VwGH 94/16/0044

VwGH94/16/004418.8.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner und Dr. Fellner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peternell, über die Beschwerde des M in W, vertreten durch Dr. Y, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 24. Jänner 1994, Zl. GA 9-1534/93, betreffend Rechtsgebühr, zu Recht erkannt:

Normen

GebG 1957 §15 Abs1;
GebG 1957 §17 Abs1;
GebG 1957 §17 Abs5;
GebG 1957 §33 TP21 Abs1 Z1;
GebG 1957 §15 Abs1;
GebG 1957 §17 Abs1;
GebG 1957 §17 Abs5;
GebG 1957 §33 TP21 Abs1 Z1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist die Frage strittig, ob eine Vertragsurkunde, die auszugsweise den nachstehenden Inhalt aufweist, den Gebührentatbestand gemäß § 33 TP 21 Abs. 1 Z. 1 GebG auslöst oder nicht:

" KAUFVERTRAG

abgeschlossen zwischen Frau Josefine P als Verkäuferin

einerseits und Herrn M als Käufer andererseits wie folgt:

I

Kaufgegenstand:

Der Verkäuferin steht als erblasserische Witwe nach dem 1980 verstorbenen Kaufmann Johann (Hans) P, eine in Geld zu zahlende PFLICHTTEILSFORDERUNG gegen die Verlassenschaft nach Johann (Hans) P, vertreten durch den bestellten Verlassenschaftskurator Dr. K, Rechtsanwalt, bzw. den erblasserischen Sohn und Alleinerben H und nach Einantwortung gegenüber dem Sohn H, Student, zu; ...

Die Pflichtteilsforderung ist beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien mit Klage auf eidliche Vermögensangabe und Rechnungslegung sowie Zahlung von " 160,0 Mio (Einhundertsechzig Millionen) vorbehaltlich der Klagsausdehnung, prozeßanhängig. ...

II.

Verkauf:

Die Verkäuferin Josefine P VERKAUFT sohin Herrn M die in Punkt I. beschriebene gesamte aus welchem Rechtsgrund immer ihr zustehende Pflichtteilsforderung gegenüber der Verlassenschaft nach Johann (Hans) P, wobei nach erfolgter rechtskräfiger Einantwortung diese Forderung gegen den erbserklären Alleinerben H, zusteht, um den Betrag von

S 175,000.000,--

(in Worten: Österr. Schillinge Einhundertsiebzigfünf Millionen), wobei dieser Betrag wie folgt zur Zahlung fällig sit:

a) Am Tag der Unterfertigung des gegenständlichen Vertrages,

bar ein Teilbetrag von S 148,750.000,--;

b) der Restbetrag von S 26,250.000,--

binnen 14 (vierzehn) Tagen vor Fällig-

keit der von der Verkäuferin vom Finanz-

amt vorgeschriebenen Erbschaftssteuer;

sohin ist der Gesamtpreis von S 175,000.000,--

Der Restkaufpreis zu lit. b) wird durch eine BANKGARANTIE der Creditanstalt-Bankverein abgesichert und zwar mit jeweiligen Laufzeiten von mindestens 9 (neun) Monaten bei Inanspruchnahme auf erste Anfrage und ohne Prüfung des Rechtsgrundes. ...

III.

Gewährleistung:

Die Verkäferin haftet für den Rechtsbestand ihrer Pflichtteilsforderung dem Grunde nach in der gesetzlichen Mindesthöhe von 1/6 (Ein Sechstel) gemäß den Vorschriften des ABGB über die Bemessung des Pflichtteils; die Verkäuferin übernimmt keine Haftung für eine bestimmte Höhe der Pflichtteilsforderung, sodaß jeder Minderertrag genauso wie jeder Mehrertrag ausschließlich zu Lasten und zum Vorteil des Käufers geht. Die Verkäuferin haftet aber auch nicht dafür, daß die Quote des Pflichtteils höher als 1/6 ist; auch die Bemessung des Pflichtteils im Hinblick auf zu berücksichtigende Vorempfänge und Schenkungen sowohl auf Grund des Gesetzes als auch auf Grund des der Verlassenschaft zugrundeliegenden Testamentes, insbesondere Punkt 13 (dreizehn) haftet die Verkäuferin nicht und jedwede Bemessung durch das Gericht trifft sohin ausschließlich bezüglich Nachteil und Vorteil den Käufer. ...

IV.

Abgrenzungen:

Einvernehmlich wird festgestellt, daß nur die in Punkt I. genannte Pflichtteilsforderung samt Zinsen und Kosten Vertragsgegenstand ist; die Verkäuferin bleibt sohin Eigentümerin der Leibrentenforderung sowie des Fruchtgenußes am Hotel Eden gemäß Punkt 1 (eins) des Testamentes und durch die gegenständliche Kaufvereinbarung bleibt auch jedwedes Grund- und Fahrnisvermögen der Verkäuferin unberührt und der Käufer hat hierauf weder direkt noch indirekt einen Rechtsanspruch. Die bei Gericht aufgelaufenen Barauslagen und Vertretungskosten jedweder Art, bis zum Tag der gegenständlichen Kaufvereinbarung, insbesondere die Gerichtskosten im Prozeß beim LG für ZRS Wien zahlt die Verkäuferin und hält hiefür den Käufer schad- und klaglos; zukünftige Vertretungskosten jedweder Art, insbesondere die im Prozeß beim LG für ZRS Wien auflaufenden Gerichts- und Sachverständigenkosten trägt der Käufer und hält hiefür die Verkäuferin schad- und klaglos. ...

... weiters zahlt die Verkäuferin die Erbschaftssteuer für den kaufgegenständlichen Teilbetrag von S 175,0 Mio, während die darüber hinaus entstehende und fällig werdende Erbschaftssteuer aufgrund des restlichen Pflichtteiles der Käufer unter Verzicht auf jedweden Regreß gegenüber der Verkäuferin zu bezahlen hat. Den Käufer trifft die Verpflichtung, zeitgemäß vor Einziehung seiner kaufgegenständlichen Forderung mit Haftung für den Erfolg zu Gunsten der Verkäuferin Sorge zu tragen, daß die bezügliche Erbschaftssteuer bei der Einziehung sogleich abgesondert vom Treuhänder Rechtsanwalt Dr. X verwahrt und von Letzterem nach rk Vorschreibung bezahlt wird. Der Käufer wird im Prozeß als Nebenintervenient und Erwerber der Forderung eintreten und versuchen, anstelle der Verkäuferin als Hauptintervenient den Prozeß zu übernehmen. Jedenfalls verpflichtet sich der Käufer, die Verkäuferin für jedwede zukünftige Prozeßkosten schad- und klaglos zu halten.

Die Verkäuferin stimmt zu, daß Herr Rechtsanwalt Dr. X aber auch gleichzeitig den Käufer als Nebenintervenienten und danach in der gegenständlichen Sache gegen die Verlassenschaft und den Alleinerben vertritt. ...

VI.

Nebenbestimmungen:

Der gegenständliche Vertrag wird in einem Original errichtet, das der Käufer erhält; die Verkäuferin erhält eine Abschrift. Die Parteien stellen fest, daß der gegenständliche Kaufvertrag als Verpflichtungsgeschäft gebührenfrei ist; sollten Gebühren anfallen, so werden diese von beiden Seiten je zur Hälfte getragen."

Hiebei ist noch von Bedeutung, daß die Vertragsteile mit schriftlicher Zusatzvereinbarung vom 24. Februar 1992 den Kaufpreis auf S 169 Millionen reduzierten.

Das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien forderte vom Beschwerdeführer als dem Käufer der Forderung ausgehend von der reduzierten Kaufpreissumme als Bemessungsgrundlage Rechtsgebühr gemäß § 33 TP 21 Abs. 1 Z. 1 GebG an.

Dagegen berief der Beschwerdeführer mit dem Argument, die vorliegende Urkunde beinhalte nur das Titelgeschäft, nicht aber die Zession, die Erfüllungshandlung. Diese sei von der Kaufvereinbarung gesondert, mündlich vor einem Notar erfolgt und daher gebührenfrei. Dazu beantragte der Beschwerdeführer die Einvernahme verschiedener Zeugen.

Gegen die abweisliche Berufungsvorentscheidung des Finanzamtes begehrte der Beschwerdeführer fristgerecht die Vorlage des Aktes an die Abgabenbehörde zweiter Instanz, wobei er den Rechtsstandpunkt einnahm, eine Zession bedürfe der übertragung der Forderung nach den Regeln des Besitzüberganges, also durch ausdrückliche Erklärung oder unzweifelhafte Zeichen etc. Im Beschwerdefall liege nur das Titelgeschäft in Form einer Urkunde vor.

Die belangte Behörde wies die Berufung als unbegründet ab und nahm gemäß § 289 Abs. 2 BAO eine Abänderung des Bescheides dahin vor, daß die Rechtsgebühr ausgehend von einer Bemessungsgrundlage von S 175 Millionen (= ursprünglicher Kaufpreis) mit S 1,4 Millionen (= 0,8 %) festgesetzt wurde.

Rechtlich vertrat die belangte Behörde dazu die Ansicht, im vorliegenden Fall mache in Ermangelung einer zusätzlichen anderen Vereinbarung die über das Verpflichtungsgeschäft errichtete Urkunde auch Beweis über die erfolgte Abtretung selbst. Die Feststellungen der Vertragsparteien in Punkt VI des Vertrages seien nur als Schutzbehauptung zur Hintanhaltung der Gebührenpflicht zu verstehen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Verwaltungsgerichtshofbeschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verleztung von Verfahrensvorschriften. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Gebührenfreiheit verletzt.

Der Bundesminister für Finanzen legte die Verwaltungsakten und die Gegenschrift der belangten Behörde vor, worin die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 17 GebG lautet auszugsweise:

"(1) Für die Festsetzung der Gebühren der über das Rechtsgeschäft errichteten Schrift (Urkunde) maßgebend ...

(2) Wenn aus der Urkunde die Art oder Beschaffenheit eines Rechtsgeschäftes oder andere für die Festsetzung der Gebühren bedeutsame Umstände nicht deutlich zu entnehmen sind, so wird bis zum Gegenbeweise der Tatbestand vermutet, der die Gebührenschuld begründet oder die höhere Gebühr zur Folge hat

(5) Die Vernichtung der Urkunde, die Aufhebung des Rechtsgeschäftes oder das Unterbleiben seiner Ausführung heben die entstandene Gebührenschuld nicht auf."

Gemäß § 33 TP 21 Abs. 1 Z. 1 unterliegen Zessionen oder Abtretungen überhaupt von Schuldforderungen oder anderen Rechten im allgemeinen einer Rechtsgebühr von 0,8 v.H. vom Entgelt.

Kern des Beschwerdevorbringens ist - wie schon im Verwaltungsverfahren - das Argument, die vorliegende Urkunde enthalte nur das gebührenfreie Titelgeschäft Kauf, nicht aber die Zession. Dem ist folgendes entgegenzuhalten:

Unter einer rechtsgeschäftlichen Zession versteht man die durch Willenseinigung zwischen Altgläubiger (= Zedent) und Neugläubiger (Zessionar) bewirkte Veränderung der Rechtszuständigkeit der abgetretenen Forderung (vgl. Koziol-Welser, Grundriß I9 290, 292). Sie erfolgt in der Regel im Wege eines formlosen Konsensualvertrages (vgl. Ertl in Rummel, ABGB II2 Rz 1 zu § 1392 ABGB). Die Zession ist ein sogenanntes kausales Verfügungsgeschäft und bedarf eines gültigen Titels, der z.B. - wie auch im vorliegenden Fall - in einem Kauf bestehen kann (vgl. Koziol-Welser aaO.292 sowie Mayrhofer in Ehrenzweig, System3, Das Recht der Schuldverhältnisse 479), jedoch (ausgenommen die Fälle der Sicherungszession bzw. der schenkungsweisen Zession ohne Notariatsakt mit wirklicher Übergabe) keines eigenen, Publizitätszwecken dienenden Übertragungsaktes (modus;

Koziol-Welser aaO. 292; Mayrhofer aaO. 489; Ertl in Rummel aaO. Rz 2 zu § 1392 ABGB). Es fallen vielmehr regelmäßig Titelgeschäft und Abtretung zusammen (Koziol-Welser aaO 292);

ausgenommen Fälle, in denen zwischen den Parteien zunächst nur die Pflicht zur Abtretung begründet wird (sogenanntes Abtretungsversprechen), die Abtretung selbst hingegen aber einem späteren Zeitpunkt vorbehalten bleibt (Mayrhofer aaO. 480).

Im vorliegenden Fall ergibt sich dazu aus dem gemäß § 17 Abs. 1 GebG maßgeblichen Urkundeninhalt (mit einer weitere Beweisaufnahmen iS des § 17 Abs. 2 leg. cit. von vornherein ausschließenden Deutlichkeit), daß die Vertragsparteien keineswegs ein bloßes Abtretungsversprechen vereinbarten, sondern daß bereits mit dem Titelgeschäft Kauf auch das Kaufobjekt, nämlich die Pflichtteilsforderung (bei der es sich um ein abtretbares Recht handelt; vgl. z.B. OGH SZ 41/57 sowie Koziol-Welser, Grundriß II9, 374) auf den Beschwerdeführer als Käufer übertragen wurde. Dies ergibt sich u.a. insbesondere aus der Vereinbarung betreffend den sofortigen Übergang der Gefahrtragung hinsichtlich der Höhe des zitierten Anspruchs auf den Käufer gemäß Punkt III des Vertrages, weiters e contrario aus der Aufzählung einzelner Rechte, deren "Eigentümerin" die Verkäuferin im Gegensatz zur übertragenen Pflichtteilsforderung bleibt (Punkt IV des Vertragstextes), und schließlich aus der sofortigen Übernahme des Kostenrisikos der Weiterführung des über die abgetretene Pflichtteilsforderung anhängigen Zivilprozesses, in den der Beschwerdeführer nach dem Willen der Vertragsparteien (als "Nebenintervenient oder Hauptintervenient"; richtig wohl unter der Voraussetzung der Zustimmung der anderen Prozeßpartei gemäß § 234 Satz 2 ZPO) als Hauptpartei eintreten soll.

Demgegenüber stellt Punkt VI des Vertragstextes nur eine für die rechtliche Qualifikation der Vertragsurkunde unmaßgebliche Äußerung einer bestimmten Rechtsmeinung der Vertragsparteien betreffend die Gebührenpflicht dar, aus der sich keine Trennung eines erst in der Zukunft zu erfolgenden Übertragungsaktes vom Titelgeschäft ergibt.

Die belangte Behörde konnte daher allein auf Grund des Inhaltes der vorliegenden Urkunden frei von inhaltlicher Rechtswidrigkeit die getroffene Vereinbarung bereits als Zession iS des Gebührentatbestandes nach § 33 TP 21 Abs. 1 Z. 1 GebG qualifizieren, weshalb auch die vom Beschwerdeführer unter dem Titel einer Verletzung von Verfahrensvorschriften gerügte Unterlassung diverser Erhebungen (insbesondere Zeugeneinvernahmen) den angefochtenen Bescheid nicht mit Rechtswidrigkeit belastet.

Da die belangte Behörde überdies auf Grund der Bestimmung des § 17 Abs. 5 GebG zur Recht den ursprünglichen Kaufpreis von S 175 Millionen als Bemessungsgrundlage herangezogen hat (sog. Stichtagsprinzip; vgl. dazu z.B. die bei Fellner, Gebühren und Verkehrsteuern I, 2. Teil, Stempel- und Rechtsgebühren, 16 W Abs. 4 und 17 W Abs. 1 und 2 referierte hg. Judikatur), war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen. Mit Rücksicht auf die durch die oben zitierten Literaturstellen und die dort jeweils ersichtlichen Judikaturnachweise klargestellte Rechtslage konnte die Entscheidung in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat getroffen werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VO BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2.

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