VwGH 94/19/1134

VwGH94/19/11344.7.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des J in P, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 20. April 1994, Zl. 4.329.526/2-111/13/92, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1968 §1;
AsylG 1991 §1 Z1;
AVG §13a;
AVG §37;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
VwRallg;
AsylG 1968 §1;
AsylG 1991 §1 Z1;
AVG §13a;
AVG §37;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein nigerianischer Staatsangehöriger, der am 3. Dezember 1991 in das Bundesgebiet eingereist ist, hat dem durch eine Ausfertigung des angefochtenen Bescheides belegten Beschwerdevorbringen zufolge den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 19. März 1992, mit dem festgestellt worden war, bei ihm lägen die Voraussetzungen für seine Anerkennung als Flüchtling nicht vor, mit Berufung bekämpft. Mit Bescheid vom 20. April 1994 wies die belangte Behörde die Berufung gemäß S 66 Abs. 4 AVG ab.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Nach den Ausführungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid, denen der Beschwerdeführer nicht entgegengetreten ist, habe er bei seiner niederschriftlichen Einvernahme durch die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich am 18. Februar 1992 angegeben, er sei nie Mitglied einer politischen Organisation gewesen, habe aber der Minderheit der Katholiken angehört. Nach dem Tod seines Vaters sei ihm mitgeteilt worden, daß dieser Mitglied der "Ogboni-Gesellschaft" - einer Organisation, die aus reichen Leuten bestünde, "welche andere Personen erpressen würde, um auf diese Weise zu noch mehr Reichtum zu gelangen" - gewesen sei. Als ältester Sohn hätte er den Platz seines Vaters in dieser Gesellschaft einnehmen sollen, ohne aber zu wissen, welche Aufgaben seinem Vater als Mitglied zugekommen seien. Bei dieser Gesellschaft handle es sich um eine geheime Organisation, die von der Regierung nicht unterbunden werden könne. Der Beschwerdeführer habe es abgelehnt, Mitglied dieser Gesellschaft zu werden, weil deren Ziele dem christlichen Glauben widersprächen. Angehörige der "Ogboni-Gesellschaft" hätten den Beschwerdeführer aufgesucht und ihm mit dem Tod gedroht falls er nicht an die Stelle seines Vaters treten würde. Er habe mit seiner Ermordung rechnen müssen, weshalb er aus Nigeria geflohen sei. Im Fall seiner Rückkehr habe er entweder mit seiner Tötung durch Mitglieder der "Ogboni-Gesellschaft" oder mit einer wegen seiner Flucht seitens der Regierung verhängten lebenslangen Haftstrafe zu rechnen. In der gegen den erstinstanzlichen Bescheid erhobenen Berufung habe der Beschwerdeführer die im Zug seiner Erstvernehmung gemachten Angaben wiederholt.

Die belangte Behörde - die im Beschwerdefall das Asylgesetz 1991 anzuwenden hatte, weil das Verfahren offenbar bei ihr am 1. Juni 1992 bereits anhängig war (§ 25 Abs. 2 leg. cit.) - hat der Berufung des Beschwerdeführers deshalb keine Folge gegeben, weil einerseits in seinem Heimatland Religionsfreiheit herrsche, sodaß seine Angaben, im Fall seiner Rückkehr inhaftiert oder sogar getötet zu werden, überschießend und unglaubwürdig seien. Andererseits handle es sich bei den von ihm beschriebenen Drohungen der angeführten Sekte um das Vorgehen von Privatpersonen und nicht um konkrete gegen den Beschwerdeführer gerichtete, von staatlichen Stellen ausgehende oder von diesen geduldete Verfolgung aus den in § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 (übereinstimmend mit Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) angeführten Gründen, wobei der Beschwerdeführer nicht dargelegt habe, er habe einen Versuch unternommen, sich unter den Schutz des Staates zu stellen. Auch hätte sich der Beschwerdeführer, um einer Verfolgung durch die "Ogboni-Gesellschaft" zu entgehen, in einen anderen Landesteil begeben können, wo er vor Verfolgung sicher gewesen wäre. Wohl kann dem angefochtenen Bescheid nicht entnommen werden, auf welche Feststellungen die belangte Behörde ihren Schluß, der Beschwerdeführer hätte sich durch Aufenthaltnahme in einem anderen Landesteil der Verfolgung durch die "Ogboni-Gesellschaft" entziehen können, gegründet hat. Diese Mangelhaftigkeit des angefochtenen Bescheides kann aber nicht zu seiner Aufhebung führen, weil der Argumentation der belangten Behörde hinsichtlich des Nichtvorliegens staatlicher Verfolgung unter Zugrundelegung des vom Beschwerdeführer im Verfahren vor der Behörde erster Instanz vorgetragenen Sachverhaltes beizupflichten ist. Ergibt sich doch aus der Darstellung des Beschwerdeführers nicht, daß die ihm gegenüber ausgesprochenen Drohungen von staatlichen Stellen ausgegangen oder sonst dem Staat zuzurechnen wären oder daß der Beschwerdeführer erfolglos versucht hätte, staatlichen Schutz vor den ihm von der "Ogboni-Gesellschaft" angedrohten Maßnahmen in Anspruch zu nehmen. Der vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Umstand, diese Organisation könne von der Regierung nicht "unterbunden" werden, kann eine Zurechnung der angeführten Drohungen an den Staat nicht bewirken.

Beizupflichten ist der belangten Behörde auch, wenn sie die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Zugehörigkeit zur chistlichen Religionsgemeinschaft für sich allein nicht als Grund für begründete Furcht vor Verfolgung gewertet hat.

Wenn der Beschwerdeführer in der Beschwerde geltend macht, er hätte bei staatlichen Stellen keinen Schutz finden können, weil es sich bei der "Ogboni-Gesellschaft" um eine "mafiaartige Organisation religiösen Hintergrundes" handle, ist ihm entgegenzuhalten, daß er mit diesem Vorbringen, welches in seinen erstinstanzlichen Angaben nicht enthalten war, wobei er der unwidersprochen gebliebenen Darstellung seines Berufungsvorbringens zufolge in der Berufung lediglich seine erstinstanzlichen Angaben wiederholt hat, dem gemäß § 41 VwGG im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltenden Neuerungsverbot unterliegt.

Soweit der Beschwerdeführer der belangten Behörde vorwirft, sie wäre der ihr aufgegebenen Ermittlungspflicht nicht nachgekommen, ist festzuhalten, daß der für den Umfang der Ermittlungspflicht maßgebliche § 16 Abs. 1 Asylgesetz 1991 wohl bestimmt, daß die Asylbehörden in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen durch Fragestellung oder in anderer geeigneter Weise darauf hinzuwirken haben, daß die für die Entscheidung erheblichen Angaben über die zur Begründung des Asylantrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Bescheinigungsmittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Bescheinigungsmittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Asylantrages notwendig erscheinen. Erforderlichenfalls sind Bescheinigungsmittel auch von Amts wegen beizuschaffen. Diese Gesetzesstelle, die eine Konkretisierung der aus § 37 AVG in Verbindung mit § 39 Abs. 2 AVG hervorgehenden Verpflichtung der Verwaltungsbehörden, den für die Erledigung der Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt von Amts wegen vollständig zu ermitteln und festzustellen, darstellt, begründet aber keine über den Rahmen der angeführten Vorschriften hinausgehende Ermittlungspflicht. Nur im Fall hinreichend deutlicher Hinweise im Vorbringen eines Asylwerbers auf einen Sachverhalt, der für die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention in Frage kommt, hat die Behörde gemäß § 16 Abs. 1 Asylgesetz 1991 in geeigneter Weise auf eine Konkretisierung der Angaben des Asylwerbers zu dringen. Aus dieser Gesetzesstelle kann aber keine Verpflichtung der Behörde abgeleitet werden, Asylgründe, die der Asylwerber gar nicht behauptet hat, zu ermitteln (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. November 1992, Zlen. ereits oben behandelten Angaben hinausgehende, hinreichend deutliche Hinweise auf das Vorliegen weiterer Gründe im Sinne der Flüchtlingskonvention im Vorbringen des Beschwerdeführer vor der Behörde erster Instanz nicht enthalten waren, liegt die vom Beschwerdeführer gerügte Mangelhaftigkeit des Ermittlungsverfahrens nicht vor.

Ebensowenig kann in der Nichtbeiziehung eines die Muttersprache des Beschwerdeführers "Urhobo" sprechenden Dolmetschers eine Verletzung von Verfahrensvorschriften gesehen werden, weil entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers im Asylgesetz 1991 die Beiziehung eines Dolmetschers für die Muttersprache eines Asylwerbers nicht verpflichtend vorgesehen ist. Gemäß § 18 Abs. 1 Asylgesetz 1991 reicht die Beiziehung eines Dolmetschers für eine dem Asylwerber ausreichend verständliche Sprache aus. Daß der Beschwerdeführer aber im Verwaltungsverfahren behauptet hätte, der seiner Vernehmung unbestritten beigezogene Dolmetscher habe etwa seine Angaben falsch oder die ihm gestellten Fragen für den Beschwerdeführer unverständlich übersetzt, kann der unwidersprochen gebliebenen Darstellung seiner Stellungnahmen im Verwaltungsverfahren nicht entnommen werden.

Da sohin bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen ließ, daß die vom Beschwerdeführer behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen. W i e n , am 4. Juli 1994

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