VwGH 94/05/0126

VwGH94/05/012630.5.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Besein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gritsch, über die Beschwerde des A in S, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 22. Dezember 1993, Zl. 8 BauR1-367/10/1993, betreffend eine Bauangelegenheit (mitbeteiligte Parteien: 1. Stadtgemeinde St. Veit an der Glan, vertreten durch den Bürgermeister,

2. Dr. P in W), zu Recht erkannt:

Normen

BauO Krnt 1992 §11 Abs2;
BauO Krnt 1992 §15 Abs2;
BauO Krnt 1992 §4 lita;
BauO Krnt 1992 §4 litb;
BauO Krnt 1992 §4 litc;
BauRallg;
GdPlanungsG Krnt 1982 §14 Abs1;
GdPlanungsG Krnt 1982 §14 Abs4;
GdPlanungsG Krnt 1982 §14 Abs5;
BauO Krnt 1992 §11 Abs2;
BauO Krnt 1992 §15 Abs2;
BauO Krnt 1992 §4 lita;
BauO Krnt 1992 §4 litb;
BauO Krnt 1992 §4 litc;
BauRallg;
GdPlanungsG Krnt 1982 §14 Abs1;
GdPlanungsG Krnt 1982 §14 Abs4;
GdPlanungsG Krnt 1982 §14 Abs5;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Kärnten Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Antrag vom 1. Dezember 1992 begehrte der Beschwerdeführer die Erteilung der Baubewilligung für einen Zubau und eine Aufstockung des Werkstättengebäudes auf den Grundstücken Nr. 779/4 und . 392/3, KG St. Veit an der Glan.

Die Parzellen des Bauwerbers befinden sich nicht an der Verkehrsfläche K-Straße, sind aber mit dieser durch einen Servitutsweg verbunden. Die Parzelle 779/4 schließt L-förmig an die Parzelle .392/3 an, sodaß in einem rechten Winkel die Parzelle 779/11 des mitbeteiligten Nachbarn umschlossen wird.

Aufgrund der Darstellung des Amtssachverständigen in der Verhandlung vom 18. Jänner 1993 muß davon ausgegangen werden, daß das nunmehr gegenständliche Projekt durch die beiden im Akt erliegenden Pläne der Firma Moser und Zemrosser (bezeichnet mit Änderungsplan 2) konkretisiert wird. Danach befindet sich auf der Parzelle .392/3 ein ebenerdiges Werkstättengebäude, welches unmittelbar an der Grenze zum Grundstück 779/11 errichtet ist; das Vorhaben betrifft ein nördlich angebautes, bisher ebenerdiges Gebäude, bestehend aus einem Heizraum, einem Montageraum und einem Spritz- und Trockenraum. Die letztgenannten beiden Räume setzen die Gebäudeflucht des Werkstättengebäudes an der Grundstücksgrenze fort, während der 7,5 m lange und 3,35 m breite Heizraum vorgelagert ist und somit die nordöstliche Gebäudeflucht an der Grundstücksgrenze zum Grundstück 779/11 (als kurzer Schenkel der L-förmigen Umschließung) angebaut ist. Nun soll einerseits eine Erweiterung in nordöstlicher Richtung um abermals 3,25 m, bezogen aber auf die Gesamtlänge des Gebäudes von 14,20 m erfolgen, in Höhe des Heizraumes ein Vorraum zusätzlich errichtet und das Gesamtgebäude in seiner vollen Ausdehnung (14,20 x 11,53 m) aufgestockt werden.

Zu diesem Bauansuchen kam es, weil der Beschwerdeführer nach einer schon vorher bewilligten Aufstockung (Bescheid des Bürgermeisters vom 22. Februar 1991), bezogen aber auf die ursprüngliche Grundfläche von 8,28 m x 14,20 m, anläßlich der Bauausführung eine nicht konsentierte Erweiterung in nördlicher Richtung um 3,25 m durchführte, was letztlich mittels Bescheid vom 21. September 1992 eine Baueinstellung zur Folge hatte.

Der Bauanwalt erklärte am 9. Dezember 1992, daß ein Versagungsgrund gemäß § 11 Abs. 2 Kärntner Bauordnung 1992 (LGBl. Nr. 64; im folgenden: BO) nicht vorliege.

Anläßlich der Bauverhandlung stellte der Bausachverständige fest, daß das gegenständliche Grundstück (die gegenständlichen Grundstücke?) im rechtskräftigen Flächenwidmungsplan als "Geschäftsgebiet" und "Bauland-Wohngebiet" ausgewiesen sei. Es gelte der Bebauungsplan Altstadt/Kerngebiet, der eine geschlossene Bebauung mit einer baulichen Ausnutzung von 1,5 und 3 Geschossen ermögliche. Allerdings sei die geschlossene Bauweise zur Grundgrenze der Mitbeteiligten durch eine "Kann-Baulinie" im Abstand von 1,5 m beschränkt. Da das Projekt diesen Abstand nicht einhalte, sei ein Widerspruch zum Bebauungsplan gegeben.

Der mitbeteiligte Nachbar brachte bei dieser Bauverhandlung u. a. vor, daß durch die beabsichtigte Bauführung auf eine Länge von ca. 8 m (richtig wohl laut Plan: 6,6 m) direkt an seiner Grenze gebaut und damit ein Mindestabstand von 3 m zur Grundgrenze nicht eingehalten werde. Auf Grund der geplanten Firsthöhe von 11,2 m würde die Ausführung an der Grundgrenze eine wesentliche Beschattung der Liegenschaft des Nachbarn bewirken.

Der Bürgermeister der mitbeteiligten Stadtgemeinde versagte mit Bescheid vom 25. Februar 1993 die beantragte Baubewilligung wegen Widerspruches zum Bebauungsplan. Dessen § 6 Abs. 1 sehe die geschlossene Bauweise nur an jenen Grundstücksgrenzen vor, an denen bereits ein Gebäude unmittelbar angebaut worden sei, ansonsten aber innerhalb der Baulinie die offene Bauweise. An der Grenze des Grundstückes 779/4 zum Grundstück 779/11 sei noch nicht (konsensgemäß) angebaut worden. Der tatsächlich angebaute Heizraum sei nicht entsprechend der für dieses Gebäude erwirkten Baubewilligung vom 3. Juni 1964 ausgeführt worden, weil sich dieser Gebäudeteil nach dem Bauplan in einem Abstand von 1,5 m zur Grenze hätte befinden müssen. Da somit kein konsentierter Altbestand an der Grundstücksgrenze vorläge, gelte die offene Bauweise und könne nicht an der Grenze angebaut werden.

Mit Bescheid vom 16. September 1993 wies der Stadtrat der mitbeteiligten Stadtgemeinde die Berufung des Beschwerdeführers ab und schloß sich in der Begründung der Rechtsauffassung der Baubehörde erster Instanz an.

Die belangte Behörde gab mit dem angefochtenen Bescheid der dagegen erhobenen Vorstellung keine Folge. Auch die Vorstellungsbehörde vertrat die Auffassung, daß durch den nicht konsentierten Heizraum eine geschlossene Bebauungsweise an der gegenständlichen Grenze nicht bestehe.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit welcher Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete, ebenso wie der mitbeteiligte Nachbar, eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 4 lit. a) bis c) BO lautet:

"Einer Baubewilligung bedarf:

a) die Errichtung von Gebäuden und sonstigen baulichen Anlagen;

b) die Änderung von Gebäuden und sonstigen baulichen Anlagen;

c) die Änderung der Verwendung von Gebäuden oder Gebäudeteilen; ..."

Eine derartige Baubewilligung darf gemäß § 15 Abs. 2 BO nur erteilt werden, wenn ihr kein Grund nach § 11 Abs. 2 BO - im besonderen Falle gemäß § 11 Abs. 2 lit. c BO der Bebauungsplan - entgegensteht. Ein für den Bauwerber positiver Ausgang des Vorprüfungsverfahrens entbindet die Baubehörde nicht von der Verpflichtung, im weiteren Baubewilligungsverfahren auch die Übereinstimmung des Vorhabens mit dem Bebauungsplan neu zu prüfen (siehe zuletzt das hg. Erkenntnis vom 21. Februar 1995, Zl. 92/05/0245).

§ 14 Gemeindeplanungsgesetz 1982 (LGBl. Nr. 51 in der zuletzt durch LGBl. Nr. 59/1992 geänderten Fassung; im folgenden: GemPlG) lautet auszugsweise:

"(1) Durch den Bebauungsplan sind festzulegen:

  1. a) die Mindestgröße der Baugrundstücke,
  2. b) die bauliche Ausnutzung der Baugrundstücke,
  3. c) die Bebauungsweise,
  4. d) die Geschoßanzahl oder die Traufenhöhe,
  5. e) das Ausmaß der Verkehrsflächen (§ 4),
  6. f) die Baulinien, das sind die Grenzlinien auf einem Baugrundstück, innerhalb derer Gebäude errichtet werden dürfen.

    ...

(4) Wenn es zur Schaffung eines einheitlichen Straßenbildes oder Platzraumes erforderlich ist, ist festzulegen, daß mit den Gebäuden an eine bestimmte Baulinie herangerückt werden muß.

(5) Werden Baulinien (Abs. 1 lit. f) nicht zugleich mit Angaben nach Abs. 1 lit. b und d festgelegt oder mit Festlegungen nach Abs. 4 verbunden, so ersetzen sie nicht die Festlegung des Abstandes oberirdischer Gebäude zur Grundstücksgrenze in einem Bauverfahren nach der Kärntner Bauordnung.

..."

Der vom Gemeinderat der mitbeteiligten Stadtgemeinde am 22. Juni 1992 beschlossene Bebauungsplan "Altstadt-Kerngebiet" (im folgenden: VO) wurde mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft St. Veit an der Glan vom 26. März 1993 genehmigt. Im Akt erliegt eine Ablichtung der Kärntner Landeszeitung vom 29. April 1993, Seite 7, welche die Kundmachung dieser Genehmigung ausweist, sodaß der Bebauungsplan am 30. April 1993 (gemäß § 15 Abs. 5 GemPlG) wirksam wurde und daher von der Berufungsbehörde gem. § 66 Abs.4 AVG anzuwenden war.

Gemäß § 1 VO besteht der Bebauungsplan neben dem Verordnungstext aus der zeichnerischen Darstellung vom 22. Juni 1992, Pl. Nr. 4823. Der § 3 VO enthält Begriffsbestimmungen, wonach im Sinne dieser Verordnung zu verstehen sei:

"f) Die geschlossene Bebauungsweise, wenn Gebäude unmittelbar aneinander (an einer oder mehreren Grundstücksgrenzen) zu errichten sind.

g) Die offene Bebauungsweise, wenn Gebäude unter Einhaltung eines Abstandes zur Grundgrenze zu errichten sind.

h) Baulinien sind Grenzlinien auf einem Baugrundstück, innerhalb derer Gebäude errichtet werden dürfen. ...."

Die Regelung über die Bebauungsweise im § 6 VO lautet wie folgt:

"(1) Die Bebauungsweise wird durch die Baulinien in der zeichnerischen Darstellung geregelt. Innerhalb der von Baulinien begrenzten Flächen ist an Grundstücksgrenzen die offene Bebauungsweise auszuführen. Geschlossene Bebauungsweise ist an jenen Grundstücksgrenzen auszuführen, an denen bereits eine geschlossene Bebauungsweise besteht oder an gemeinsamen Grundstücksgrenzen, soferne übereinstimmende Bauanträge (bzw. Vorprüfungsanträge gemäß 4. Abschnitt Kärntner Bauordnung) für eine geschlossene Bebauungsweise vorliegen und die Interessen des Schutzes des Ortsbildes nicht entgegenstehen. Geschlossene Bebauungsweise besteht an jenen Grundstücksgrenzen, an denen bereits ein Gebäude unmittelbar angebaut wurde.

(2) Bei offener Bebauungsweise sind die Gebäude nach §§ 4-10 der Kärntner Bauvorschriften anzuordnen.

(3) In Fällen, in denen bestehende Gebäude oder Teile von bestehenden Gebäuden außer der von Baulinien begrenzten Flächen liegen, sind Umbauten und Verbesserungen an diesen Gebäuden oder Gebäudeteilen zulässig, soferne die Geschoßanzahl und Geschoßflächenanzahl nicht erhöht wird und die bebauten Flächen in diesem Bereich nicht überschritten werden."

Im Plan Nr. 4823 sind Baulinien eingetragen, die im gegenständlichen Bereich zwischen K-Straße, N-Straße, M-Straße und L-Straße - abgesehen von einem Kleinbereich an der M-Straße - dieses Gebiet von der jeweiligen Verkehrsfläche abgrenzen; quer hindurch verläuft eine Baulinie entlang von Grundstücksgrenzen, die ein Gebiet mit der Geschoßflächenzahl 1,5 von einem Gebiet mit der Geschoßflächenzahl 1,2 abgrenzt. Insofern kann diese Baulinie keine Begrenzung der Bebaubarkeit eines Baugrundstückes (im Sinne des § 14 Abs. 1 lit. f GemPlG wie im Sinne des § 3 lit. h erster Satz VO) bilden, sondern kommt § 6 Abs. 1 ab zweiter Satz ("Innerhalb der von Baulinien begrenzten Flächen...) zur Anwendung. Gerade an der gegenständlichen

Grundstücksgrenze 779/4 zu 779/11 ist die Baulinie auf dem Grundstück des Beschwerdeführers um 3 m zurückgesetzt, sodaß sie ihre vom Gesetz und durch die Verordnung vorgegebene Bestimmung, die Bebaubarkeit auf einem Baugrundstück zu begrenzen, erfüllen kann und ein Anwendungsfall des § 6 Abs. 1 zweiter Satz VO gar nicht vorliegt. Vielmehr wird im Sinne des § 6 Abs. 1 erster Satz schon durch diese Baulinie auch die Bauweise geregelt. Der Bebauungsplan enthält Angaben gemäß § 14 Abs. 1 lit. b) und d) GemPlG über die bauliche Ausnutzung der Baugrundstücke und über die Geschoßanzahl oder Traufenhöhe, während die Festlegung einer "Mußbaulinie" gemäß § 14 Abs. 4 GemPlG nicht erkennbar ist, sodaß die Einschränkung des § 14 Abs. 5 GemPlG nicht Platz greifen kann.

Der Beschwerdeführer will mit seinem Vorhaben, welches sich nicht nur durch den zweigeschossigen Zubau an der Nordseite, sondern auch durch die geänderte Raumaufteilung, insbesondere die neue Situierung der Stiegen, wesentlich von dem mit Bescheid vom 22. Februar 1991 bewilligten Vorhaben unterscheidet, diese Baulinie überschreiten. Schon deshalb konnte seinem Bauansuchen (§ 11 Abs. 2 lit. c BO) kein Erfolg beschieden sein.

Den Verwaltungsbehörden ist darin zuzustimmen, daß das mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft St. Veit vom 4. Juni 1964 genehmigte Bauvorhaben nicht der Bewilligung entsprechend ausgeführt wurde, weil der genehmigte Lageplan einen Abstand von 1,5 m zur Grundstücksgrenze ausweist. Da der Abstand bei der Ausführung nicht eingehalten wurde, lag ein Widerspruch zur Bewilligung vor, sodaß es auf die Frage nicht ankommt, welche Bebauungsbestimmungen damals gegolten haben. Allerdings wurde im Bescheid vom 22. Februar 1991 - rechtskräftig - die Aufstockung auf diesem konsenswidrig errichteten Gebäudeteil bewilligt. Der Erlöschenstatbestand des § 19 Abs. 1 BO liegt nicht vor, weil diese Bestimmung allein auf den - hier tatsächlich erfolgten - Beginn der Ausführung abstellt.

Angesichts der alleinigen Bedachtnahme auf die Überschreitung der Baulinie ist eine Auseinandersetzung mit der Frage entbehrlich, ob durch die Baubewilligung für den ersten Stock die konsenslose Errichtung des Erdgeschosses sanktioniert wurde bzw. ob allein der Konsens für den ersten Stock den Tatbestand des unmittelbaren Anbaues an eine Grundstücksgrenze (§ 6 Abs. 1 letzter Satz VO) erfüllt.

Hinsichtlich der hier angewendeten Bestimmungen des Bebauungsplanes kann der Verwaltungsgerichtshof die vom Beschwerdeführer aufgezeigten verfassungsrechtlichen Bedenken nicht teilen. Es liegt auch kein Kundmachungsmangel vor. Im übrigen könnte eine Verfassungs- oder Gesetzwidrigkeit des Bebauungsplanes dem Beschwerdeführer nicht zum Erfolg verhelfen, weil dann die Abstandsbestimmungen der §§ 4 bis 10 der Kärntner Bauvorschriften (LGBl. Nr. 56/1985) zur Anwendung gelangten und der Beschwerdeführer schon wegen der Regelung des § 5 Abs. 2 leg. cit. einen Mindestabstand von 3 m einhalten müßte.

Da somit das Bauansuchen des Beschwerdeführers im Ergebnis zu Recht abgewiesen wurde, erweist sich die Beschwerde als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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