VwGH 93/10/0158

VwGH93/10/01584.9.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Novak und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fichtner, über die Beschwerde der B-GmbH in K, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz vom 19. Mai 1993, Zl. 368.210/0-III/B/12a/93, betreffend Zulassung gesundheitsbezogener Angaben gemäß § 9 Abs. 3 Lebensmittelgesetz 1975, zu Recht erkannt:

Normen

B-VG Art7 Abs1;
LMG 1975 §9 Abs3;
VwRallg;
B-VG Art7 Abs1;
LMG 1975 §9 Abs3;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Eingabe vom 8. Mai 1992 meldete die Beschwerdeführerin das Produkt "Kieselerde Forte-Kapseln" gemäß § 18 Lebensmittelgesetz 1975 (LMG 1975) als Verzehrprodukt an. Am 16. Juni 1992 teilte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin mit, daß nach Prüfung der Ware anhand der vorgelegten Unterlagen kein Grund für die Untersagung des Inverkehrbringens gemäß § 18 Abs. 2 LMG 1975 gefunden worden sei.

Mit Eingabe vom 1. Juli 1992 beantragte die Beschwerdeführerin für das genannte Produkt unter Hinweis auf einen näher bezeichneten Bescheid der belangten Behörde aus dem Jahre 1988, mit dem für das Erzeugnis "Flügge Kieselerde-Calcium-Kapseln" die gesundheitsbezogene Angabe "Silicium, enthalten in Kieselsäure und Calcium sind essentielle Bestandteile von Haaren, Zähnen, Nägeln, Knochen, Haut- und Bindegewerbe" zugelassen worden sei, eine gleichlautende gesundheitsbezogene Angabe bescheidmäßig zuzulassen. Weiters beantragte die Beschwerdeführerin mit Bezug auf einen Erlaß der belangten Behörde vom 27. Juni 1991 die bescheidmäßige Zulassung der Angaben: "Die Kieselerde ist ein reines Naturprodukt (Panzer von Kieselalgen = Diatomeen) das vor Urzeiten entstanden ist. Sie besteht im wesentlichen aus Kieselsäure und enthält Silicium. Silicium ist ein essentieller Bestandteil von Haaren, Zähnen, Nägeln, Knochen, Haut- und Bindegewebe".

Der Amtssachverständige führte in seiner Stellungnahme aus, die beantragte Angabe "die Kieselerde ist ein reines Naturprodukt (Panzer von Kieselalgen = Diatomeen), das vor Urzeiten entstanden ist. Sie besteht im wesentlichen aus Kieselsäure und enthält Silicium" sei nicht als gesundheitsbezogene Angabe im Sinne des § 9 LMG 1975 zu betrachten. Bezüglich der Angaben "Silicium, enthalten in Kieselsäure ... sind essentielle Bestandteile von Haaren, Zähnen, Nägeln, Knochen, Haut- und Bindegewebe "und "Silicium ist ein essentieller Bestandteil von Haaren, Zähnen, Nägeln, Knochen, Haut- und Bindegewebe" legte der Amtssachverständige unter Zitierung von Fachliteratur dar, ein Element sei dann essentiell, wenn eine Mangelversorgung des Organismus eine Mangelerscheinung hervorrufe und diese Mangelerscheinung durch Zufuhr physiologischer Konzentrationen des Elementes rückgängig gemacht werden könne. Unter Zugrundelegung dieser Definition und der von der Beschwerdeführerin vorgelgten Literatur treffe für Silicium die Bezeichnung "essentiell" für den menschlichen Organismus nicht zu. Was den Menschen betreffe, gebe es keinerlei nachgewiesene, mit Silicium assoziierte Mangelerscheinungen. Der Umstand, daß man Silicium im menschlichen Organismus finden könne, bedeute nicht, daß es ein essentieller Bestandteil desselben sei. Die beantragte Aussage "Silicium ist ein essentieller Bestandteil von Haaren, Zähnen, Nägeln, Knochen, Haut- und Bindegewebe" sei mit dem Schutz des Verbrauchers vor Täuschung jedenfalls nicht vereinbar. Hinsichtlich der Angabe "... und Calcium sind essentielle Bestandteile von Haaren, Zähnen, Nägeln, Knochen, Haut- und Bindegewebe" legte der Amtssachverständige dar, Calcium sei ein Mineral, das in den Elektrolytstoffwechsel des Organismus eingebunden sei. Gemeinsam mit anorganischen Phosphaten stelle Calcium den anorganischen Anteil des Knochens bzw. der Zähne dar und sei an verschiedenen Funktionen (Blutgerinnung, Zellmembranstabilisierung, Nervenerregungsüberleitung etc.) beteiligt. Demzufolge könne man Calcium auch überall im Körper finden, wobei allerdings 99 % des Körpercalciumbestandes sich in Knochen befinde. "Essentiell" im Sinne der vorhin erwähnten Definition von Pfannhauser sei Calcium nur bei den Zähnen und Knochen, nicht jedoch bei Haaren, Nägeln, Haut- und Bindegewebe. Die Behauptung, Calcium sei ein essentieller Bestandteil von Haaren, Zähnen, Nägeln, Knochen, Haut- und Bindegewebe sei daher teilweise unrichtig. Im übrigen sei diese Angabe auch aus einem anderen Grund mit dem Schutz des Verbrauchers vor Täuschung nicht vereinbar. Sie erwecke nämlich den Eindruck, daß durch den Genuß des gegenständlichen Produktes die Funktion und Beschaffenheit von Haaren, Zähnen, Nägeln, Knochen, Haut- und Bindegewebe positiv beeinflußt werden könnte. Dies sei jedoch nicht der Fall, da die alleinige Substitution von Calcium noch keineswegs eine Verbesserung etwa der Knochenstruktur bedeute, da es sich um ein komplexes, miteinander vernetztes System mit vielen Bestandteilen (z.B. Phosphor, Vitamin D, Hormone, etc.) handle. Auch sei bei der vorgesehenen Einnahmemenge (3 x täglich eine Kapsel, wobei eine Kapsel 13 mg Calcium enthalte) die Zufuhr an Calcium - gemessen am Tagesbedarf von ca. 900 mg - so gering, daß ohnedies kein maßgeblicher Einfluß erwartet werden könne.

Das Ergebnis der Beweisaufnahme hielt die belangte Behörde der Beschwerdeführerin vor und teilte ihr gleichzeitig unter Hinweis auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes mit, daß unter Bedachtnahme auf den Gesamteindurck der Mitteilung auch die Angabe "Die Kieselerde ist ein reines Naturprodukt (Panzer von Kieselalgen = Diatomeen), das vor Urzeiten entstanden ist. Sie besteht im wesentlichen aus Kieselsäure und enthält Silicium" als gesundheitsbezogen im Sinne des § 9 LMG 1975 zu betrachten sei.

Die Beschwerdeführerin brachte in ihrer Stellungnahme im wesentlichen vor, die Anträge entsprächen inhaltlich den mit Bescheid vom 12. Februar 1988 zugelassenen gesundheitsbezogenen Angaben. Sie bestritt weiters, daß die Angaben geeignet seien, beim Verbraucher den Eindruck zu erwecken, der Genuß des Produktes wirke sich positiv auf die genannten Organe aus. Eine alleinige Substitution von Calcium bedeute noch keine Verbesserung der Knochenstruktur. Unter diesem Aspekt müßten alle Arzneimittel, die nur Calcium enthielten, "gesperrt" werden.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde gemäß § 9 Abs. 3 LMG 1975 den Antrag der Beschwerdeführerin auf Zulassung der oben wiedergegebenen gesundheitsbezogenen Angaben für das Erzeugnis "Kieselerde Forte-Kapseln" ab. In der Begründung ging die belangte Behörde nach Darlegung des Verfahrensganges und der Rechtslage von jenem Sachverhalt aus, der sich aus der oben wiedergegebenen Stellungnahme des Amtssachverständigen ergibt. Sie vertrat die Auffassung, sämliche Angaben würden insgesamt den Eindruck erwecken, eine Zufuhr siliciumhaltiger Verbindungen außerhalb der gewöhnlichen Ernährung hätte eine besondere physiologische, pharmakologische oder gesunderhaltende Wirkung. Hinsichtlich der das Silicium betreffenden Angaben habe die Beschwerdeführerin den materiellen Wahrheitsgehalt der ausgelobten - essentiellen - Wirkung von Silicium auf den menschlichen Organismus nicht nachgewiesen und es unterlassen, ein dem fachlichen Gutachten auf gleicher Ebene begegnendes Vorbringen zu tätigen. Die Angaben bezüglich der Eigenschaft von Calcium als essentieller Bestandteil seien zumindest teilweise (nämlich Haare, Nägel, Haut und Bindegewebe betreffend) unrichtig und mit dem Schutz des Verbrauchers vor Täuschung nicht vereinbar. Überdies werde durch die Angabe der Eindruck erweckt, durch den Genuß des Produktes werde die Funktion und Beschaffenheit von Haaren, Zähnen, Nägeln, Knochen, Haut- und Bindegewebe positiv beeinflußt. Dies sei jedoch nicht der Fall. Infolge der einseitigen Hervorhebung und der unter Beachtung der Einnahmeempfehlung geringen Zufuhr von Calcium, derzufolge kein maßgeblicher Einfluß zu erwarten sei, sei die betreffende Angabe auch aus diesem Grund als unrichtig und mit dem Schutz der Verbraucher vor Täuschung nicht vereinbar zu qualifizieren. Die von der Beschwerdeführerin in ihrer Stellungnahme vertretene Ansicht, nach der alle lediglich Calcium enthaltenden Arzneimittel "gesperrt" werden müßten, gehe schon deswegen ins Leere, weil sie nicht dazu geeignet sei, die Anwendung lebensmittelrechtlicher Vorschriften zu rechtfertigen. Im übrigen habe die Beschwerdeführerin in ihrer Stellungnahme die Ausführungen des Amtssachverständigen ohne jegliche Begründung in Frage gestellt. Hinsichtlich der Verweise der Beschwerdeführerin auf bereits vorliegende bescheidmäßige Zulassungen führte die belangte Behörde aus, aus diesem Umstand könne ein subjektives Recht auf bescheidmäßige Zulassung gesundheitsbezogener Angaben für das im vorliegenden Verfahren allein zur Diskussion stehende Produkt "Kieselerde Forte-Kapseln" nicht abgeleitet werden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, die Rechtswidrigkeit des Inhaltes, in eventu Rechtswidrigkeit wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend macht.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 9 Abs. 3 erster Satz LMG 1975 hat der Bundesminister für Gesundheit und Konsumentenschutz auf Antrag für bestimmte Lebensmittel oder Verzehrprodukte gesundheitsbezogene Angaben mit Bescheid zuzulassen, wenn dies mit dem Schutz der Verbraucher vor Täuschung vereinbar ist.

Die Beschwerde widerspricht den Darlegungen des angefochtenen Bescheides im Zusammenhang mit dem Aussagegehalt und der Täuschungseignung der strittigen Angaben nicht; sie leitet eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides vielmehr aus dem Umstand ab, daß für ein gleichartiges Produkt gleichartige gesundheitsbezogene Angaben genehmigt worden seien. Das Beschwerdevorbringen stützt sich dabei auf einen näher bezeichneten Bescheid der belangten Behörde aus dem Jahre 1988, mit dem für das Produkt "Flügge Kieselerde und Calciumkapseln" die gesundheitsbezogene Angabe "Silicium enthalten in Kieselsäure und Calcium sind essentielle Bestandteile von Haaren, Zähnen, Nägeln, Knochen, Haut- und Bindegewebe" zugelassen worden sei. Auch aus einem Erlaß der belangten Behörde vom 27. Juli 1991 gehe hervor, daß gleichlautende gesundheitsbezogene Angaben für Verzehrprodukte zugelassen worden seien. Die belangte Behörde hätte aufzeigen müssen, warum einmal gesundheitsbezogene Angaben zugelassen worden und daher mit dem Schutz des Verbrauchers vor Täuschung vereinbar seien, im verfahrensgegenständlichen Fall diese Voraussetzung jedoch nicht zutreffe.

Diese Darlegungen zeigen keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist kein Rechtsanspruch auf Zulassung einer gesundheitsbezogenen Angabe gemäß § 9 Abs. 3 LMG 1975 daraus abzuleiten, daß eine vergleichbare oder idente Angabe für gleichartige Produkte zugelassen wurde; denn die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides ist allein am Gesetz zu messen (vgl. z.B. Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 31. Jänner 1994, Zl. 92/10/0142 und vom 21. Februar 1994, Zl. 92/10/0127). Die Frage, ob gleiche oder ähnliche gesundheitsbezogene Angaben für andere Produkte zugelassen worden waren, war für die vorliegende Entscheidung somit nicht wesentlich; es liegt daher kein relevanter Begründungsmangel darin, daß sich die belangte Behörde mit dieser Frage in der Begründung ihres Bescheides nicht auseinandergesetzt hat.

Auch die Hinweise der Beschwerde auf den Erlaß der belangten Behörde vom 27. Juni 1991 sind nicht zielführend. Mangels der für Rechtsverordnungen gebotenen Kundmachung handelt es sich dabei nicht um eine vom Verwaltungsgerichtshof anzuwendende Norm (vgl. das Erkenntnis vom 21. Febuar 1994, Zl. 92/10/0124, und die dort zitierte Vorjudikatur). Im übrigen beruft sich die Beschwerde lediglich darauf, daß der Erlaß Hinweise auf die allgemeine Rechtslage und eine Wiedergabe jener gesundheitsbezogenen Angaben enthalte, die für Verzehrprodukte zugelassen wurden. Daraus ergäbe sich aber selbst bei Bedachtnahme auf den Inhalt des Erlasses nicht, daß die belangte Behörde im Beschwerdefall das Gesetz unrichtig angewendet hätte.

Die geltend gemachte Rechtswidrigkeit liegt somit nicht vor; die Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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