VwGH 92/13/0032

VwGH92/13/003220.4.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Pokorny, Dr. Fellner, Dr. Hargassner und Mag. Heinzl als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde des G in W, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 13. Dezember 1991, Zl. GA 5-2077/7/91, betreffend Berücksichtigung eines Freibetrages auf der Lohnsteuerkarte für 1988 (erhöhte Werbungskosten), zu Recht erkannt:

Normen

EStG 1972 §16 Abs1;
EStG 1972 §4 Abs4;
EStG 1972 §16 Abs1;
EStG 1972 §4 Abs4;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer bezieht als Berufsschullehrer Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Für das Jahr 1988 machte er Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer (insgesamt S 6.261,--) als Werbungskosten geltend.

Über Anfrage des Finanzamtes teilte der Stadtschulrat für Wien mit, daß für den Beschwerdeführer ein Arbeitszimmer "nicht notwendig" sei. Dies hatte zur Folge, daß das Finanzamt den geltend gemachten Aufwendungen die steuerliche Anerkennung als Werbungskosten versagte.

Der Beschwerdeführer erhob Berufung. Das Arbeitszimmer werde (nahezu) ausschließlich beruflich genutzt. Es sei notwendig zur Vorbereitung auf den Unterricht, zur Korrektur von Übungen, Schularbeiten und Tests, zur Weiterbildung, für tontechnische und graphische Arbeiten, für Tätigkeiten im Rahmen von Arbeitsgemeinschaften, für die Führung der Korrespondenz, zur Verwahrung von Büchern, zur Verarbeitung des aktuellen Zeitgeschehens, als Leseraum, zur Vorbereitung von Schulveranstaltungen, für Arbeiten im Zusammenhang mit Schulpartnerschaften, für administrative Angelegenheiten u.a.m.

Über Vorhalt legte der Beschwerdeführer eine Bestätigung seines Schulleiters vor, wonach von ihm ca. 28 Unterrichtseinheiten pro Woche zu leisten seien. Als Unterrichtsgegenstände wurden bekanntgegeben: Wirtschaftskunde mit Schriftverkehr, Wirtschaftsrechnen mit Buchführung, politische Bildung und Englisch.

Der Leiter der Berufsschule teilte der belangten Behörde über Anfrage mit, daß das Lehrerzimmer den Lehrern von Montag bis Freitag in der Zeit zwischen 07.00 Uhr und 17.00 Uhr zur Verfügung stehe. Der Beschwerdeführer sei neben seiner Tätigkeit als Lehrer Mitglied des Schulgemeinschaftsausschusses, Kulturreferent und Mitglied der Landesarbeitsgemeinschaft für politische Bildung. Er wirke ferner aktiv an der Lehrerfortbildung mit (berufspädagogische Akademie und pädagogisches Institut des Bundes).

Über das zeitliche Ausmaß seiner diversen Tätigkeiten befragt, gab der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 15. Oktober 1991 bekannt, als Klassenvorstand ca. 2 Stunden, für Korrekturarbeiten ca. 3 bis 4 Stunden und für die Vorbereitung sowie für Maßnahmen zur Fort- und Weiterbildung mindestens 15 bis 18 Stunden wöchentlich aufzuwenden; im Sommer eher ein wenig mehr (ca. 20 bis 22 Stunden wöchentlich).

Die belangte Behörde wies die Berufung ab. Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer seien nur dann als Werbungskosten anzuerkennen, wenn sich das Arbeitszimmer als unbedingt notwendig erweise. Da dem Beschwerdeführer in der Schule das Lehrerzimmer während eines Zeitraumes von 50 Stunden in der Woche zur Verfügung stehe, sei die unbedingte Notwendigkeit eines Arbeitszimmers im privaten Wohnbereich zu verneinen.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gelten gemacht werden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die belangte Behörde setzt sich im angefochtenen Bescheid mit dem wesentlichen, allerdings nicht aktenkundigen Vorbringen des Beschwerdeführers auseinander, die Benützung des Lehrerzimmers sei "aus Gründen der zu großen Lärmbelästigung" nur in eingeschränktem Ausmaß möglich. Der Gerichtshof schließt aus den diesbezüglichen Ausführungen im angefochtenen Bescheid, daß dieses Vorbringen vom Beschwerdeführer tatsächlich, wenn auch möglicherweise nur mündlich, erstattet wurde. Dafür spricht auch ein gleichartiges Vorbringen im Beschwerdeschriftsatz. Es ist daher zu prüfen, ob im angefochtenen Bescheid schlüssig begründet wird, warum die vom Beschwerdeführer glaubhaft behaupteten Tätigkeiten, insbesondere die Vorbereitung des Unterrichtes, die Verbesserung von Schularbeiten und die Fortbildung, im Lehrerzimmer trotz der großen Lärmbelästigung zumutbar gewesen wäre. Diese Begründung der belangten Behörde beschränkt sich auf folgende Ausführungen:

"Wenn der Beschwerdeführer meint, gewisse Tätigkeiten (z.B. Korrekturarbeiten) könnten nicht im Lehrerzimmer aus Gründen der zu großen Lärmbelästigung ausgeübt werden, so kann die Berufungsbehörde, bei einer durchschnittlichen Benützung des Arbeitsraumes im privaten Wohnbereich im Ausmaß von ca. 10 Stunden wöchentlich, keine Gründe finden, die das Vorhandensein eines Arbeitszimmers unbedingt notwendig erscheinen lassen; zumal die überwiegende berufliche Tätigkeit des Beschwerdeführers an seinem vom Dienstgeber zur Verfügung gestellten Arbeitsplatz ausgeübt werden kann."

Mit diesen Ausführungen wird nicht schlüssig begründet, warum für den Beschwerdeführer keine unbedingte Notwendigkeit für ein häusliches Arbeitszimmer bestand. Zunächst ist - wie der Beschwerdeführer zu Recht rügt - auf der Basis der von der belangten Behörde zugestandenen Lärmbelästigung nicht einsichtig, wie die belangte Behörde zu der Annahme eines zeitlichen Arbeitsausmaßes von nur 10 Stunden wöchentlich gelangt. Der Beschwerdeführer hat das zeitliche Ausmaß in seinem Schreiben vom 15. Oktober 1991 mit ca. 20 Wochenstunden beziffert. Gegenteilige aktenkundige Feststellungen wurden von der belangten Behörde nicht getroffen. Die lakonische, durch nichts untermauerte Feststellung, "die überwiegende berufliche Tätigkeit" des Beschwerdeführers könne von ihm "an seinem vom Dienstgeber zur Verfügung gestellten Arbeitsplatz ausgeübt werden", gibt keine Erklärung dafür, wie eine gediegene Vorbereitung der unterrichtenden Tätigkeit, die Korrektur von Schularbeiten und die berufsnotwendige Fortbildung, bei großer Lärmbelästigung zumutbar bzw. möglich sein sollte.

Wie der Gerichtshof in seinem Erkenntnis vom 14. März 1990, 89/13/0102, ausgeführt hat, kann bei einem Lehrer die Benützung eines häuslichen Arbeitszimmers für Vorbereitung des Unterrichts und Korrektur von Schularbeiten durchaus notwendig sein. Im Erkenntnis vom 16. November 1993, 89/14/0164, hat der Gerichtshof diesen Umstand mit folgenden Worten besonders hervorgehoben:

"Daß die Vorbereitung auf eine unterrichtende Tätigkeit, die Korrektur von Schularbeiten, Verwaltungsarbeiten als Klassenvorstand ... sowie die berufsnotwendige Weiterbildung ein ungestörtes Arbeiten erforderlich macht, bedarf keiner besonderen Begründung."

Ging die belangte Behörde von einer "zu großen Lärmbelästigung" aus, so wäre nur noch zu prüfen gewesen, ob der Beschwerdeführer tatsächlich ein häusliches Arbeitszimmer ausschließlich oder nahezu ausschließlich für berufliche Zwecke verwendete, und ob das von ihm vorgebrachte zeitliche Ausmaß dieser Nutzung von ca. 20 Wochenstunden zutraf. Die (nahezu) ausschließliche berufliche Verwendung des Arbeitszimmers hat die belangte Behörde nicht in Zweifel gezogen und das zeitliche Ausmaß der Verwendung ohne schlüssige Begründung von ca. 20 auf 10 Wochenstunden reduziert. Das Argument, dem Beschwerdeführer stünde das Lehrerzimmer im ausreichenden zeitlichen Ausmaß zur Verfügung, läßt die dort gegebene, von der belangten Behörde selbst erwähnte zu große Lärmbelästigung unberücksichtigt.

Da somit die belangte Behörde nicht schlüssig begründet hat, warum die Benützung eines häuslichen Arbeitszimmers für den Beschwerdeführer nicht notwendig war, erweist sich der angefochtene Bescheid als rechtswidrig infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 416/1994.

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