Normen
AVG §58 Abs2;
VStG §19 Abs2;
VStG §19;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
AVG §58 Abs2;
VStG §19 Abs2;
VStG §19;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
Spruch:
I. den Beschluß gefaßt:
Die Behandlung der Beschwerde wird, soweit der angefochtene Bescheid über die Schuld abspricht, abgelehnt.
II. zu Recht erkannt:
Der angefochtene Bescheid wird hinsichtlich des Ausspruches über die verhängte Strafe und die Kosten des Strafverfahrens wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Tirol hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von 11.570 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer im Instanzenzug schuldig erkannt, er habe am 19. August 1993 um 20,19 Uhr bei km 35,5 der B 314 (Lähn) als Lenker eines dem Kennzeichen nach bestimmten Pkws in Fahrtrichtung Lermoos fahrend die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h um 59 km/h überschritten. Er habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 52 Z. 10a StVO 1960 begangen, weshalb über ihn gemäß § 99 Abs. 3 lit. a leg. cit. eine Geldstrafe von 6.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt wurde.
Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsstrafakten vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Zu I:
Gemäß § 33a VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof die Behandlung einer Beschwerde gegen einen Bescheid eines unabhängigen Verwaltungssenates in einer Verwaltungsstrafsache durch Beschluß ablehnen, wenn weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde und die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil der unabhängige Verwaltungssenat von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Voraussetzung für eine Ablehnung der vorliegenden Beschwerde nach dieser Gesetzesstelle sind, insoweit der angefochtene Bescheid über die Schuld des Beschwerdeführers abspricht, gegeben. Die Behandlung der Beschwerde konnte daher in diesem Umfang abgelehnt werden.
Zu II:
Zur Strafbemessung wird im angefochtenen Bescheid angeführt, der Beschwerdeführer habe die erlaubte Höchstgeschwindigkeit fast um das Doppelte überschritten, weshalb der Unrechtsgehalt besonders hoch sei. Schon aus diesem Grunde könne es nicht zu einer Reduzierung der von der Erstbehörde verhängten Strafe kommen. Hinsichtlich der Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse habe der Beschwerdeführer angegeben, daß er derzeit kein Einkommen beziehe. Er habe - neben seinem Studium - einen Halbtagsjob ausgeübt, habe diesen aber aufgegeben, weil er an seiner Diplomarbeit schreibe. Er finanziere sein Studium durch Ersparnisse aus dem Halbtagsjob und die Unterstützung seiner Eltern. Er habe weder Haus-, noch Grundbesitz noch Spareinlagen, sein Erspartes liege auf einem Girokonto. Das Girokonto sei derzeit auf Null, er dürfe aber bis zum Betrag von 6.000 DM überziehen. Er habe ein Auto, Baujahr 1984. Seiner Freundin schulde er 4.000 DM, er zahle monatlich 100 DM zur Tilgung dieser Schuld zurück. Es träfen ihn keine Sorgepflichten. Die belangte Behörde vertrete die Ansicht, daß diese Angaben des Beschwerdeführers nicht den Tatsachen entsprechen könnten. Der Beschwerdeführer gebe an, ein Auto zu besitzen; das Benutzen und Halten eines Kfz sei aber nach Auffassung der belangten Behörde mit Aufwendungen verbunden. Zum Girokonto gebe der Beschwerdeführer einerseits an, daß dieses "derzeit auf Null" stehe, andererseits führe er an, daß "sein Erspartes" auf dem Girokonto liege. Die belangte Behörde gehe daher davon aus, daß der Beschwerdeführer noch andere Einkunftsquellen habe. "Er könnte sonst nicht, wie er in seiner Verantwortung angegeben hat, nach Italien zu einer Segelregatta fahren." Die Angaben des Beschwerdeführers zu seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen seien darauf ausgerichtet, die wahren Umstände zu verschleiern. Es sei daher davon auszugehen, daß die verhängte Geldstrafe den Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnissen des Beschwerdeführers entspreche.
Der Beschwerdeführer bringt vor, er sei am 19. August 1993 auf Einladung seines Bruders mit diesem auf dem Weg nach Italien gewesen, um einer Segelregatta als Zuschauer beizuwohnen. Aus seinem im Verwaltungsverfahren erstatteten Vorbringen, zu einer Segelregatta in Italien zu fahren, habe die belangte Behörde, ohne ihn näher zu befragen, zu Unrecht geschlossen, daß die verhängte Strafe den Einkommens- und Vermögensverhältnissen entspreche. Zudem enthalte der angefochtene Bescheid keine Einschätzung der Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschwerdeführers.
Gemäß § 19 Abs. 2 letzter Satz VStG sind bei Bemessung von Geldstrafen die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten zu berücksichtigen. Entgegen der von der belangten Behörde in der Gegenschrift vertretenen Ansicht wäre sohin eine Strafbemessung, die nur die in § 19 Abs. 1 VStG festgelegten Umstände (Ausmaß der Schädigung, Gefährdung oder sonstige nachteilige Folgen) berücksichtigt, als rechtswidrig zu erkennen.
Die Beweiswürdigung der Behörde unterliegt der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle in der Richtung, ob der Sachverhalt genügend erhoben ist und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind (vgl. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/03/0053). Im vorliegenden Fall hielt die belangte Behörde das Vorbringen des Beschwerdeführers zu seiner Einkommenslage deshalb für unglaubwürdig, weil er ein Kfz besitze, Benützung und Halten eines Kfz aber zwangsläufig mit Aufwendungen verbunden wären, und weil er zu einer Segelregatta nach Italien unterwegs gewesen sei. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes widerspricht es der allgemeinen Lebenserfahrung nicht, daß ein Student, der (abgesehen von Ersparnissen) von der Unterstützung seiner Eltern lebt, ein Auto besitzt und nach Italien fährt. Den konkreten Zusammenhang zwischen der Fahrt nach Italien und der Segelregatta hat die belangte Behörde nicht festgestellt. Die Beweiswürdigung der belangten Behörde, der Beschwerdeführer müsse noch andere Einkunftsquellen haben, hält somit der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle nicht stand.
Zu Recht rügt der Beschwerdeführer auch, daß der angefochtene Bescheid keine Ausführungen über die von der belangten Behörde angenommene Finanzsituation des Beschwerdeführers aufweist. Hält die Behörde die Angaben eines Beschuldigten zu seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen für unwahr, so hat sie zum Ausdruck zu bringen, in welcher ungefähren Höhe sie Einkommen und Vermögen einschätzt und der Strafbemessung zugrundelegt (vgl. sinngemäß Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens4, Anm. 5 zu § 19 VStG).
Der angefochtene Bescheid ist somit hinsichtlich seines Ausspruches über die verhängte Strafe und die Kosten des Strafverfahrens, deren Bestimmung davon gemäß § 64 Abs. 2 VStG abhängt, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich im Rahmen des gestellten Antrages auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
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