Normen
AgrBehG 1950 §1;
AVG §1;
AVG §10 Abs1;
VwRallg;
WWSGG §33;
WWSLG Tir 1952 §38 Abs2;
AgrBehG 1950 §1;
AVG §1;
AVG §10 Abs1;
VwRallg;
WWSGG §33;
WWSLG Tir 1952 §38 Abs2;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Tirol hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.800,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Gemäß dem mit Bescheid des Amtes der Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde erster Instanz (AB) vom 26. August 1976 gemäß §§ 38 Abs. 2 und 50 Abs. 2 WWSG erlassenen Vertretungsstatut wurden die Nutzungsberechtigten auf den in der Servitutenregulierungsurkunde vom 27. April 1873 näher beschriebenen Grundstücken der Liegenschaft EZ 142 II KG Sch., welche im Eigentum der Österreichischen Bundesforste steht, zur Alpinteressentschaft O.-Alpe zusammengefaßt.
Mit Bescheid der AB vom 7. Oktober 1992 wurde über den Antrag der Österreichischen Bundesforste vom 2. September 1991 auf Feststellung der Weidegrenze zwischen der O.-Alpe und der L.-Alpe in Sch. gemäß § 38 Abs. 2 des Wald- und Weideservitutengesetzes, LGBl. Nr. 21/1952, wie folgt entschieden:
"Die Weidegrenze verläuft vom Stein 10/K beim Unteren G. zum Stein 17/K bei der Einmündung des I.-Baches in den G.-Bach (die Steinbezeichnungen beziehen sich auf die Wirtschaftskarte der Österreichischen Bundesforste), wie sie im beigeschlossenen, einen wesentlichen Bestandteil dieses Bescheides bildenden Lageplan IIId3 - 3458/3 vom 2.10.1992 grün dargestellt ist."
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin, vertreten durch ihren Obmann rechtzeitig Berufung.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies der Landesagrarsenat beim Amt der Tiroler Landesregierung (LAS) die Berufung als unzulässig zurück. In der Begründung führte die belangte Behörde hiezu aus, nach dem Vertretungsstatut der Beschwerdeführerin (§ 11) gehörten zum Wirkungskreis des Ausschusses alle Angelegenheiten, die nicht ausdrücklich einem anderen Organ vorbehalten seien, wie z.B. die Beschlußfassung über die Einleitung gerichtlicher Schritte. Die Einbringung einer Berufung durch eine Interessentschaft setze sich aus zwei Rechtsakten zusammen: Aus der Willensbildung zur Einbringung der Berufung und aus der Ausführung dieser Willenserklärung, also aus der Beschlußfassung und dem Vollzug des Beschlusses durch Einbringung der Berufung, wobei die Einbringung der Berufung dem Obmann zukomme. Die Einbringung einer Berufung sei jedoch nur möglich, wenn innerhalb der Rechtsmittelfrist eine entsprechende Willensbildung, also eine Beschlußfassung durch das zuständige Organ (Ausschuß) erfolgt sei. Die ergänzend durchgeführten Ermittlungen der belangten Behörde hätten ergeben, daß zwar am 26. Oktober 1992, dem letzten Tag der Rechtsmittelfrist, über den Grenzverlauf am G. im Ausschuß gesprochen, ein Beschluß auf Einbringung einer Berufung jedoch während der Rechtsmittelfrist nicht gefaßt worden sei. Der Obmann der belangten Behörde hätte lediglich die drei Ausschußmitglieder von der Einbringung der Berufung verständigt. Damit fehle es an einem wesentlichen Element für eine Berufung.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführerin erachtet sich ihrem gesamten Vorbringen zufolge durch den angefochtenen Bescheid in dem Recht auf meritorische Erledigung ihrer Berufung verletzt. Sie trägt hiezu unter dem Gesichtpunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes vor, nach Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides habe sich der Obmann der Beschwerdeführerin unverzüglich mit den übrigen Ausschußmitgliedern in Verbindung gesetzt, diesen vom Bescheid und dessen Inhalt Mitteilung gemacht und mit jedem einzelnen Ausschußmitglied besprochen, eine Berufung zu erheben. Die Willensbildung innerhalb des Ausschusses, nämlich ein Beschluß über die Einbringung der Berufung, sei ordnungsgemäß zustande gekommen, der Obmann habe diesen Beschluß vollzogen und die Berufung bei der AB eingebracht. Es seien daher beide in der Begründung des angefochtenen Bescheides aufgezählten Elemente für die Erhebung einer Berufung durch eine Agrargemeinschaft erfüllt. Es mag sein, daß die Protokollierung über den Vorgang in der Ausschußsitzung vom 26. Oktober 1992 laienhaft sei, jedoch sei die dort angeführte "vorhergehende mündliche Verständigung zwischen den Ausschußmitgliedern" der Beschluß über die Einbringung der Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid gewesen, welcher vom Obmann vollzogen worden sei.
Diesem Vorbringen kommt aus folgenden Gründen Berechtigung zu:
Gemäß § 12 des eingangs zitierten Vertretungsstatutes der
Beschwerdeführerin gehören zum Wirkungskreis des Ausschusses
alle Angelegenheiten, die nicht ausdrücklich einem anderen
Organ vorbehalten sind, z.B. ... die Beschlußfassung über die
Einleitung gerichtlicher Schritte, ... .
Gemäß § 13 Abs. 2 des Vertretungsstatutes vertritt der Obmann die Alpinteressentschaft nach außen.
Die im § 9 des Vertretungsstatutes enthaltene Aufzählung der Kompetenzen der Vollversammlung enthält nicht die Beschlußfassung zur Erhebung von Berufungen gegen verwaltungsbehördliche Bescheide.
Nach dem Vertretungsstatut der Beschwerdeführerin umfaßt somit der Wirkungskreis des Obmannes u.a. die Vertretung der Interessentschaft nach außen. Der Obmann der Beschwerdeführerin ist daher zur Erhebung einer Berufung gegen einen Bescheid der Agrarbehörde erster Instanz schon deshalb berechtigt, da es sich bei der Erhebung einer solchen Berufung um keine gerichtlichen Schritte handelt (vgl. die zu ähnlich gelagerten Fällen ergangenen hg. Erkenntnisse vom 5. Juli 1976, Zl. 417/76, und vom 24. Juni 1986, Zl. 83/07/0161). Da nach dem Vorhergesagten der Obmann der Beschwerdeführerin zur Erhebung einer Berufung gegen den Bescheid der AB infolge seiner Vertretungsbefugnis gemäß § 13 Abs. 2 des Vertretungsstatutes ohne vorhergehende Beschlußfassung durch den Ausschuß oder die Vollversammlung befugt ist, kann es dahingestellt bleiben, ob - wie in der Beschwerde behauptet - ein Beschluß des Ausschusses zur Erhebung dieser Berufung vorliegt.
Aus den dargestellten Erwägungen erweist sich der angefochtene, die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid der Agrarbehörde erster Instanz als unzulässig zurückweisende Bescheid als inhaltlich rechtswidrig, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft nicht erforderlichen Stempelgebührenaufwand.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)