebenfalls eine Gegenschrift erstattet und
beantragt, der Beschwerde keine Folge zu geben.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Wurde eine mündliche Verhandlung durch Anschlag in der Gemeinde oder auch durch Verlautbarung in der für amtliche Kundmachungen der Behörde bestimmten Zeitung bekanntgemacht, so hat dies nach § 42 Abs. 1 AVG zur Folge, daß Einwendungen, die nicht spätestens am Tage vor Beginn der Verhandlung bei der Behörde oder während der Verhandlung vorgebracht wurden, keine Berücksichtigung finden und angenommen wird, daß die Beteiligten dem Parteiantrag, dem Vorhaben oder der Maßnahme, die den Gegenstand der Verhandlung bilden, zustimmen.
Unbestritten ist, daß der die Einwendungen enthaltende Schriftsatz der beschwerdeführenden Partei vom 1. August 1994 bei der belangten Behörde eingelangt ist; strittig ist, zu welchem Zeitpunkt.
Die belangte Behörde hat die Einwendungen als verspätet zurückgewiesen, weil der Schriftsatz vom 1. August 1994 den Eingangsstempel vom 2. August 1994, dem Tag der Verhandlung, trägt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits mehrmals ausgesprochen, daß die Behörde das Risiko einer Bescheidaufhebung trägt, wenn sie von der Feststellung der Versäumung der Rechtsmittelfrist ausgeht, diese Feststellung dem Rechtsmittelbewerber aber vor ihrer Entscheidung nicht vorgehalten hat (vgl. die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des Österreichischen Verwaltungsverfahrens4, S. 536 f angeführte Rechtsprechung). Dasselbe gilt im Fall der Zurückweisung einer Einwendung nach § 42 Abs. 1 AVG. Das Datum der Eingangsstampiglie ist kein unwiderlegbarer Beweis dafür, daß ein Schriftstück an diesem Tag bei der Behörde eingelangt ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Juni 1962, Slg. N.F. 5833/A u. a.). Es kann nicht ausgeschlossen werden, daß die belangte Behörde, hätte sie der beschwerdeführenden Partei vor Erlassung des angefochtenen Bescheides zur Kenntnis gebracht, daß sie von einer verspäteten Einbringung der Einwendung ausgehe, zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, hätte doch die beschwerdeführende Partei die Möglichkeit gehabt, Beweismittel anzubieten, insbesondere die Vernehmung eines Vertreters der von ihr beauftragten Botenfirma zu beantragen.
Ob die von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid vorgesehenen Auflagen ausreichen, um die beschwerdeführende Partei vor Nachteilen zu schützen, ist im vorliegenden Zusammenhang, in dem es um die Rechtmäßigkeit der Zurückweisung der Einwendungen der beschwerdeführenden Partei geht, nicht zu prüfen. Welche Bedeutung der Hinweis der belangten Behörde auf § 111 Abs. 1 WRG 1959 im vorliegenden Zusammenhang haben soll, bleibt mangels näherer Erläuterung in der Gegenschrift offen.
Aus den dargestellten Erwägungen erweist sich der angefochtene Bescheid als rechtswidrig infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben war.
Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich, ausgehend vom gestellten Antrag, auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)