VwGH 94/19/0621

VwGH94/19/062119.5.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Stöberl, Dr. Holeschofsky und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde

1. der E, mit mj. S, und mj. T, sowie 2. des G, beide in W, beide vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in W, gegen die Bescheide des Bundesministers für Inneres vom 23. März 1992, Zl. 4.293.169/3-III/13/91, betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1968 §1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
AsylG 1968 §1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

 

Spruch:

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von je S 505,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführer, ein Ehepaar iranischer Staatsangehörigkeit, sind am 17. Oktober 1989 in das Bundesgebiet eingereist und haben die Bescheide der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 3. Juli 1991, mit denen festgestellt worden war, bei ihnen lägen die Voraussetzungen für ihre Anerkennung als Flüchtling nicht vor, mit Berufungen bekämpft. Mit Bescheiden vom 23. März 1992 wies die belangte Behörde die Berufungen gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab und stellte fest, daß die Beschwerdeführer nicht Flüchtlinge seien.

Der Verfassungsgerichtshof lehnte mit Beschluß vom 29. September 1992, B 557, 558/92, die Behandlung der gegen diese Bescheide erhobenen Beschwerden ab und trat diese dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. In den im verwaltungsgerichtlichen Verfahren beigebrachten Beschwerdeergänzungen machen die Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend. Der Verwaltungsgerichtshof hat über die wegen ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Beschlußfassung verbundenen Beschwerden erwogen:

Da die die Beschwerdeführer betreffenden Verwaltungsverfahren am 1. Juni 1992 - dem Tag des Inkrafttretens des Asylgesetzes 1991 - nicht mehr bei einer Verwaltungsbehörde anhängig waren, ist der Beurteilung der Beschwerdefälle das Asylgesetz (1968) zugrunde zu legen. Gemäß § 1 dieses Bundesgesetzes vom 7. März 1968, BGBl. Nr. 126, über die Aufenthaltsberechtigung von Flüchtlingen im Sinne der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, in der Fassung BGBl. Nr. 796/1974, ist ein Fremder Flüchtling im Sinne dieses Bundesgesetzes, wenn nach dessen Bestimmungen festgestellt wird, daß er die Voraussetzungen des Art. 1 Abschnitt A der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, unter Bedachtnahme auf das Protokoll, BGBl. Nr. 78/1974, erfüllt und daß bei ihm kein Ausschließungsgrund nach Art. 1 Abschnitt C oder F dieser Konvention vorliegt. Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Konvention bestimmt, daß als Flüchtling im Sinne dieses Abkommens anzusehen ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Die Beschwerdeführer haben bei ihrer Ersteinvernahme vor der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien am 9. März 1990 übereinstimmend angegeben, in ihrem Heimatland keiner Minderheit angehört und sich politisch nicht betätigt zu haben. Sie seien auch weder aus politischen noch aus religiösen Gründen verfolgt oder gefoltert worden. Der Zweitbeschwerdeführer sei gegen das derzeitige Regime im Iran und monarchistisch eingestellt gewesen und habe nicht gewollt, daß seine Kinder unter diesem Regime aufwüchsen. Da der Zweitbeschwerdeführer mit dem Regime nicht einverstanden gewesen sei, habe er am 15. September 1989 den Iran verlassen. Die Erstbeschwerdeführerin habe der Flucht zugestimmt.

In den gegen die erstinstanzlichen Bescheide erhobenen Berufungen führten die Beschwerdeführer übereinstimmend aus, sie hätten nach ihrer Ankunft in Österreich Sorge gehabt, im Fall ihrer Rückkehr in den Iran gravierende Nachteile zu erleiden, und deshalb nur sehr spärliche Angaben gemacht. Nunmehr in Kenntnis, daß ihnen die geübte Zurückhaltung im Asylverfahren zum Nachteil gereichen könnte, wollten sie ihre Fluchtgründe eingehender darlegen. Beide Beschwerdeführer seien für die monarchistische Organisation "KHASCHM" (dies seien die Anfangsbuchstaben der Worte "Gott, Heimat und Schah") aktiv gewesen und hätten einander im Zuge dieser Tätigkeiten kennen gelernt. Beide hätten Flugblätter mit dem Portrait des Schah verteilt. Die Erstbeschwerdeführerin, die im Versand einer Bekleidungsfirma tätig gewesen sei, habe solche Flugblätter in Kleidern versteckt und verschickt. Da die Aktivitäten der Erstbeschwerdeführerin entdeckt worden seien, sei es zu Hausdurchsuchungen und zur Festnahme der Erstbeschwerdeführerin und ihres Vaters gekommen. Beide seien während ihres zweitägigen Gefängnisaufenthaltes befragt und mißhandelt worden. Nach der Entlassung der Erstbeschwerdeführerin sei sie mit dem Zweitbeschwerdeführer in die Provinz Sahedan geflüchtet, wo sie sich bis zur Ausreise sieben Monate versteckt gehalten hätten. Der Zweitbeschwerdeführer sei zur Verteilung von Flugblättern in Provinzen des Irans entsandt worden, wofür ihm auch ein Fahrzeug zur Verfügung gestellt worden sei; auch er sei - allerdings erst nach der Erstbeschwerdeführerin - verraten worden. Da er im Untergrund gelebt habe, habe er auch keinen Militärdienst geleistet. Wegen der Unerträglichkeit des Lebens im Untergrund, insbesondere nach der Geburt ihrer Tochter, hätten sich die Beschwerdeführer zum Verlassen ihres Heimatlandes entschlossen. Beide Beschwerdeführer machten wechselweise ihre Zeugeneinvernahme als Beweis geltend. Der Zweitbeschwerdeführer legte der belangten Behörde noch ein Schriftstück vor, in dem seine Zugehörigkeit zur "KHASCHM ORGANISATION" und seine Aktivität für diese bestätigt wurden.

Die belangte Behörde hat ihre Entscheidungen insbesondere damit begründet, daß den Ausführungen der Beschwerdeführer in den Berufungen, soweit sie über das erstinstanzliche Vorbringen hinausgehen, keine Glaubwürdigkeit zukomme. Dies insbesondere angesichts des Umstandes, daß beide Beschwerdeführer mit ihrer Unterschrift bestätigt hätten, sie seien auf die besondere Bedeutung ihres Vorbringens bei der Ersteinvernahme hingewiesen und belehrt worden, daß unter Umständen später vorgetragenen Behauptungen über Verfolgung im Hinblick auf die Möglichkeit, bereits bei der Erstbefragung alle Gründe für das Verlassen des Heimatlandes vorzubringen, nicht geglaubt werden könnte. Hiebei hat die belangte Behörde auch ausgeführt, daß erfahrungsgemäß die von Asylwerbern bei ihrer ersten Befragung gemachten Angaben am ehesten der Wahrheit entsprächen und daß daher die über das im erstinstanzlichen Verfahren erhobene Vorbringen hinausgehenden Ausführungen als nicht glaubwürdig anzusehen seien. Der Verwaltungsgerichtshof hat schon zu wiederholten Malen erkannt, daß eine derartige Würdigung eines sich im Lauf des Instanzenzuges steigernden Vorbringens von Asylwerbern nicht unschlüssig ist (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom 8. April 1987, Zl. 85/01/0299, vom 7. Dezember 1988, Zlen. 88/01/0276, 0284, und viele andere).

Soweit die Beschwerdeführer nunmehr in der Beschwerde die Auffassung vertreten, bereits ihr erstinstanzliches Vorbringen hätte zur Feststellung ihrer Flüchtlingeigenschaft führen müssen, ist ihnen entgegenzuhalten, daß sie - wie die belangte Behörde richtig erkannt hat - bei ihrer Erstbefragung ausdrücklich angegeben haben, nicht politisch aktiv und nicht verfolgt gewesen zu sein. Auch ohne Berücksichtigung dieser in den Beschwerden lediglich als nicht zu beachtende "Rechtsfolgenaussagen" gewerteten Angaben ist dem vor der Behörde erster Instanz erhobenen Tatsachenvorbringen kein Umstand zu entnehmen, der auf das Vorliegen von Verfolgung aus einem der in Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention angeführten Gründe schließen ließe. So hat die belangte Behörde zu Recht ausgeführt, daß die Mitgliedschaft zu einer politischen Gruppierung - wie man sie allenfalls der Behauptung des Zweitbeschwerdeführers, Sympathisant der Monarchie zu sein, bzw. der von ihm im Berufungsverfahren beigebrachten Bestätigung entnehmen könnte - allein noch keinen Grund für die Anerkennung als Flüchtling darstellt. Ebensowenig kann aus der Unzufriedenheit mit in einem Staat herrschenden allgemeinen Verhältnissen bzw. mit dem an der Macht befindlichen Regime ein Fluchtgrund im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention abgeleitet werden.

Zutreffend hat die belangte Behörde aufgezeigt, daß das Berufungsvorbringen der Erstbeschwerdeführerin auch deshalb nicht glaubwürdig sei, weil sie darin im Gegensatz zu ihren Angaben vor der Behörde erster Instanz - sie habe keinen Beruf erlernt und weder einen Arbeitsplatz noch ein Einkommen besessen - vorgebracht habe, bei einer Bekleidungsfirma beschäftigt gewesen zu sein.

Soweit der Beschwerdeführer auch geltend gemacht hat, er sei Wehrdienstverweigerer, hat ihm die belangte Behörde zu Recht entgegengehalten, daß grundsätzlich die Folgen des Nichtbefolgens der Wehrpflicht nach ständiger hg. Judikatur keine Verfolgungsgründe im Sinne der Flüchtlingskonvention darstellen (vgl. für viele andere das hg. Erkenntnis vom 8. März 1989, Zl. 88/01/0160).

Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer kann auch der Umstand, daß die belangte Behörde es unterlassen hat, ihre in den Berufungen als Beweis angebotene wechselseitige Zeugeneinvernahme durchzuführen, kein wesentlicher Verfahrensmangel erblickt werden, weil im Asylverfahren das eigene Vorbringen des Asylwerbers die zentrale Erkenntnisquelle darstellt und auch nicht ausgeführt wurde, zu welchem - abgesehen von dem zu Recht als unglaubwürdig erachteten gesteigerten Berufungsvorbringen - die wechselseitigen Einvernehmen hätten erfolgen sollen.

Den Beschwerdeführern kann auch nicht gefolgt werden, wenn sie der belangten Behörde vorwerfen, sie hätte es unterlassen hinsichtlich der Überlegungen, die zur Abweisung der Berufungen führten, das Parteiengehör zu wahren, weil nur Ergebnisse eines Ermittlungsverfahrens - ein solches wurde von der belangten Behörde nicht durchgeführt -, nicht aber die beabsichtigte rechtliche Würdigung eines den Beschwerdeführern bekannten Sachverhaltes dem Parteiengehör zu unterziehen sind.

Die sich sohin als unbegründet erweisenden Beschwerden waren gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Von der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

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