VwGH 94/19/0923

VwGH94/19/092319.5.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde der N in P, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 11. Jänner 1994, Zl. 4.326.468/2-III/13/91, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1991 §1 Z1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
AsylG 1991 §1 Z1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Auf Grund der Beschwerde und der vorgelegten Ausfertigung des angefochtenen Bescheides ist von folgendem Sachverhalt auszugehen:

Die Beschwerdeführerin, eine vietnamesische Staatsangehörige, ist am 13. Oktober 1991 in das österreichische Bundesgebiet eingereist und hat am 15. Oktober 1991 einen Asylantrag gestellt. Mit den im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 11. Jänner 1994 wurde die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 12. November 1991, betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 66 Abs. 4 AVG abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf Asylgewährung (bzw. Feststellung der Flüchtlingseigenschaft) verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Nach den Ausführungen der belangten Behörde, denen die Beschwerdeführerin insoweit nicht entgegengetreten ist, habe sie bei ihrer niederschriftlichen Befragung durch die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich am 11. November 1991 im wesentlichen angegeben, ihr Vater habe vor 1975 als Beamter und Dolmetscher für die Amerikaner gearbeitet. Im Mai 1975 hätten in Vietnam die Kommunisten die Macht übernommen. Der Vater der Beschwerdeführerin sei verhaftet worden, weil er verdächtigt worden sei, als US-Agent gearbeitet zu haben. Nach seiner Freilassung hätte er keine Arbeit mehr finden können; er sei zu Hause geblieben und habe der Mutter der Beschwerdeführerin geholfen, die als Schneiderin gearbeitet habe. Wegen der Vergangenheit ihres Vaters habe die Beschwerdeführerin in der Schule Schwierigkeiten bekommen und sei oft benachteiligt worden. 1984 habe sie die Aufnahmeprüfung für die letzte Stufe des Gymnasiums geschafft; sie habe aber wegen ihres Lebenslaufes die Schule nicht mehr besuchen dürfen. Dann habe die Beschwerdeführerin die Handelsschule besucht, wofür ihre Eltern hätten bezahlen müssen. Nach Abschluß dieser Schule sei die Beschwerdeführerin zwei Jahre zu Hause geblieben und habe ihren Eltern geholfen; sie habe sich nie politisch betätigt und sei nie verhaftet worden. Dann habe die Beschwerdeführerin versucht nach Ungarn zu gehen, um dort die Möglichkeit zu finden, in ein freies Land zu flüchten. Den Ausweis der kommunistischen Jugendpartei habe sie bei der Abreise nach Ungarn bekommen; sie sei dort aber nicht Mitglied gewesen. Im Dezember 1989 sei die Beschwerdeführerin nach Ungarn gekommen und habe dort bis zu ihrer Flucht am 13. Oktober 1991 als Weberin gearbeitet.

In ihrer, gegen den erstinstanzlichen Bescheid erhobenen Berufung habe die Beschwerdeführerin ihr Vorbringen dahin ergänzt, daß sie immer wieder Schwierigkeiten in der Schule und in ihrer Ausbildung bekommen habe, weil ihr Vater vor 1975 als Dolmetscher für die Amerikaner tätig gewesen sei. Sie habe deshalb versucht, das Land als Tourist zu verlassen und nach Ungarn zu reisen. Auf Grund ihres unerlaubten Verlassens der Reisegruppe in Ungarn (anstatt nach Vietnam zurückzukehren) habe sich die Beschwerdeführerin strafbar gemacht. Im Falle ihrer Rückkehr nach Vietnam würde sie wegen Landesverrates und Republikflucht verurteilt werden; sie habe Gefängnis oder Umerziehungslager zu erwarten. Da die Beschwerdeführerin ohne Gefahr, ihre Freiheit zu verlieren, nicht in ihr Heimatland zurückkehren könne, beantrage sie, als Flüchtling im Sinne der Genfer Konvention anerkannt zu werden.

Die belangte Behörde hat die Abweisung der Berufung im wesentlichen damit begründet, daß die aus der Tätigkeit des Vaters dargelegten Schwierigkeiten in der Schule dem Asylantrag deshalb nicht zum Erfolg verhelfen könnten, weil die Lebensgrundlage der Beschwerdeführerin durch ihren Handelsschulabschluß nicht bedroht gewesen sei. Die in ihrem Heimatland bestehenden allgemeinen politischen Verhältnisse seien nicht als Verfolgung im Sinne der Genfer Konvention zu werten. Die Furcht der Beschwerdeführerin im Fall ihrer Rückkehr wegen Übertretung paß-, fremdenpolizeilicher- oder den Aufenthalt im Ausland regelnder Vorschriften in ihrem Heimatstaat bestraft zu werden, stelle keinen Anerkennungsgrund im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention dar.

Dem hält die Beschwerdeführerin im wesentlichen entgegen, sie habe taugliche Asylgründe vorgebracht. Ihre aus der Tätigkeit des Vaters resultierenden Probleme hätten ein derartiges Ausmaß erreicht, daß ihre Lebensgrundlage und ihr berufliches Fortkommen in Vietnam ernsthaft beeinträchtigt gewesen seien; sie sei aus diesem Grund nach Ungarn gegangen. Der Beschwerdeführerin seien konkrete asylrechtlich relevante Verfolgungen widerfahren. Ihre Angaben im Asylverfahren seien ohne relevante Widersprüche geblieben. Nach den einschlägigen vietnamesischen Bestimmungen sei ihre Flucht in ein nicht kommunistisches Land als "Republikflucht" mit mehrjähriger Freiheitsstrafe bedroht.

Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darzutun.

Voraussetzung der Flüchtlingseigenschaft im Sinne des - von der belangten Behörde im vorliegenden Fall anzuwendenden - § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 ist die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden. Bloß subjektiv empfundene Furcht vor Verfolgung genügt nicht; vielmehr müssen (allenfalls drohende) Maßnahmen dargetan werden, die sowohl aus objektiver Sicht, als auch unter dem Gesichtspunkt der Schwere des Eingriffes einen Aufenthalt im Heimatland unerträglich erscheinen lassen (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. Februar 1993, Zl. 92/01/0605). Unter Zugrundelegung der Angaben der Beschwerdeführerin im (gesamten) Asylverfahren kann der belangten Behörde jedenfalls im Ergebnis nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie die Auffassung vertreten hat, daß die ins Treffen geführten Benachteiligungen der Beschwerdeführerin in der Schule und in ihrer beruflichen Ausbildung aus objektiver Sicht nicht die erforderliche Intensität hatten, daß der Aufenthalt der Beschwerdeführerin in ihrem Heimatstaat für sie unerträglich gewesen wäre. Der insoweit im Rahmen der Verfahrensrüge erhobene Vorwurf, der angefochtene Bescheid leide aus diesem Grund an Begründungsmängeln, ist unberechtigt. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, daß die belangte Behörde der Beschwerdeführerin im angefochtenen Bescheid abweichende Angaben hinsichtlich der Umstände ihres Ungarnaufenthaltes vorwirft. Ob die Beschwerdeführerin in Ungarn als Touristin ihre Reisegruppe verlassen oder vor ihrer "Flucht" als Weberin in Ungarn gearbeitet hat, ist asylrechtlich unerheblich und kann daher dahingestellt bleiben. Der daraus abgeleitete Verfahrensmangel kann jedenfalls nicht zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führen, weil die belangte Behörde, selbst wenn sie dem Vorbringen der Beschwerdeführerin ungeteilte Glaubwürdigkeit beigemessen hätte, aus den dargelegten Gründen zu keinem anderen Bescheid hätte gelangen können.

Was die aus den Tatbestand der Republikflucht im Sinne des vietnamesischen Strafgesetzbuches abgeleiteten Rechtswidrigkeiten des angefochtenen Bescheides anlangt, ist der Beschwerdeführerin zu erwidern, daß nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in der Befürchtung wegen Übertretung den Aufenthalt vietnamesischer Staatsangehöriger im Ausland regelnder Vorschriften bestraft zu werden, kein Fluchtgrund im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention erblickt werden kann (vgl. z.B. die Erkenntnisse vom 9. September 1992, Zl. 92/01/1014 und vom 17. Februar 1994, Zl. 94/19/0936).

Da der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die von der Beschwerdeführerin behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Damit erübrigt sich eine Entscheidung des Berichters über den Antrag der Beschwerdeführerin, ihrer Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

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