VwGH 94/20/0517

VwGH94/20/051729.11.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Händschke, Dr. Blaschek und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lammer, über die Beschwerde des A, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 8. Juni 1994, Zl. 4.341.906/13-III/13/94, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1991 §2 Abs2 Z3;
AsylG 1991 §20 Abs2;
AsylG 1991 §2 Abs2 Z3;
AsylG 1991 §20 Abs2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird hinsichtlich seines Spruchpunktes 2 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, ist am 15. Oktober 1992 in das Bundesgebiet eingereist und hat am 20. Oktober 1992 beantragt, daß ihm Asyl gewährt werde. Mit Bescheid vom 9. November 1992 wies das Bundesasylamt, Außenstelle Linz, den Antrag ab. Die vom Beschwerdeführer gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wurde vom Bundesminister für Inneres zunächst zurückgewiesen. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde im Spruchpunkt 1 der Zurückweisungsbescheid gemäß § 68 Abs. 2 AVG aufgehoben und mit Spruchpunkt 2 die Berufung abgewiesen.

Gegen Spruchpunkt 2 dieses Bescheides richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend macht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der vorliegende Beschwerdefall gleicht in allen für die Entscheidung relevanten, sich auf die Frage der Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers beziehenden Einzelheiten (Aufhebung des Wortes "offenkundig" in § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 durch den Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 1. Juli 1994, G 92, 93/94) jenem, der dem hg. Erkenntnis vom 25. August 1994, Zl. 94/19/0435, zugrunde lag. Auf dieses Erkenntnis wird daher gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen, wobei eine Ausfertigung zur Information angeschlossen ist.

Die belangte Behörde hat die Abweisung der Berufung und damit die Versagung von Asyl aber auch darauf gestützt, daß der Beschwerdeführer aufgrund seines Aufenthaltes von rund einer Woche in Rumänien vor seiner Einreise ins Bundesgebiet bereits in einem anderen Staat vor Verfolgung sicher gewesen sei, weshalb gemäß § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 die Gewährung von Asyl ausgeschlossen sei. Dem hat der Beschwerdeführer in der Beschwerde insbesondere entgegengehalten, daß der Umstand allein, daß Rumänien der Genfer Flüchtlingskonvention beigetreten sei und daher die Non-Refoulement-Verpflichtung übernommen habe, nicht bedeute, daß tatsächliche Sicherheit in diesem Land gegeben gewesen sei. Der Beschwerdeführer legte dazu ein Schreiben des UNHCR, Regionalbüro Wien vor, in dem insbesondere darauf hingewiesen wird, daß in Rumänien lediglich rudimentäre innerstaatliche Asylverfahrensvorschriften auf der Stufe unterhalb von Gesetzen bestünden. Es sei in der Vergangenheit auch das Refoulementverbot verletzt worden. Aus diesen Unterlagen ergebe sich, daß der Beschwerdeführer keinerlei realistische Aussicht gehabt hätte, in Rumänien tatsächlich Schutz vor Verfolgung zu finden. Die Behauptung, der Beschwerdeführer habe in Rumänien Verfolgungssicherheit gehabt, sei eine Fiktion, die in den tatsächlichen Verhältnissen, wie sie in Rumänien bestünden, keine Deckung fänden. (In der Beschwerde werden sodann umfangreiche rechtliche Ausführungen betreffend die Auslegung des § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 angestellt.)

Mit diesen Ausführungen bringt der Beschwerdeführer in tatsächlicher Hinsicht Behauptungen vor, bei deren Zutreffen nicht mehr ohne weiteres davon die Rede sein könnte, daß - entsprechend der Begründung des angefochtenen Bescheides - der Beschwerdeführer vor seiner Einreise nach Österreich in Rumänien keiner Verfolgung ausgesetzt gewesen sei und nicht habe befürchten müssen, in sein Heimatland bzw. einen Verfolgerstaat abgeschoben zu werden.

Der Beschwerdeführer hat zwar diese Behauptungen erstmals in der Beschwerde aufgestellt, doch wurde ihm im Verwaltungsverfahren keine Gelegenheit geboten, zur Frage der Verfolgungssicherheit Stellung zu nehmen, weshalb der Beschwerdeführer mit diesem Vorbringen nicht gegen das gemäß § 41 Abs. 1 VwGG im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot verstößt (vgl. zB. die hg. Erkenntnisse vom 27. April 1994, Zl. 94/01/0004, oder vom 4. Juli 1994, Zl. 94/19/0391).

Die belangte Behörde hat somit dadurch, daß sie den angefochtenen Bescheid ohne Vorliegen von - unter dem Blickwinkel der Beschwerdeausführungen - entsprechenden Ergebnissen eines unter Wahrung des Parteiengehöres durchgeführten Ermittlungsverfahrens erlassen hat, ihren Bescheid mit Verfahrensmängeln belastet.

Im Hinblick auf die oben dargestellte, dem Spruchpunkt 2 des angefochtenen Bescheides innewohnende Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und auf den Umstand, daß die Aufhebung eines angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes der Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften vorgeht (vgl. die in Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit , 1987, S 572 angeführte Judikatur), war der angefochtene Bescheid hinsichtlich des Spruchpunktes 2 gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich im Rahmen des Antrages auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

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