VwGH 94/02/0486

VwGH94/02/048624.2.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Bernard und Dr. Riedinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Eigelsberger, über die Beschwerde des A in B, vertreten durch Dr. L, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 17. Oktober 1994, Zl. Senat-BN-94-491, betreffend Übertretungen des Arbeitnehmerschutzgesetzes, zu Recht erkannt:

Normen

AAV §59 Abs1;
AAV §59 Abs10;
AAV §59 Abs4;
AAV §59 Abs8;
AAV §59 Abs9;
AAV §60 Abs1;
AAV §60 Abs3;
ASchG 1972 §31 Abs2 litp;
ASchG 1972 §31 Abs2;
ASchG 1972 §31 Abs5;
AVG §37;
AVG §45 Abs2;
StGB §32 Abs3;
VStG §19 Abs2;
VStG §19;
VStG §5 Abs1;
VStG §9 Abs2;
VStG §9 Abs4;
VwRallg;
AAV §59 Abs1;
AAV §59 Abs10;
AAV §59 Abs4;
AAV §59 Abs8;
AAV §59 Abs9;
AAV §60 Abs1;
AAV §60 Abs3;
ASchG 1972 §31 Abs2 litp;
ASchG 1972 §31 Abs2;
ASchG 1972 §31 Abs5;
AVG §37;
AVG §45 Abs2;
StGB §32 Abs3;
VStG §19 Abs2;
VStG §19;
VStG §5 Abs1;
VStG §9 Abs2;
VStG §9 Abs4;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird insoweit wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben, als mit ihm die Spruchpunkte 1 und 3 des Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft Baden vom 3. Jänner 1992 bestätigt und dem Beschwerdeführer ein Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens auferlegt wird; im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.660,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer in seiner Eigenschaft als handelsrechtlicher Geschäftsführer einer näher bezeichneten Gesellschaft m.b.H. mit dem Sitz in Niederösterreich schuldig erkannt, es verwaltungsstrafrechtlich zu verantworten zu haben, daß sich am 27. Februar 1991 auf einem im Land Kärnten gelegenen Einsatzort drei Verstöße gegen die Allgemeine Arbeitnehmerschutzverordnung (AAV) ereignet hätten: Bei der Reinigung von drei stillgelegten Tanks habe 1. keine schriftliche Bewilligung, die das Befahren der Behälter erlaubt hätte, vorgewiesen werden können und es sei keine Aufsichtsperson mit den nötigen Fachkenntnissen, die eine Befahrerlaubnis hätte erteilen können, anwesend gewesen; seien

2. den dort beschäftigten Arbeitnehmern keine ordnungsgemäßen Atemschutzgeräte zur Verfügung gestellt gewesen; seien 3. keine Einrichtungen wie Bergewinde und Sicherheitsgeschirr vorhanden sowie keine Person anwesend gewesen, die mit solchen Geräten eine Bergung hätte vornehmen hätte können. Dadurch habe er drei Übertretungen nach § 31 Abs. 2 lit. p des Arbeitnehmerschutzgesetzes (ASchG), jeweils in Verbindung mit näher zitierten Bestimmungen der AAV, begangen. Über ihn wurden Geldstrafen in der Höhe von je S 30.000,-- zu den zitierten Punkten 1. und 2. (Ersatzfreiheitsstrafen von je 21 Tagen) und von S 40.000,-- zu Punkt 3. (28 Tage Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt.

In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Vorauszuschicken ist, daß - wie sich aus dem in dieser Verwaltungsstrafsache gegenüber dem Beschwerdeführer ergangenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. Juni 1994, Zl. 94/02/0021, ergibt - die belangte Behörde zur Erlassung des (über eine Berufung gegen ein Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Baden vom 3. Jänner 1992 ergangenen) angefochtenen Bescheides zuständig war. Vorauszuschicken ist ferner, daß der angefochtene Bescheid mit seiner mündlichen Verkündung am 17. Oktober 1994 noch innerhalb der Frist des § 31 Abs. 3 VStG erlassen wurde.

1. Der Beschwerdeführer macht zunächst geltend, daß nicht er für die gegenständlichen Verstöße verantwortlich sei, weil ein verantwortlicher Beauftragter im Sinne des § 9 Abs. 2 und 4 VStG bestellt gewesen sei. Bei der rechtlichen Beurteilung dieser Beschwerdebehauptung ist von der Rechtslage vor dem Inkrafttreten des § 23 des Arbeitsinspektionsgesetzes 1993 auszugehen.

Der Beschwerdeführer beruft sich in diesem Zusammenhang auf einen zum Sicherheitsbeauftragten der Gesellschaft m.b.H. bestellten Prokuristen. Im erstinstanzlichen Verwaltungsstrafverfahren wurde eine von diesem mitunterfertigte und mit 23. August 1990 datierte "Organisationsmitteilung" vorgelegt, nach der er u.a. für alle "Bau- und Arbeitsstellen ... für die Arbeitssicherheit" zuständig sei.

Der Hinweis auf diese Organisationsmitteilung geht im gegebenen Zusammenhang schon deswegen ins Leere, weil darin von einer Übertragung bzw. Übernahme der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit nicht die Rede ist. Es handelt sich dabei lediglich um einen unternehmensinternen Vorgang, der gegenüber der Verwaltungsstrafbehörde keinerlei Rechtswirkung haben konnte. Dazu kommt, daß die betreffende Person als Zeuge vernommen angegeben hat, daß diese Organisationsmitteilung nichts neues gebracht habe, sondern daß sein diesbezüglicher Aufgabenbereich bzw. seine diesbezügliche Verantwortlichkeit schon seit rund 20 Jahren bestehe. Die von dem in Rede stehenden Prokuristen übernommene - nach dem Gesagten lediglich unternehmensinterne - Verantwortlichkeit wurde also zu einer Zeit begründet, zu der es einen verantwortlichen Beauftragten im Sinne des VStG, in das dieses Rechtsinstitut erst mit der Novelle 1983 Eingang gefunden hat, noch gar nicht gegeben hat (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. November 1994, Zl. 94/11/0318). Die belangte Behörde ist daher im Ergebnis im Recht, wenn sie in der Person dieses Prokuristen keinen verantwortlichen Beauftragten, der vom Beschwerdeführer die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit übernommen hätte, erblickt hat.

2. Was den Hinweis des Beschwerdeführers auf einen weiteren - als Außenstellenleiter beschäftigten - Arbeitnehmer der Gesellschaft anlangt, wurde in Ansehung dieser Person überhaupt kein schriftlicher Zustellungsnachweis zu seiner angeblichen Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten vorgelegt. Der Antrag auf zeugenschaftliche Einvernahme dieses Arbeitnehmers zum Nachweis seiner Bestellung war nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes von vornherein ungeeignet, den in Rede stehenden Nachweis zu erbringen (Erkenntnisse vom 16. Jänner 1987, Slg. Nr. 12375/A, und vom 12. Dezember 1991, Slg. Nr. 13545/A).

3. Soweit der Beschwerdeführer sein Verschulden in Abrede stellt, ist ihm zu entgegnen, daß er im gesamten Verwaltungsstrafverfahren wie auch in der Beschwerde unter Hinweis auf die Verantwortlichkeit anderer Personen jegliches Verschulden geleugnet, aber niemals die Behauptung aufgestellt hat, auch nur irgendeine Form der Kontrolle über diese Personen ausgeübt zu haben. Die Organisation eines effizienten Kontrollsystems, welches vom beschuldigten Arbeitgeber darzutun wäre, wäre aber eine Voraussetzung dafür, daß ihm an den festgestellten Verstößen gegen Arbeitnehmerschutzvorschriften kein Verschulden anzulasten wäre (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 8. Oktober 1992, Slg. Nr. 13718/A). Hätte der Beschwerdeführer einen Bevollmächtigten im Sinne des § 31 Abs. 2 ASchG bestellt, würde ihn dies gemäß § 31 Abs. 5 mangels jeglicher Kontrolle nicht von der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit befreien (vgl. das Erkenntnis vom 25. Februar 1988, Slg. Nr. 12659/A). Die bloße Erteilung von Anweisungen stellt eine Kontrolle in dem in Rede stehenden Sinn nicht dar (vgl. das Erkenntnis vom 8. Juli 1991, Slg. Nr. 13467/A).

4. Zum übrigen Beschwerdevorbringen ist vorauszuschicken, daß der Umstand, daß es im Zusammenhang mit den festgestellten Verstößen gegen die AAV zu einem schweren Arbeitsunfall gekommen ist, sowohl für die Tatbestandsmäßigkeit als auch für die Verschuldensfrage unerheblich ist (lediglich im Zusammenhang mit der Strafbemessung kann der Unfall gemäß § 19 Abs. 2 VStG in Verbindung mit § 32 Abs. 3 StGB zum Tragen kommen). Die Beschwerdeausführungen, wonach sich der Unfall auch bei Einhaltung der gegenständlichen Arbeitnehmerschutzbestimmungen ereignet hätte, gehen daher ins Leere.

4.1. Mit Spruchpunkt 1. des mit dem angefochtenen Bescheid bestätigten Straferkenntnisses vom 3. Jänner 1992 wurde dem Beschwerdeführer angelastet, es habe im Sinne der §§ 59 Abs. 1 und 4 sowie 60 Abs. 1 und 3 AAV an der Anwesenheit einer Aufsichtsperson mit den nötigen Fachkenntnissen und an einer schriftlichen Bewilligung dieser Person zum Einfahren in die Behälter gefehlt. Der Beschwerdeführer hält dem entgegen, daß in der Person des bei dem Unfall tödlich verunglückten, als Vorarbeiter beschäftigten, Arbeitnehmer eine solche Person anwesend gewesen sei.

Die belangte Behörde verwirft diesen Einwand ohne nachvollziehbare Begründung. Was das Fehlen einer schriftlichen Befahrerlaubnis anlangt, welches vom Beschwerdeführer nicht in Abrede gestellt wird, stellt dies eine vom Fehlen der Aufsichtsperson zu unterscheidende, selbständig zu ahndende Verwaltungsübertretung dar. Die Zusammenfassung beider Übertretungen zu einer einzigen, mit einer Verwaltungsstrafe geahndeten Übertretung ist rechtswidrig und hat schon im Hinblick auf den aufgezeigten Begründungsmangel zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides in diesem Umfang zu führen.

4.2. Daß diejenigen Geräte (Atemschutzgerät, Bergewinde, Sicherheitsgeschirr), deren Fehlen dem Beschwerdeführer in den Spruchpunkten 2 und 3 des Straferkenntnisses vom 3. Jänner 1992 zur Last gelegt wird (§ 59 Abs. 8 bis 10 AAV), am Arbeitsplatz tatsächlich nicht vorhanden waren, wird vom Beschwerdeführer nicht in Abrede gestellt. Daß diese Geräte in Betriebsräumlichkeiten der Gesellschaft bereitgehalten und von der betreffenden Arbeitnehmerpartie nicht mitgenommen worden seien, ist unerheblich; im übrigen ist auch in diesem Zusammenhang auf die mangelnde Kontrolle gegenüber den Arbeitnehmern hinzuweisen.

4.3. Was für Spruchpunkt 1 des Straferkenntnisses in Ansehung der rechtswidrigen Zusammenfassung mehrerer Verwaltungsübertretungen unter einem Abspruch gesagt wurde, gilt auch für Spruchpunkt 3. Daß an der Arbeitsstelle Bergewinde und Sicherheitsgeschirr gefehlt haben und daß keine Person anwesend gewesen sei, die diese Geräte bedienen hätte können, sind voneinander zu trennende Übertretungen. Für sie wären jeweils eigene Strafen zu verhängen gewesen. Dies führt schon im Hinblick darauf, daß der als Vorarbeiter beschäftigte Arbeitnehmer wiederum ohne Begründung nicht als zur Bedienung der Geräte befähigte Person qualifiziert wurde, zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides auch in Ansehung des in Rede stehenden Spruchpunktes 3.

5. Wegen der gebotenen Trennung der durch die verschiedenen Verstöße gegen die AAV gegebenen zu unterscheidenden Verwaltungsübertretungen ist die Behauptung des Beschwerdeführers, es liege in Wahrheit nur eine Übertretung vor, weil nur eine Strafnorm (§ 31 Abs. 2 lit. p ASchG) angewendet wurde, unbegründet. Den Tatbestand der einzelnen Übertretungen bildet § 31 Abs. 2 lit. p ASchG jeweils in Verbindung mit einer Bestimmung der AAV.

6. Die Strafbemessung des - noch verbleibenden - Spruchpunktes 2 begegnet keinen Bedenken. Der Strafrahmen beträgt bis S 50.000,--; die vom Beschwerdeführer vermißte Berücksichtigung seiner Unbescholtenheit und seiner Sorgepflichten - welche er im übrigen im Verwaltungsstrafverfahren nicht für sich ins Treffen geführt hat - kann im Hinblick auf das Vorliegen gravierender Erschwerungsgründe, wie insbesondere der hier zum Tragen kommenden schweren Folgen des strafbaren Verhaltens, nicht dazu führen, die von der belangten Behörde bei der Strafbemessung geübte Ermessensübung als nicht im Sinne des Gesetzes (Art. 130 Abs. 2 B-VG) zu qualifizieren.

Der angefochtene Bescheid war daher in Ansehung der Spruchpunkte 1. und 3. des mit dem Bescheid bestätigten Straferkenntnisses vom 3. Jänner 1992 wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben; von dieser Aufhebung ist auch die Auferlegung von Kostenersatz für das Berufungsverfahren vor der belangten Behörde erfaßt. Im übrigen, nämlich in Ansehung des Spruchpunktes 2, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994 im Rahmen des gestellten Begehrens.

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