VwGH 93/18/0432

VwGH93/18/04325.4.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer, Dr. Graf und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des E, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol vom 10. August 1993, Zl. III 78-1/93, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1993 §18 Abs1 Z1;
FrG 1993 §18 Abs2 Z6;
FrG 1993 §18 Abs1 Z1;
FrG 1993 §18 Abs2 Z6;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol (der belangten Behörde) vom 10. August 1993 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 18 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 2 Z. 6 sowie den §§ 19 bis 21 des Fremdengesetzes (FrG) ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen.

In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer habe am 5. März 1992 beim Österreichischen Generalkonsulat in Istanbul die Ausstellung eines Sichtvermerkes mit einer Gültigkeitsdauer vom 13. März bis 13. April 1992 beantragt und dabei erklärt, als Tourist nach Österreich reisen zu wollen. Diesen Sichtvermerksantrag habe er am 6. März 1992 zurückgezogen. Er habe in der Folge beim Deutschen Generalkonsulat in Istanbul einen Sichtvermerk beantragt und dabei unter Vorlage einer Verpflichtungserklärung und einer Arbeitsbestätigung angegeben, seinen Bruder in Stuttgart besuchen zu wollen. Das Deutsche Generalkonsulat habe ihm am 10. März 1992 einen bis 9. Juni 1992 gültigen Sichtvermerk ausgestellt. Am 20. März 1992 sei der Beschwerdeführer auf Grund dieses Sichtvermerkes sichtvermerksfrei in das österreichische Bundesgebiet eingereist, was von vornherein sein Ziel gewesen sei. Bei seiner niederschriftlichen Vernehmung durch die Erstbehörde vom 10. November 1992 habe er angegeben, es sei schon bei seiner Abreise aus der Türkei seine Absicht gewesen, in Österreich zu arbeiten. Er habe sich deshalb einen deutschen Sichtvermerk beschafft, um nach Österreich einreisen zu können. Es sei nie seine Absicht gewesen, nach Deutschland weiterzufahren. Drei Tage vor Ablauf seiner sichtvermerksfreien Aufenthaltsdauer von drei Monaten, nämlich am 17. Juni 1992, habe er eine österreichische Staatsbürgerin geheiratet und bei der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck die Erteilung eines Sichtvermerkes beantragt. Dieser sei nicht erteilt worden, weil die Behörde der Ansicht gewesen sei, es liege eine Scheinehe vor.

Die unrichtigen Angaben des Beschwerdeführers beim Österreichischen Generalkonsulat in Istanbul über den Zweck und die beabsichtigte Dauer seines Aufenthaltes im Bundesgebiet seien in der Absicht gemacht worden, sich die Einreise und die anschließende Aufenthaltsberechtigung in Form eines Sichtvermerkes zu verschaffen. Daran ändere sich auch nichts durch die Zurückziehung des Antrages am 6. März 1992. Der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 6 FrG sei damit erfüllt. Die im § 18 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme sei berechtigt. Trotz des mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriffes in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers sei diese Maßnahme zulässig, weil sie zur Erreichung eines im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zieles, nämlich zum Schutz der öffentlichen Ordung (auf dem Gebiet des Fremdenwesens) dringend geboten sei.

Die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie wögen nicht schwerer als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von seiner Erlassung. Der Beschwerdeführer halte sich erst etwas mehr als ein Jahr im Bundesgebiet auf. Seine Integration sei daher dementsprechend gering. Die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Beziehungen des Beschwerdeführers zu seiner Ehefrau träten angesichts des öffentlichen Interesses an der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen den Beschwerdeführer in den Hintergrund, noch dazu wenn man sich vor Augen halte, daß er mit seiner Ehefrau nicht zusammenlebe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

1. Der Beschwerdeführer vertritt zutreffend die Auffassung, daß der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 6 FrG nur dann erfüllt sei, wenn die dort genannten unrichtigen Angaben in der Absicht gemacht wurden, um sich die Einreise oder die Aufenthaltsberechtigung zu verschaffen. Diese Absicht hat der Beschwerdeführer nach seiner eigenen Aussage im Verwaltungsverfahren mit seinen unrichtigen Angaben verfolgt, sodaß die belangte Behörde mit Recht von der Verwirklichung des im § 18 Abs. 2 Z. 6 FrG umschriebenen Tatbestandes ausgegangen ist. Im Gegensatz zur Auffassung des Beschwerdeführers machte die Zurückziehung des Sichtvermerksantrages - die im übrigen nach dem Schreiben des Österreichischen Generalkonsulates in Istanbul vom 13. Juli 1992 deshalb erfolgt ist, weil der Beschwerdeführer die erforderlichen Unterlagen nicht beibringen wollte - den Sachverhalt, der den Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 6 FrG erfüllt, nicht ungeschehen. Darauf, ob der Fremde mit seinen unrichtigen Angaben im Sinne des § 18 Abs. 2 Z. 6 leg. cit. die dort genannte Absicht hartnäckig verfolgt oder gar erreicht, kommt es nach dem Inhalt dieser Vorschrift nicht an.

2. Die dem Deutschen Generalkonsulat in Istanbul gegenüber gemachten unrichtigen Angaben des Beschwerdeführers können zwar - wie der Beschwerdeführer richtig erkennt - nicht dem § 18 Abs. 2 Z. 6 FrG unterstellt werden, weil dort ausdrücklich von einer österreichischen Behörde die Rede ist. Dennoch sind die von der belangten Behörde festgestellten Umstände, wie es zur Einreise des Beschwerdeführers in das Bundesgebiet gekommen ist, insofern von Bedeutung, als die vom Beschwerdeführer gewählte Vorgangsweise, nämlich sich zum ausschließlichen Zweck der Einreise nach Österreich einen deutschen Sichtvermerk zu verschaffen, einen Rechtsmißbrauch darstellt, der die Annahme rechtfertigt, daß ein Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet die öffentliche Ordnung gefährden würde. Durch ein solches Verhalten, das seinem Gehalt nach dem Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 6 FrG gleichzuhalten ist, wird nämlich das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens erheblich beeinträchtigt (siehe die hg. Erkenntnisse vom 15. Dezember 1993, Zl. 93/18/0405, und vom 19. Mai 1994, Zl. 93/18/0582).

3. Auf Grund der Erfüllung des Tatbestandes des § 18 Abs. 2 Z. 6 FrG und des unter Punkt 2 genannten Rechtsmißbrauchs ist die Annahme der belangten Behörde, der Aufenthalt des Beschwerdeführers gefährde die öffentliche Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens, nicht rechtswidrig.

Gegen die - zutreffende - Auffassung der belangten Behörde, daß die Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Grunde der §§ 19 und 20 FrG zulässig sei, bringt der Beschwerdeführer nichts Konkretes vor. Von einer sogenannten "Scheinehe", das heißt von einer ausschließlich zum Zweck der Erlangung fremdenrechtlich bedeutsamer Berechtigungen geschlossenen Ehe, ist die belangte Behörde nicht ausgegangen. Wenn sie bei der Beurteilung des Gewichtes der familiären Interessen des Beschwerdeführers am weiteren Verbleib im Bundesgebiet die Tatsache mitberücksichtigt hat, daß der Beschwerdeführer mit seiner Ehefrau nicht zusammenlebt, begegnet dies keinen Bedenken.

4. Aus den dargelegten Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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