VwGH 94/18/0241

VwGH94/18/024121.7.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer, Dr. Graf und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des S in R, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in R, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 11. März 1994, Zl. St 6/94, betreffend Aufenthaltsverbot, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1993 §18 Abs1;
FrG 1993 §18 Abs2 Z5;
FrG 1993 §19;
FrG 1993 §20 Abs1;
FrG 1993 §18 Abs1;
FrG 1993 §18 Abs2 Z5;
FrG 1993 §19;
FrG 1993 §20 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 11. März 1994 wurde gegen den staatenlosen Beschwerdeführer gemäß § 18 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 5 sowie den §§ 19 bis 21 FrG ein Aufenthaltsverbot in der Dauer von 5 Jahren erlassen. In der Begründung ging die belangte Behörde davon aus, daß der Beschwerdeführer am 21. Juni 1985 mit seiner Mutter, seinem Bruder und zwei Schwestern eingereist sei. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 4. Juli 1985 sei er als Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes 1968 anerkannt worden. Das Bundesasylamt, Außenstelle Linz, habe mit Bescheid vom 29. Juni 1993 dem Beschwerdeführer gemäß § 5 Abs. 1 Z. 3 Asylgesetz 1991 in Verbindung mit Art. 1 Abschnitt C Z. 5 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, die Flüchtlingseigenschaft aberkannt. Mit Bescheid des Bundesministers für Inneres sei seine Berufung abgewiesen worden. Mit Rechtskraft dieses Bescheides (11. Oktober 1993) habe der Beschwerdeführer seine Aufenthaltsberechtigung für das Bundesgebiet verloren. Zu seinen persönlichen Verhältnissen habe der Beschwerdeführer ausgeführt, daß er sich seit ca. 8 Jahren in Österreich aufhalte, anfangs bei seinen Familienangehörigen Unterkunft genommen habe und seit März 1991 über eine eigene Wohnung verfüge. Während seines Aufenthaltes habe er ca. 5 Jahre gearbeitet und stünde derzeit in einem aufrechten Beschäftigungsverhältnis. Die Eltern und Geschwister des Beschwerdeführers seien bereits österreichische Staatsbürger. Der Beschwerdeführer selbst habe um die Verleihung der Staatsbürgerschaft noch nicht angesucht und dies damit begründet, daß er den Wehrdienst nicht ableisten wolle.

Gegen den Beschwerdeführer sei wegen Schlepperei gemäß § 80 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 2 FrG (vorsätzlich begangene Schlepperei um des eigenen Vorteiles willen) eine Geldstrafe rechtskräftig verhängt worden. Des weiteren weise der Beschwerdeführer 24 rechtskräftige Verwaltungsstrafen auf, wobei es sich um Übertretungen nach der StVO, des Paßgesetzes 1969, des KFG und anderer Rechtsvorschriften handle. Am 21. Mai 1992 sei der Beschwerdeführer vom Bezirksgericht Grieskirchen wegen des versuchten Diebstahles zu einer Geldstrafe rechtskräftig verurteilt worden. Zuvor habe bereits das Bezirksgericht Ried im Innkreis gegen den Beschwerdeführer mit Strafverfügung vom 12. Oktober 1989 wegen § 134 Abs. 1 StGB eine Geldstrafe rechtskräftig verhängt. Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes sei somit aus den Tatbeständen des § 18 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 5 FrG gerechtfertigt. Nach Wiedergabe des § 19 FrG führte die belangte Behörde aus, daß das Aufenthaltsverbot zu einem Entzug der Aufenthaltsberechtigung nicht führen könne, weil der Beschwerdeführer seit dem Verlust des Asyl mit 12. Oktober 1993 nicht mehr zum Aufenthalt in Österreich berechtigt sei. Dessen ungeachtet scheine zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und deren Verteidigung das Aufenthaltsverbot insofern dringend geboten zu sein, als das Gesamtverhalten des Beschwerdeführers für ihn nur eine negative Zukunftsprognose zulasse.

Die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes wögen unverhältnismäßig schwerer als die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers oder seiner Familie. Dem Beschwerdeführer sei eine Integration im familiären Bereich gelungen. Im sozialen und rechtlichen Bereich könne aufgrund der zahlreichen Verwaltungsübertretungen und der 2 gerichtlichen Verurteilungen von einer Integration nicht gesprochen werden, weil er sich in die österreichische Rechtsordnung nicht einzufügen vermocht habe. Im Gegensatz zu seinen Familienangehörigen, die die österreichische Staatsbürgerschaft erworben hätten, sei der Beschwerdeführer an einer vollständigen Integration nicht interessiert.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aus diesen Gründen aufzuheben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 18 Abs. 1 Z. 1 FrG ist gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot zu erlassen, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, daß sein Aufenthalt die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährdet. Als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 hat gemäß § 18 Abs. 2 insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder (Z. 1) von einem inländischen Gericht zu einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten, zu einer teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe, zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als 6 Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist bzw. um seines Vorteiles willen Schlepperei begangen oder an ihr mitgewirkt hat (Z. 5).

Unbestritten ist, daß der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 5 FrG aufgrund der der rechtskräftigen Bestrafung des Beschwerdeführers zugrunde liegenden Tat verwirklicht ist. In der Beschwerde werden die von der belangten Behörde festgestellten 24 rechtskräftigen Bestrafungen wegen Übertretungen verschiedener Verwaltungsvorschriften und die beiden genannten gerichtlichen Verurteilungen nicht in Abrede gestellt. Die den gerichtlichen Verurteilungen zugrunde liegenden strafbaren Handlungen beruhen auf der gleichen schädlichen Neigung, richten sie sich doch gegen das selbe Rechtsgut, nämlich gegen fremdes Vermögen (vgl. Leukauf-Steininger, Kommentar zum Strafgesetzbuch2, § 71 RZ 7). Damit ist aber auch der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG verwirklicht.

Die Auffassung der belangten Behörde, die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme sei gerechtfertigt, ist schon angesichts des großen öffentlichen Interesses an der Unterbindung der Schlepperei zutreffend. Durch die den gerichtlichen Verurteilungen zugrundeliegenden Straftaten sowie die zahlreichen verwaltungsstrafrechtlich geahndeten Verstöße des Beschwerdeführers erfährt das an sich sehr große Gewicht des öffentlichen Interesses noch eine beachtliche Verstärkung.

Der Beschwerdeführer meint, daß gerade in seinem Fall "in besonderer Weise eine Verhältnismäßigkeitsprüfung" nach den §§ 19 und 20 FrG vorzunehmen sei. Sein geringes Verschulden und die Umstände im Zusammenhang mit der von ihm verübten versuchten Schlepperei müßten bei dieser Prüfung besonders zu seinen Gunsten ausschlagen.

Entgegen der Auffassung der belangten Behörde ist die Prüfung der Zulässigkeit der Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Grunde des § 19 FrG nicht davon abhängig, ob im Zeitpunkt der Erlassung des Aufenthaltsverbotes der Fremde aufenthaltsberechtigt ist. Die erst im Ausschuß (für innere Angelegenheiten) gewählte Formulierung "... so ist ein solcher Entzug der Aufenthaltsberechtigung nur zulässig ..." wurde nur als "redaktionelle Anpassung" bezeichnet (869 der Beilagen zu den stenografischen Protokollen NR XVIII GP, Seite 3 des Berichtes). Eine inhaltliche Änderung gegenüber der Formulierung in der Regierungsvorlage (... so ist seine Erlassung nur zulässig ...) wurde damit nicht vorgenommen.

§ 19 FrG stellt auf den Schutz des Privat- und/oder Familienlebens des Fremden ab. Bei Vorliegen eines im Sinne dieser Bestimmung relevanten Eingriffes in das Privat- und/oder Familienleben ist weiters zu prüfen, ob die Erlassung (u.a.) eines Aufenthaltsverbotes dringend geboten ist. Ein solcher Eingriff in das Privatleben ist im Fall des Beschwerdeführers schon im Hinblick auf seinen langjährigen erlaubten Aufenthalt gegeben. Der belangten Behörde kann aber nicht entgegengetreten werden, wenn sie die Erlassung des Aufenthaltsverbotes für dringend geboten erachtet hat. Diese Maßnahme ist zur Wahrung von im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Zielen dringend geboten, und zwar mit Rücksicht auf das gewichtige öffentliche Interesse an einem angeordneten Fremdenwesen zum Schutz der öffentlichen Ordnung, aber auch zur Verhinderung von strafbaren Handlungen und zum Schutz der Rechte anderer.

Der Beschwerdeführer erachtet die nach § 20 Abs. 1 FrG vorgenommene Interessenabwägung für rechtswidrig. Er befände sich seit nunmehr fast 9 Jahren in Österreich. Sämtliche Familienangehörige lebten in Österreich. Seine Eltern und Geschwister seien bereits österreichische Staatsbürger geworden. Er sei in Österreich voll integriert, habe immer ordnungsgemäß gearbeitet und in ordentlichen Wohnverhältnissen gelebt. Seine gesamte wirtschaftliche Existenz hänge vom weiteren Verbleib in Österreich ab. Bei der derzeitigen wirtschaftlichen Lage in Rumänien habe er keinerlei Möglichkeit, sich dort wieder eine Existenz aufzubauen.

Die belangte Behörde berücksichtigte die Dauer des Aufenthaltes des Beschwerdeführers und seiner Angehörigen im Bundesgebiet sowie die Wohn- und Arbeitsverhältnisse, sodaß der diesbezüglichen Verfahrensrüge der Boden entzogen ist.

Der Verwaltungsgerichtshof teilt aber nicht die Auffassung der belangten Behörde, daß "nur eine scheinbare und nach außen hin angelegte" Integration vorliege. Der Beschwerdeführer - er war anerkannter Flüchtling - hält sich etwa 8 Jahre lang rechtmäßig im Inland auf und geht einer Erwerbstätigkeit nach. Den ihm zur Last liegenden Delikten kommt in bezug auf die Integration kein wesentliches Gewicht zu. Der Umstand, daß der Beschwerdeführer - anders als seine Angehörigen - bisher keinen Antrag auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gestellt hat, hat mit der Frage, ob er im Inland integriert ist oder nicht, nichts zu tun. Selbst wenn man dem Beschwerdeführer - ausgehend von dem langjährigen rechtmäßigen Aufenthalt und seiner Erwerbstätigkeit - entgegen der Ansicht der belangten Behörde eine nicht unerhebliche Integration zubilligt, vermag das seinen Interessen im Rahmen der Interessenabwägung kein entscheidendes Gewicht zu seinen Gunsten zu verleihen.

Die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers erhalten durch den Aufenthalt seiner Familienangehörigen in Österreich keine entscheidende Verstärkung. Nach den unbestritten gebliebenen Feststellungen nahm der Beschwerdeführer anfangs bei seinen Familienangehörigen Unterkunft und verfügt sei März 1991 über eine eigene Wohnung. Wenn aber die Geschwister nicht gemeinsam mit dem Fremden leben, sind sie nicht vom Schutzbereich des § 20 Abs. 1 umfaßt; das Gewicht der Beziehungen zwischen dem Beschwerdeführer und seinen Eltern wird zudem dadurch erheblich relativiert, daß der Beschwerdeführer bereits erwachsen ist und ein eigenständiges Leben führt (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 25. November 1993, Zl. 93/18/0516). Wenn die belangte Behörde die maßgeblichen öffentlichen Interessen für gewichtiger erachtete als die gegenläufigen privaten Interessen des Beschwerdeführers, kann ihr nicht mit Erfolg entgegengetreten werden. Durch die vom Beschwerdeführer zu verantwortende Schlepperei und die ihm zur Last liegenden Straftaten wurden nämlich die öffentliche Ordnung und Sicherheit erheblich beeinträchtigt.

Der Hinweis des Beschwerdeführers auf die ungenügende Möglichkeit, sich in Rumänien eine Existenz aufzubauen, geht insofern fehl, als mit dem Aufenthaltsverbot nicht auch eine Ausreise oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Rumänien angeordnet wird. Mit dem Aufenthaltsverbot wird ausschließlich das Verbot, sich weiter in Österreich aufzuhalten, ausgesprochen.

Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein gesonderter Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

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