VwGH 94/07/0148

VwGH94/07/014831.1.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Bumberger, Dr. Pallitsch und Dr. Beck als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Bachler, über die Beschwerde des J in W, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt, gegen den Bescheid des Landesagrarsenates beim Amt der Tiroler Landesregierung vom 11. August 1994, Zl. LAS-343/17-91, betreffend Minderheitenbeschwerde (mitbeteiligte Partei: Agrargemeinschaft O, vertreten durch den Obmann G, dieser vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt), zu Recht erkannt:

Normen

FlVfGG §36 Abs1;
FlVfLG Tir 1978 §36 Abs1;
FlVfLG Tir 1978 §37 Abs1;
VwRallg;
FlVfGG §36 Abs1;
FlVfLG Tir 1978 §36 Abs1;
FlVfLG Tir 1978 §37 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren der mitbeteiligten Partei wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 11. August 1994 wurde die Minderheitenbeschwerde des Beschwerdeführers gegen den Vollversammlungsbeschluß der mitbeteiligten Partei vom 4. Februar 1994 abgewiesen. Dieser Vollversammlungsbeschluß betraf die Verpachtung eines Teiles der agrargemeinschaftlichen Grundstücke der mitbeteiligten Partei an die Gemeinde W zum Zwecke des Betriebes eines Sportplatzes.

In der Begründung dieses Bescheides wird ausgeführt, der Beschwerdeführer sei dadurch, daß das über die Vollversammlung der mitbeteiligten Partei vom 4. Februar 1994 verfaßte Protokoll nicht binnen einer Woche in das Beschlußbuch eingetragen worden sei, nicht in seinen Rechten verletzt worden, da § 8 Abs. 3 der Satzung der mitbeteiligten Partei eine bloße Formvorschrift sei.

Zur Behauptung des Beschwerdeführers, die Verpachtung eines Teiles der Grundstücke der mitbeteiligten Partei stelle einen Verstoß gegen das Gebot der Zweckmäßigkeit der Bewirtschaftung agrargemeinschaftlicher Grundstücke dar, da mit der Verpachtung die berechtigten Ansprüche der Mitglieder langfristig nicht mehr gewährleistet seien, sei festgestellt worden, daß bezüglich der möglichen Weidenutzung insgesamt 27 Weideanteile (ein Anteil = ein Auftriebsrecht für eine Kuh) auf der gesamten Weidefläche von 22 ha bestünden. Der Stammsitzliegenschaft GB W des Beschwerdeführers kämen laut rechtskräftigem Bescheid der Agrarbehörde I. Instanz vom 6. Juli 1992 sechs Anteilsrechte zu. Der Beschwerdeführer halte auf seiner Stammsitzliegenschaft seit mindestens 20 Jahren kein Vieh mehr, habe seit dieser Zeit die O nicht mehr bestoßen und verfüge zur Zeit über kein eigenes Stallgebäude. Auch die Mitglieder J. H.

(sieben Anteile) und G. K. (ein Anteil) bestießen mangels überwintertem Eigenvieh die O nicht. S. F. (vier Anteile) halte selber ebenfalls kein Vieh; sein Nutzungsanteil werde mit Lehnvieh bestoßen. Lediglich J. G. (neun Anteile) bestoße die O mit eigenem Vieh, er allein benutze das gemeinschaftliche Almgebäude. Der Landesagrarsenat könne sich der Argumentation des Beschwerdeführers nicht anschließen, daß es jedem Mitglied freistehe, wieder zum Viehhalter zu werden und dann wegen der gegenständlichen Verpachtung nicht mehr genügend Weidefläche zur Bedarfsdeckung zur Verfügung stehe. Konsequent zu Ende gedacht, würde dies bedeuten, daß jede die Weidenutzung ausschließende Verwendung eines agrargemeinschaftlichen Grundstückes schon deswegen unmöglich sei, weil man nie wisse, ob nicht einmal von allen Mitgliedern alle Weideanteile bestoßen würden. Der Umstand, daß von insgesamt

fünf Mitgliedern der mitbeteiligten Parteien nur mehr ein Mitglied selbst auf seiner Stammsitzliegenschaft Vieh halte und mit diesem Vieh die Gemeinschaftsweide bestoße, weiters einige Mitglieder über gar kein Stallgebäude mehr verfügten, könne einen Mehrheitsbeschluß der mitbeteiligten Partei darüber, einen Teil des gemeinschaftlichen Weidegebietes für landwirtschaftsfremde Zwecke zu verpachten, durchaus rechtfertigen. Für den Fall, daß an der Sicherstellung der Erfüllung der Weiderechte seitens der Mitglieder auf einen bestimmten Zeitraum kein begründeter Bedarf bestehe, lasse sich eine Verpachtung und damit eine jährlich wiederkehrende Einnahme aus der Verpachtung aus wirtschaftlicher Sicht durchaus positiv beurteilen. Von der Gesamtweidefläche von ca. 22 ha betrage die Pachtfläche ca. 2 ha, sodaß für die Beweidung ca. 20 ha weiterhin zur Verfügung stünden. Es sei nicht ersichtlich, daß infolge der Verpachtung auf der weiterhin zur Verfügung stehenden Weidefläche die Weiderechte des Beschwerdeführers, sollte dieser selbst wieder einmal Viehhaltung betreiben, nicht bedeckt werden könnten, verfüge er doch nur über sechs der insgesamt 27 Weideanteile. Insgesamt habe auch festgestellt werden können, daß sich der Weidebetrieb durch die im Pachtvertrag festgelegten Bedingungen (Wegfreihaltung und Abzäunung) auf der verbleibenden Fläche ungehindert aufrecht erhalten lasse.

Zur Frage der Angemessenheit der Höhe des Pachtschillings sei von der belangten Behörde eine Stellungnahme der Bezirkslandwirtschaftskammer Kufstein eingeholt worden. Aufgrund dieses - näher dargestellten - Gutachtens komme die belangte Behörde zu dem Ergebnis, daß der Pachtpreis von S 5,-- je m2, um den die mitbeteiligte Partei ihre Grundfläche verpachtet habe, als angemessen, ja sogar erheblich über dem durchschnittlichen Preisniveau für derartige Verpachtungen liegend angesehen werden müsse.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Die mitbeteiligte Partei hat ebenfalls eine Gegenschrift erstattet und beantragt, der Beschwerde keine Folge zu geben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer bringt vor, die Verpachtung einer agrargemeinschaftlichen Teilfläche für nichtlandwirtschaftliche Zwecke stehe im Widerspruch zu § 2 der Satzung der mitbeteiligten Partei. Durch eine solche Verpachtung werde nicht nur eine landwirtschaftliche Fläche der landwirtschaftlichen Nutzung entzogen, sondern es müsse unterstellt werden, daß über lange Zeit diese Fläche generell der Agrargemeinschaft entzogen werde, wobei es überhaupt zweifelhaft sei, ob die mitbeteiligte Partei jemals wieder über die gegenständliche Fläche im eigenen Wirkungsbereich verfügen könne. Wenn weiters bedacht werde, daß diese Fläche in Zukunft als Sportplatz verwendet werden solle, liege klar auf der Hand, daß hiedurch eine pflegliche Bewirtschaftung unter Berücksichtigung agrarrechtlicher Aspekte nicht gegeben sei.

Nach § 2 der Satzung der mitbeteiligten Partei hat die mitbeteiligte Partei den Zweck, durch pflegliche Bewirtschaftung und Verwaltung des Gemeinschaftsvermögens die bestmögliche und andauernde Erfüllung der berechtigten Ansprüche ihrer Mitglieder sicherzustellen, das Gemeinschaftsvermögen zu erhalten und zu verbessern und zu diesem Zweck auch die erforderlichen gewerblichen Unternehmen zu betreiben.

Aus dieser Bestimmung ist nicht abzuleiten, daß Grundstücke der mitbeteiligten Partei nur zu landwirtschaftlichen Zwecken verwendet werden dürfen. Auch eine Verpachtung zu anderen Zwecken entspricht dieser Bestimmung, wenn, wie im vorliegenden Fall, angesichts der von der belangten Behörde festgestellten Verhältnisse die Pachtfläche für Weidezwecke gar nicht benötigt wird.

Der Beschwerdeführer meint, die belangte Behörde hätte auch darauf achten müssen, daß durch die Verpachtung einer Teilfläche nicht mehr genügend Weidefläche zur Bedarfsdeckung übrig bleibe, damit alle Weideberechtigten ihr Recht ausüben könnten. Da die zur Verfügung stehende Weidefläche durch die Verpachtung einer Teilfläche reduziert worden sei, sei nicht mehr genügend Fläche vorhanden, um allen Agrargemeinschaftsmitgliedern die Ausübung ihrer Rechte zu ermöglichen. Sollte es dazu kommen, daß alle Agrargemeinschaftsmitglieder selbst oder durch Dritte ihr Weiderecht zur Gänze ausübten, so wäre dies mit Problemen verbunden, da nicht genügend Weidefläche vorhanden wäre.

Der von der belangten Behörde festgestellte, vom Beschwerdeführer nicht in Abrede gestellte Sachverhalt in bezug auf die Ausübung der Weiderechte durch die Mitglieder der mitbeteiligten Partei rechtfertigt zweifelsfrei den Schluß, daß die Pachtfläche für die Ausübung der Weiderechte weder jetzt noch in absehbarer Zukunft erforderlich ist. Insbesondere hat die belangte Behörde festgestellt, daß der Beschwerdeführer auf seiner Stammsitzliegenschaft seit mindestens 20 Jahren kein Vieh mehr hält, die Weide seit dieser Zeit nicht mehr bestoßt und auch über keinen eigenen Stall mehr verfügt. Der Beschwerdeführer hat selbst nicht behauptet, daß er die Weidenutzung wieder aufnehmen werde. Es ist daher nicht ersichtlich, inwiefern der Beschwerdeführer durch die Reduzierung der Weidefläche um ca. 2 ha in seinen Rechten verletzt sein könnte. Außerdem reichen nach den Feststellungen der belangten Behörde die verbleibenden Weideflächen zur Bedeckung der Weiderechte aus. Soweit der Beschwerdeführer mit seinen allgemein gehaltenen Beschwerdeausführungen eine mögliche Beeinträchtigung von Weiderechten anderer Mitglieder der mitbeteiligten Partei anspricht, braucht darauf schon deswegen nicht eingegangen werden, weil es nicht Sache des Beschwerdeführers ist, Rechte anderer geltend zu machen.

Der Beschwerdeführer bringt weiters vor, einige Punkte des Pachtvertrages seien für die mitbeteiligte Partei nachteilig. So sei die verpachtete Teilfläche nicht genau definiert. Im Pachtvertrag sei die Pachtdauer auf unbestimmte Zeit vorgesehen, wobei der Gemeinde ein Vorkaufs- und Vorpachtrecht eingeräumt worden sei. Weiters sei der Gemeinde das Recht eingeräumt worden, die Pachtfläche unterzuverpachten. Auch sei die Höhe des Pachtschillings in keiner Weise hinterfragt worden.

Die belangte Behörde hat, gestützt auf ein Gutachten der Landwirtschaftskammer, in schlüssiger Weise dargelegt, daß der Pachtschilling nicht nur angemessen ist, sondern sogar erheblich über dem durchschnittlichen Preis für derartige Verpachtungen liegt. Der Beschwerdeführer bleibt jegliche Begründung dafür schuldig, inwiefern er durch die von ihm behaupteten Mängel des Pachtvertrages in seinen Rechten verletzt sein könnte.

Der Beschwerdeführer bemängelt, ihm sei die im erstinstanzlichen Verfahren eingeholte Stellungnahme des Amtssachverständigen für Landwirtschaft vom 28. Februar 1994 nicht zur Kenntnis gebracht worden. Im erstinstanzlichen Bescheid sei nur das Ergebnis dieser Stellungnahme wiedergegebenen worden, sodaß er keine Gelegenheit gehabt habe, sich hiezu zu äußern.

Die Agrarbehörde erster Instanz hat die die Weideverhältnisse im Rahmen der mitbeteiligten Partei betreffende Stellungnahme des Amtssachverständigen vom 28. Februar 1994 nicht nur im Ergebnis, sondern in allen wesentlichen Teilen in ihrem Bescheid wiedergegeben. Dem Beschwerdeführer stand daher die Möglichkeit offen, in der Berufung dazu Stellung zu nehmen.

Der Beschwerdeführer bringt vor, das Protokoll der Vollversammlung der mitbeteiligten Partei sei nicht innerhalb der in der Satzung vorgesehenen Frist vorgelegen, sodaß der Beschwerdeführer insofern in seinen Rechten beschränkt worden sei, weil er nicht umfassend auf den von der Vollversammlung gefaßten Beschluß habe eingehen können.

Nach § 8 Abs. 3 der Satzung der mitbeteiligten Partei ist das bei der Vollversammlung verfaßte Protkoll binnen einer Woche in das Beschlußbuch einzutragen und die Richtigkeit der Eintragung vom Obmann und zwei weiteren Mitgliedern zu bestätigen.

Nach § 8 Abs. 4 der Satzung können gegen Vollversammlungsbeschlüsse überstimmte Mitglieder binnen einer Woche an die Agrarbehörde schriftlich Einspruch erheben.

Schon aus der Tatsache, daß für die Eintragung des Protokolls im Beschlußbuch die selbe Frist zur Verfügung steht wie für den Einspruch gegen Vollversammlungsbeschlüsse, die Eintragung also erst nach Ablauf der Einspruchsfrist vorliegen muß, folgt, daß § 8 Abs. 3 lediglich eine Ordnungsvorschrift ist, deren Verletzung nicht als Beeinträchtigung subjektiver Rechte geltend gemacht werden kann (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 13. Dezember 1994, Zl. 94/07/0171). Überdies war der Beschwerdeführer bei der Vollversammlung der mitbeteiligten Partei anwesend und hatte dort die Möglichkeit der Kenntnisnahme vom genauen Inhalt des gefaßten Beschlusses.

Schließlich bringt der Beschwerdeführer vor, aus der Einladung zur Vollversammlung habe nur abgeleitet werden können, daß die Gemeinde "die Agrargemeinschaft Oberbergweide anpachten" wolle. Von der Anpachtung einer Teilfläche bzw. von einer unmißverständlichen Formulierung in bezug auf das Pachtgesuch der Gemeinde könne nicht ausgegangen werden. Daraus resultiere, daß in der Vollversammlung kein Beschluß auf Verpachtung einer agrargemeinschaftlichen Teilfläche an die Gemeinde hätte gefaßt werden dürfen, da eine solche Beschlußfassung nicht Gegenstand eines Tagesordnungspunktes auf der Einladung zur Vollversammlung gewesen sei.

Punkt 3 der Einladung zur Vollversammlung der mitbeteiligten Partei vom 4. Februar 1994 lautet:

"3. Nochmalige Besprechung des Antrages der Gemeinde W. auf Anpachtung der Agrargemeinschaft O. und Beschlußfassung - Pachtdauer - Pachtschilling - Pachtvertrag".

Aus dieser Formulierung des Tagesordnungspunktes 3 geht mit hinreichender Deutlichkeit hervor, was gemeint war, zumal es sich um eine Angelegenheit handelte, die nicht zum ersten Mal auf der Tagesordnung einer Vollversammlung stand und außerdem auf einen Antrag der Gemeinde hingewiesen wurde.

Aus den dargestellten Erwägungen erweist sich die Beschwerde als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens der mitbeteiligten Partei betrifft die Verrechnung von Umsatzsteuer. Diese ist im Schriftsatzaufwand enthalten und nicht gesondert zu vergüten. Ein Zuspruch von Stempelgebühren an die mitbeteiligte Partei kam zufolge ihrer aus § 2 Z. 3 Gebührengesetz 1957 abzuleitenden Gebührenbefreiung nicht in Betracht.

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