VwGH 94/17/0225

VwGH94/17/022527.9.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Gruber und Dr. Höfinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schidlof, über die Beschwerde des P in S, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in H, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark vom 14. März 1994, Zl. UVS 30.13-33/94-4, betreffend Zurückweisung eines Rechtsmittels in Angelegenheit Übertretung des Stmk. Parkgebührengesetzes, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs2;
AVG §46;
ZustG §17 Abs1;
ZustG §17 Abs3;
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs2;
AVG §46;
ZustG §17 Abs1;
ZustG §17 Abs3;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Steiermark hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.950,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer erhob gegen zwei Strafverfügungen des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Graz jeweils vom 25. Februar 1992 (betreffend Verwaltungsübertretungen nach dem Stmk. Parkgebührengesetz) mit Schriftsatz vom 23. März 1992 Einspruch.

Der Bürgermeister der Landeshauptstadt Graz wies diesen Einspruch mit Bescheid vom 1. Oktober 1994 zurück. In der Begründung dieses Bescheides heißt es, die Strafverfügungen seien dem Beschwerdeführer laut Rückschein am 5. März 1992 durch Hinterlegung beim Postamt S zugestellt worden. Die Frist zur Einbringung des Einspruches habe demnach mit Ablauf des 19. März 1992 geendet. Da der Einspruch erst am 23. März 1992 der Post zur Beförderung übergeben worden sei, sei dieser als verspätet zurückzuweisen gewesen.

Der Beschwerdeführer erhob Berufung. Darin wird im wesentlichen ausgeführt, der Beschwerdeführer sei am 5. März 1992 auf Urlaub gewesen, wie durch Nachfrage beim Dienstgeber leicht zu ermitteln sei. Erst nach seiner Rückkehr habe der Beschwerdeführer den Rückscheinbrief beheben können.

Mit 9. Februar 1994 erging an den Beschwerdeführer folgender Vorhalt:

"Sie werden ersucht, binnen 14 Tagen nach Erhalt dieses Schreibens sämtliche Beweismittel für Ihre behauptete

Ortsabwesenheit am 5. 3. 1992 von der Adresse ... zu benennen

bzw. vorzulegen. Urlaub allein ist noch kein Beweis.

Mit freundlichen Grüßen

Für den Unabhängigen Verwaltungssenat

für die Steiermark."

Mit Schriftsatz vom 24. Februar 1994 brachte der Beschwerdeführer u.a. vor, wie aus der beiliegenden Rechnung ersichtlich sei, sei er in der fraglichen Zeit auf Urlaub in G gewesen. Sollte dieser Nachweis genügen (entsprechend der ihm nicht bekannten Rechtsansicht des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark zum Zustellgesetz), ersuche der Beschwerdeführer, seiner Berufung stattzugeben.

Dem Schriftsatz wurde eine Ferienappartements-Rechnung für den Zeitraum vom 27. Februar bis 6. März 1993 beigelegt.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. In der Begründung dieses Bescheides heißt es im wesentlichen, an der vorübergehenden Ortsabwesenheit des Beschwerdeführers (Urlaub in Bad Hofgastein) bestehe kein Zweifel, sodaß die Zustellung der Strafverfügungen gemäß § 17 Abs. 3 Zustellgesetz mit der Rückkehr des Beschwerdeführers an seinen Wohnort am Montag, dem 8. März 1993, als bewirkt gelte. Die Rechtsmittelfrist habe daher am Montag, dem 22. März 1993, geendet. Der am Dienstag, dem 23. März 1993, zur Post gegebene Einspruch sei "daher knapp, aber doch verspätet".

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 17 Abs. 1 Zustellgesetz ist, wenn die Sendung an der Abgabestelle nicht zugestellt werden kann und der Zusteller Grund zur Annahme hat, daß sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 leg. cit. regelmäßig an der Abgabestelle aufhält, das Schriftstück im Falle der Zustellung durch die Post beim zuständigen Postamt, in allen anderen Fällen beim zuständigen Gemeindeamt oder der Behörde, wenn sie sich in derselben Gemeinde befindet, zu hinterlegen.

Nach § 17 Abs. 3 Zustellgesetz ist die hinterlegte Sendung mindestens zwei Wochen zur Abholung bereitzuhalten. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem die Sendung erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Hinterlegte Sendungen gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt. Sie gelten jedoch nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, daß der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 Zustellgesetz wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem die hinterlegte Sendung behoben werden könnte.

Wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 25. März 1988, Zl. 87/11/0275), ist der Umstand, daß der Zustellempfänger wegen Abwesenheit von der Abgabestelle von einem Zustellvorgang nicht rechtzeitig Kenntnis erlangen konnte, von der Behörde von Amts wegen zu prüfen. Daran ändert auch nichts, daß mit dem Grundsatz der Amtswegigkeit des Verwaltungsverfahrens eine Verpflichtung der Partei zur Mitwirkung bei der Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes korrespondiert, was insbesondere dann der Fall ist, wenn der amtswegigen behördlichen Erhebung faktische Grenzen gesetzt sind. Wirkt die Partei im Ermittlungsverfahren nicht mit, steht es der Behörde frei, aus diesem Verhalten gemäß § 45 Abs. 2 und § 46 AVG im Rahmen der ihr zustehenden freien Beweiswürdigung eventuell auch für die Partei negative Schlüsse zu ziehen (vgl. u.a. die

hg. Erkenntnisse vom 12. Dezember 1978, Slg. N. F. Nr. 9721/A, und vom 14. Mai 1986, Zl. 86/03/0044). Die Mitwirkungspflicht der Partei geht aber jedenfalls nicht so weit, daß sich die Behörde die Durchführung eines ordnungsgemäßen Verfahrens ersparen könnte, zu dessen Durchführung sie gemäß § 39 AVG von Amts wegen verpflichtet ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 26. April 1984, Zl. 81/05/0019).

Von der belangten Behörde wurde nun offenkundig übersehen, daß sich die vorgelegte Rechnung auf einen Zeitraum vom 27. Februar bis 6. März 1993 (und nicht 1992) bezog. Derart kann aber - wie dies die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift auch zugesteht - kein Schluß auf eine Ortsabwesenheit (genauer: deren Dauer) im Jahre 1992 gezogen werden. Die belangte Behörde belastete damit den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Daran vermag auch nichts zu ändern, wenn die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift darauf hinweist, daß der Beschwerdeführer für seine behauptete vorübergehende Ortsabwesenheit "beweispflichtig" gewesen sei. Die belangte Behörde verkennt damit, daß (wie oben dargestellt) keine "Beweispflicht" der Partei besteht, sondern (lediglich) mit dem Grundsatz der Amtswegigkeit des Verwaltungsverfahrens eine Verpflichtung der Partei zur Mitwirkung bei der Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes korrespondiert.

Der angefochtene Bescheid war daher schon aus dem oben dargelegten Grund wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere auch auf deren Art. III Abs. 2.

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