Normen
AVG §13 Abs1;
AVG §45 Abs2;
AVG §46;
AVG §52;
JagdG Tir 1983 §44 Abs1;
JagdRallg;
AVG §13 Abs1;
AVG §45 Abs2;
AVG §46;
AVG §52;
JagdG Tir 1983 §44 Abs1;
JagdRallg;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Tirol hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von 12.770 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid vom 27. August 1992 bestimmte die Bezirkshauptmannschaft Innsbruck gemäß § 44 Abs. 1 des Tiroler Jagdgesetzes, LGBl. Nr. 60/1983 (JG), für die Mitbeteiligten (T M und R V) als Jagdausübungsberechtigte (Jagdpächter) im Eigenjagdgebiet Hohes Tor auf ihren Antrag zur Erreichung ihres Revierteiles Törlesgrube einen bestimmt bezeichneten Weg durch das Eigenjagdgebiet Martheier als Jägernotweg.
Die Beschwerdeführer brachten als Jagdausübungsberechtigte im Eigenjagdgebiet Martheier gegen diesen Bescheid Berufung ein. Die belangte Behörde gab der Berufung mit Entscheidung vom 27. Oktober 1992 Folge, indem sie gemäß § 66 Abs. 2 AVG den Bescheid aufhob und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde erster Instanz verwies, weil Erhebungen darüber anzustellen seien, ob alternative Zugangsmöglichkeiten, nämlich die durch das Genossenschaftsjagdgebiet Gschnitz führenden Zugänge zur Törlesgrube (über Saxerreise und Torschartl oder vom Feuerstein über Postlfend zum Torschartl), gegenüber dem Weg durch das Eigenjagdgebiet Martheier einen unverhältnismäßig großen Umweg darstellten.
Die Bezirkshauptmannschaft führte in der Folge Begehungen der drei in Betracht kommenden Strecken durch, vernahm Zeugen und holte ein Gutachten eines jagdfachlichen Sachverständigen ein. Dieser führte (im Gutachten und einer Ergänzung hiezu) aus, der Zugang über Postlfend sei - auch bei guten Wetterbedingungen - kaum zumutbar. Der Aufstieg über die Saxerreise sei hingegen im Sommer und Frühherbst völlig gefahrlos zu begehen. Der dort verlaufende Jagdsteig, der bis vor wenigen Jahren benutzt worden sei, reiche bis in eine Höhe von ca. 2.000 Meter und sei auch ausgeschnitten. Er könne mit geringem Aufwand in tadellosen Zustand versetzt werden. Die Gehzeit von Gschnitz bis zum Torschartl betrage beim Weg über die Saxerreise ca. zwei Stunden und damit um ca. eine Viertelstunde mehr als beim Weg durch das Jagdgebiet Martheier. Der Weg über die Saxerreise genüge dem Erschließungszweck ausreichend und in annähernd gleicher Weise wie der beantragte Notweg, wenn auch infolge der Steilheit und minderen Steigverhältnisse die Antragsstrecke durch das Eigenjagdgebiet Martheier "komfortabler" begangen werden könne. Eine besondere Gefährlichkeit bestehe weder beim Weg über die Saxerreise noch auf der beantragten Strecke; im Spätherbst seien - je nach Witterung - beide Strecken wegen möglicher Gefährdung durch Lawinen nicht mehr benutzbar. Überdies empfehle sich das Torschartl aus jagdlicher Sicht deshalb besonders, weil es als zentraler Mittelpunkt Ausgangsmöglichkeiten in die Roßgrube und auch in die Schildgrube, weitere Revierteile des Eigenjagdgebietes Hohes Tor, biete.
Mit Bescheid vom 9. Februar 1994 bestimmte die Bezirkshauptmannschaft erneut den Jägernotweg durch das Eigenjagdgebiet Martheier.
Die Beschwerdeführer brachten Berufung gegen diesen Bescheid ein. Sie führten zur Begründung im wesentlichen aus, T M sei Alleinpächter des Genossenschaftsjagdgebietes Gschnitz, der Revierteil Törlesgrube des Eigenjagdgebietes Hohes Tor sei über das Gebiet dieser Genossenschaftsjagd gleich gut zu erreichen wie über den von der Jagdbehörde erster Instanz eingeräumten Weg. Die Voraussetzungen für die Einräumung eines Jägernotweges seien daher nicht gegeben.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Die Voraussetzungen für einen Jägernotweg seien für jeden Jagdausübungsberechtigten getrennt zu beurteilen. T M habe als Jagdausübungsberechtigter der Genossenschaftsjagd Gschnitz die Möglichkeit der Benutzung des durch diese Genossenschaftsjagd führenden Weges von der Ortschaft Gschnitz "über Saxerreise, Schildgrube, Torschartl und Törlesgrube". R V, der Mitpächter der Eigenjagd Hohes Tor, habe hingegen - wie auch das Jagdschutzpersonal - keine Möglichkeit zur Benutzung dieses Weges (gemeint mit Gegenständen, die zum Fangen oder Töten von Wild bestimmt sind oder dies erleichtern), weil T M als Jagdausübungsberechtigter im Genossenschaftsjagdgebiet eine entsprechende Bewilligung nicht erteilt habe. Da R V keinen Zugang zum Revierteil Törlesgrube habe, lägen im Hinblick auf ihn die Voraussetzungen dafür vor, dem Antrag der Mitbeteiligten entsprechend den Jägernotweg durch das Jagdgebiet Martheier zu bestimmen, zumal dem Gesetz nicht zu entnehmen sei, daß die Behörde eine "Pflicht zur Interessenabwägung und Suche nach möglichen Wegen durch andere Jagdgebiete" treffe. Für T M, der die Möglichkeit der Benutzung des Zuganges über die Saxerreise habe, stelle dieser Weg aber einen unverhältnismäßig großen Umweg dar, sodaß auch für ihn die Voraussetzungen zur Bestimmung eines Notweges gegeben seien. Für die Frage, ob ein Umweg unverhältnismäßig groß sei, sei auf die Länge der Wegstrecke, den erforderlichen Zeitaufwand, den zu bewältigenden Höhenunterschied und auch auf die Sicherheit des Weges abzustellen. Die Jagdbehörde erster Instanz habe hiezu Zeugen befragt, Begehungen durchgeführt und einen Sachverständigen beigezogen. Eine Begehung habe auf dem beantragten Notweg eine Gehzeit bis zur Reviergrenze des Eigenjagdgebietes Hohes Tor von einer Stunde und 22 Minuten (aufwärts) bzw. 49 Minuten (abwärts) ergeben. Der Weg über die Saxerreise bis zur Reviergrenze (im Bereich der Schildgrube) habe zu einer Gehzeit von einer Stunde und 20 Minuten (aufwärts) bzw. 40 Minuten (abwärts) geführt. Der beantragte Notweg folge zum Teil einem Touristensteig und sei als problemlos und ungefährlich einzustufen. Der Weg über die Saxerreise sei hingegen von Zeugen als mühselig und - weil kein Steig vorhanden sei - schwer begehbar, von zwei Zeugen (im Hinblick auf die Abrutschmöglichkeit) sogar als gefährlich bezeichnet worden. Der Sachverständige habe in seinem Gutachten zwar ausgeführt, der Zugang durch über die Saxerreise genüge dem Erschließungszweck in ausreichendem Ausmaß und in annähernd gleicher Weise wie der Weg durch die Eigenjagd Martheier, es sei aber für die belangte Behörde nicht erkennbar, wie er zu diesem Ergebnis gekommen sei. Die im Gutachten angeführten "Steilheit und minderen Steigverhältnisse" wiesen in eine andere Richtung. Die belangte Behörde nehme aufgrund der Zeugenaussagen und unter Berücksichtigung der Ergebnisse der von der Erstbehörde durchgeführten Begehungen an, daß der beantragte Notweg weniger steil, besser erschlossen und deshalb - bei Beachtung der zu transportierenden Lasten - bedeutend ungefährlicher zu begehen sei als der Weg durch die Saxerreise, sodaß letzterer als unverhältnismäßiger Umweg anzusehen sei.
Gegen diesen Bescheid wendet sich die Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde. Auch die mitbeteiligten Parteien beantragten in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 42 Abs. 1 JG ist es verboten, ein Jagdgebiet außerhalb von öffentlichen Straßen und von Wegen, die allgemein als Verbindung zwischen Ortschaften und Gehöften (bewohnten Bauernhöfen) benützt werden, ohne schriftliche Bewilligung des Jagdausübungsberechtigten mit einem Gewehr bzw. mit Gegenständen, die zum Fangen oder Töten von Wild bestimmt sind oder dies erleichtern, zu durchstreifen. Ausgenommen von diesem Verbot sind Personen, die kraft ihrer amtlichen Stellung oder behördlichen Ermächtigung zum Betreten des Jagdgebietes befugt sind.
§ 44 Abs. 1 JG lautet:
"Wenn die Jagdausübungsberechtigten oder das Jagdschutzpersonal das Jagdgebiet oder Teile desselben nicht auf einer öffentlichen Straße oder auf einem Weg im Sinne des § 42 Abs. 1 JG oder nur auf einem unverhältnismäßig großen Umweg erreichen können, hat die Bezirksverwaltungsbehörde mangels Zustimmung des anderen Jagdausübungsberechtigten zu bestimmen, welcher Weg (Jägernotweg) durch das fremde Jagdgebiet zu nehmen ist. Der Eigentümer des Grundstückes, über das der Notweg führt, kann eine angemessene Entschädigung verlangen, die im Streitfall von der Bezirksverwaltungsbehörde festgesetzt wird. Gegen die Entscheidung der Bezirksverwaltungsbehörde über die Entschädigung ist die Berufung an den unabhängigen Verwaltungssenat zulässig."
Wenn die belangte Behörde davon ausging, die Voraussetzungen für einen Jägernotweg seien für jeden Jagdausübungsberechtigten getrennt zu prüfen und könnten sodann für jeden eine unterschiedliche Entscheidung iSd § 44 Abs. 1 JG bewirken, so unterlag sie einem Rechtsirrtum. Eine derartige Unterscheidung ergibt sich aus § 44 Abs. 1 JG nicht. Die in dieser Bestimmung vorgesehene Rechtsfolge besteht darin, daß die Behörde zu bestimmen hat, "welcher Weg (Jägernotweg) durch fremdes Jagdgebiet zu nehmen ist", wenn die Jagdausübungsberechtigten oder das Jagdschutzpersonal das Jagdgebiet oder Teile desselben nicht (oder nur auf einem unverhältnismäßig großen Umweg) erreichen können. Der auf diese Weise zu bestimmende Weg ist nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes als Jägernotweg für alle Jagdausübungsberechtigten und Personen des Jagdschutzes dieses Jagdgebietes anzusehen.
Die Beschwerdeführer zeigen zu Recht auf, daß die belangte Behörde einem weiteren Rechtsirrtum unterlag, wenn sie (hinsichtlich R V) annahm, sie könne sich darauf beschränken zu prüfen, ob für den beantragten Notweg die Voraussetzungen des § 44 Abs. 1 JG gegeben sind, ohne Ermittlungen über andere Zugangsmöglichkeiten anzustellen und sodann eine Interessenabwägung durchzuführen. Wie der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 15. Oktober 1986, Zl. 86/03/0110, zur dem § 44 Abs. 1 JG vergleichbaren Bestimmung des § 64 Abs. 1 des Kärntner Jagdgesetzes ausgesprochen hat, ist die Behörde bei Bestimmung eines Jägernotweges an keinen Parteienantrag gebunden. Sie hat somit zu prüfen, ob mehrere Möglichkeiten der Festlegung eines Notweges bestehen und sodann jene Variante zu bestimmen, welche sich unter Berücksichtigung aller maßgebenden Umstände, wie etwa Länge und Beschaffenheit des Weges, jahreszeitlich bedingte Einschränkungen der Benutzbarkeit, allfällige aus der Benützung des Weges zu besorgende Störungen des Jagdbetriebes im fremden Jagdgebiet, nach Abwägung der betroffenen Interessen als die zweckmäßigste darstellt (vgl. auch hg. Erkenntnis vom 18. Mai 1988, Zl. 88/03/0022).
Ob die Interessenabwägung, die die belangte Behörde bei Feststellung der Voraussetzungen für den Jägernotweg hinsichtlich T M angestellt hat, im Falle ihrer Mängelfreiheit den angefochtenen Bescheid dem Schicksal der Aufhebung - allenfalls weil die Interessenabwägung hinsichtlich beider mitbeteiligen Parteien zuträfe - entziehen könnte, kann dahingestellt bleiben. Die Interessenabwägung wurde von der belangen Behörde nämlich nicht dem Gesetz entsprechend vorgenommen. Sie hat im angefochtenen Bescheid angeführt, auf welche Umstände bei dieser Abwägung abzustellen sei, in Verkennung der Rechtslage aber unberücksichtigt gelassen, daß es auch darauf ankommt, ob bzw. in welchem Ausmaß mit einem bestimmten Zugang - im Gegensatz zur anderen Variante - die Störung eines fremden Jagdbetriebes bewirkt wird. Dabei wäre in diesem Zusammenhang relevant gewesen, daß die Benützung des Zuganges über die Saxerreise durch T M nicht in einen fremden Jagdbetrieb eingreift, weil T M der Jagdausübungsberechtigte der Genossenschaftsjagd Gschnitz ist.
Im übrigen hat die belangte Behörde im Rahmen der Interessenabwägung zwar richtig erkannt, daß der Gefährlichkeit eines Weges besondere Bedeutung zukommt. Soweit die Begehung eines der in Betracht kommenden Wege - im Unterschied zu anderen - in relevanter Weise gefährlich ist, wäre dieser Weg als Notweg auszuschließen. Die Sachverhaltsannahme der belangten Behörde, der Weg über die Saxerreise sei "bedeutend gefährlicher zu begehen" als der beantragte Notweg, hält aber der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle nicht stand: Das im Verwaltungsverfahren eingeholte Gutachten führt aus, daß bei keinem der beiden Wege eine besondere Gefährlichkeit bestehe und somit auch der Weg über die Saxerreise in jagdlicher Hinsicht ausreichend sei. Die Jagdbehörde erster Instanz hat zur Frage der Beschaffenheit des Zuganges über die Saxerreise zehn Zeugen befragt. Nur zwei Zeugenaussagen deuten auf eine Gefährlichkeit des Weges hin. Darauf hingewiesen sei, daß etwa die Behörde erster Instanz im Bescheid vom 9. Februar 1994 zu dem Ergebnis gekommen ist, Grundtenor der Zeugenaussagen sei, daß dieser Weg bei durchschnittlichen Verhältnissen keine besondere Gefährlichkeit aufweise. Um ohne Verletzung von Verfahrensvorschriften von den Ausführungen des Sachverständigengutachtens abweichende Sachverhaltsfeststellungen zur Gefährlichkeit des Zuganges über die Saxerreise zu treffen, hätte sich die belangte Behörde im gegenständlichen Fall nicht bloß auf einzelne Zeugenaussagen stützen dürfen, sondern hätte entweder den Gutachter auffordern müssen, zu den Zeugenaussagen Stellung zu nehmen, oder ein weiteres Gutachten einholen müssen.
Für das fortgesetzte Verfahren sei zur Vermeidung von Mißverständnissen darauf verwiesen, daß bei Abwägung der Umstände, die für eine der beiden Zugangsvarianten sprechen, davon auszugehen ist, daß beide Jagdausübungsberechtigte der Eigenjagd Hohes Tor diesen Zugang benutzen, wobei für den Zugang über die Saxerreise spricht, daß die Benutzung durch T M keinen fremden Jagdbetrieb stört. Wesentliche Bedeutung wird aber der Frage zukommen, ob sich in einem mängelfreien Verfahren die Gefährlichkeit eines der beiden Zugänge erweisen läßt, weil diesfalls die Abwägung zugunsten des ungefährlichen Weges ausfallen müßte. Der größeren Beschwerlichkeit eines Weges, die sich daraus ergibt, daß in größerem Maße Höhenunterschiede zu überwinden sind, kommt hingegen bei der Abwägung nur untergeordnete Bedeutung zu, weil eine derartige Beschwerlichkeit bei im Hochgebirge gelegenen Jagdgebieten mit der Jagdausübung regelmäßig verbunden ist.
Aus dem Obenstehenden ergibt sich, daß der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben ist.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Die Umsatzsteuer ist im Pauschalbetrag für Schriftsatzaufwand bereits beinhaltet.
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